Am Freitag, den 10. Januar trafen sich Münchens Bürgerinitiativen zur inzwischen 5. BI-Messe „Bürgerinitiativen im Gespräch“. Auch heuer mit Info-Tischen und interessanten Vorträgen rund um das große Thema „München, Grüne Stadt der Zukunft?“ Dabei ging es wie immer um das Spannungsfeld von Verdichtung, Verkehrswende und Klimanotstand und wie dieses vielleicht besser zugunsten des Klimas und damit der Lebensqualität der Münchner austariert werden könnte. An die 20 Bürgerinitiativen waren mit dabei.
War im Vorfeld zu wenig Werbung gemacht worden oder lag es daran, dass der ein oder andere nach vier Veranstaltungen im gleichen Format mal eine andere Form wünschte, um mehr Außenwirkung zu erzielen und Denkanstöße und Diskussion in die Breite der Gesellschaft tragen zu können, statt sich nur gegenseitig in der gleichen Meinung zu bestätigen – jedenfalls waren bei diesem fünften Treffen etwas weniger Bürgerinitiativen vertreten als die Jahre zuvor. Es fanden sich auch etwas weniger Zuhörer im Bürgersaal zu Fürstenried ein –rund 80 Personen. Engagiert diskutiert wurde trotzdem und schön war’s auch, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. So der allgemeine Tenor.
Die Veranstaltung mit sechs Impulsvorträgen zeigte wieder einmal: Die Bürgerinitiativen engagieren sich zwar in verschiedenen Stadtteilen, kämpfen aber gegen die gleichen behördlichen Windmühlen und stehen neben großen, finanziell potenten Investoren aus der Bauwirtschaft wie David gegen Goliath quasi auf verlorenem Posten. Andererseits: Aufgeben und Nichtstun sind auch keine Alternative, wie Dirk Höpner vom Bündnis München Nord meinte.
Mal schauen, was sich die beiden Organisatoren des BI-Treffens, Gisela Krupski und Stefan Bürger, fürs nächste Jahr einfallen lassen. Schließlich herrscht dann Kommunalwahlkampf.
Sternmarsch im Sommer für mehr Baum- und Grünschutz
Eine gemeinsame öffentlichkeitswirksame Aktion könnte aus dem diesjährigen Treffen aber doch erwachsen: Alle BIs wurden an dem Abend aufgerufen, sich an einem Sternmarsch, sei’s zu Fuß, per Rad oder ÖPNV, im (Früh-)Sommer hin zur Abschlusskundgebung am Münchner Marienplatz zu beteiligen, vielleicht an einem Sitzungstag des Stadtrats, um den Damen und Herren Stadträten vor Augen zu führen, dass es viele sind, die sich für den Baum- und Grünschutz in München einsetzen und die eine bessere Umsetzung des bestehenden Naturschutzrechts fordern (man denke nur an das vom Stadtrat angenommene Bürgerbegehren „Grünflächen erhalten“). Das Orga-Team trifft sich am 24. Januar ab 18 Uhr in der Pasinger Fabrik (Anmeldung unter: SternmarschBMBI25@gmx.de).
Was macht das Wohnen eigentlich so teuer?
Das Wichtigste am BI-Treffen ist die persönliche Vernetzung mit anderen Mitstreitern, daher wurde den Gesprächen neben den sechs je zehnminütigen Impuls-Vorträgen großer Raum eingeräumt.

Aber natürlich wollten die Referenten auch Denkanstöße geben, denn vieles ist auf andere Stadtviertel übertragbar. So hatte Thomas Richter von der Bürgerinitiative „Lebendiges Berg am Laim“ anhand des 60.000 qm großen Truderinger Ackers (der trotz des Namens in Berg am Laim liegt und bislang Feld und Sportplatz war) recherchiert, was die Wohnungsmieten in München eigentlich in die Höhe treibt. Denn wie kann es sein, dass in Freiham Vonovia, eines der führenden Immobilienunternehmen Deutschlands, das nach eigenem Bekunden bundesweit 482.000 Wohnungen „zu fairen Preisen“ vermietet, Quadratmeterpreise von 21 bis 29,50 €/qm verlangt, während das Kath. Siedlungswerk München, das auf Erbpacht gebaut hat auf Boden, der vor Jahrzehnten vergleichsweise günstig gekauft wurde, Mieten von 7,80 €/qm abruft. Das liege an den Baulandkosten, folgert der Mediziner. Hatten die Baulandkosten 1950 nur einen bescheidenen Anteil von 1,42 % an den gesamten Baukosten, so waren dies 2018 schon 79,15 %. Doch wer profitiert nun von diesen enormen Baulandpreisen? Richter gab die Antwort anhand des Truderinger Ackers.
Milliardenpoker Bauen oder: Es braucht eine neue Bodenordnung
Bevor die Planerei losging, lag der Bodenrichtwert für den Sportplatz bei 50 und fürs Ackerland bei 150 €/qm. Ganz anders die Preise nach fünf Jahren Planung, als 2022 der Satzungsbeschluss fiel und Baurecht mit massiv erhöhter GFZ geschaffen ward: statt E + maximal 3 wie im Umfeld wurde das Maß der zulässigen baulichen Nutzung deutlich erhöht auf E+5, E+7 und sogar an einer Stelle auf E+14! Und nun hatte das Bauland, noch ohne jede Bebauung, plötzlich einen Wert von 6.000 €/qm. Schneller hätten die beiden Eigentümer, die Park Immobilien Projekt Truderinger Str. GmbH & Co. KG – ein verschachteltes Firmenkonstrukt mit Sitz in Grünwald, die zur Büschl-Gruppe gehört – und eine Familie, gar nicht das Geld verdienen können. Aktuell bekannt ist, dass von den mindestens 820 neuen Wohnungen 200 an die städtische Münchner Wohnen verkauft werden sollen. Welcher Bodenpreis wird dem Verkauf wohl zugrunde gelegt? Dabei hatte der zuständige BA 14 schon 2014 die Stadt aufgefordert, das Ackerland zu kaufen. (Die gleiche wundersame Geldvermehrung geschah übrigens beim „Langen Land“, wo die CA Immo einen satten Gewinn einstreichen konnte, als sie 2023 das Areal, kaum Bauland geworden, an die Empira verkaufte, Anm. d. Red.).
Richters Lösung, ganz im Sinne von Hans-Jochen Vogel, der diese Essenz seines Lebens schon vor über 50 Jahren als OB formulierte: Es braucht eine neue Bodenordnung, nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar. Das entsprechende Büchlein von Vogel hatte Richter gleich für jede BI dabei.
Wichtige Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels
Dirk Höpner berichtete seinerseits vom Kampf in Feldmoching: SEM contra regionale Landwirtschaft, die nun mal für ihr wirtschaftliches Fortbestehen Äcker braucht, und das eher mehr als weniger.
Tobias Ruff, seines Zeichens Dipl.-Forstingenieur und Gewässerökologe, sprach über unsere wichtigste Ressource: das Wasser, von dem wir in Zeiten des Klimawandels immer öfter mal zu viel oder zu wenig haben werden – obwohl die Niederschlagsmenge im langjährigen Mittel nahezu gleichbleibt. Nun räche sich bitter, dass wir in der Vergangenheit alles dafür getan hätten, das Wasser loszuwerden durch die Zerstörung der Moore, die Begradigung der Flüsse und die Drainage der Flächen. Fazit des Gewässerökologen: Es darf zu keiner weiteren Flächenversiegelung mehr kommen und es darf vor allem dort nicht weiter gebaut werden, wo das Wasser gespeichert wird: im Grundwasser. Die Münchner Schotterebene sei ein gigantischer Wasserspeicher, eine riesige Kieszunge, die sich aus den Alpen herausschiebe und im Münchner Norden ins Moos übergehe, weshalb die Stadt München eine große Verantwortung habe, nicht ins Grundwasser zu bauen. Denn selbst Experten wüssten nicht genau, wie sich die Grundwasserströme im Untergrund verhielten (siehe Nord-West-Sammelkanal, Anm. d. Red.).
Katastrophentunnel zweite Stammstrecke
Verkehrsplaner Thomas Kantke berichtete kenntnisreich über das totale Planungsdesaster rund um die zweite Stammstrecke – Interessierten empfehlen wir seine Website, damit Sie nicht 2040, wenn der zweite Tunnel hoffentlich eröffnet wird, aus allen Wolken fallen, weil so viel Geld versenkt wurde für ein unbefriedigendes Ergebnis, da der ÖPNV weiter überlastet bleibe und sogar viele Bahnhöfe abhängt und teure Nachbesserungen, etwa am Bahnhof Berg am Laim und am Leuchtenbergring, nach sich ziehen wird, damit die beiden Stammstrecken dann mit dem Südring synchronisiert werden könnten. So Kantke. Sein Credo: Wenn der Katastrophentunnel schon gebaut werden muss, sollte er zumindest korrekt gebaut werden (siehe die Abstriche am Sicherheitskonzept aus Kostengründen etwa am Hauptbahnhof und am Marienhof) und die Politiker sollten endlich ihren Job ordentlich machen und sich in die Materie einarbeiten.
Sogar auf dem Papier fehlen München 23.227 Bäume
Christian Hierneis, seit 23 Jahren Vorsitzender der Kreisgruppe München des Bunds Naturschutz in Bayern, überholte sich bei seinem Vortrag im Schnellsprech quasi selbst, um innerhalb kurzer Zeit sein unendliches Wissen zum Thema „Naturschutz/Klimaanpassung in der Stadtentwicklung“ loszuwerden. Er erläuterte, dass aufgrund der faunistischen und floristischen Grundlagenerhebung, die der Bund Naturschutz im SEM-Nord-Gebiet glücklicherweise sehr frühzeitig machen konnte im Gegensatz zum anderen SEM-Gebiet im Nordosten, maximal der Norden von Feldmoching sich für eine Bebauung eigne. Wenn überhaupt. Denn gering wären hier die Auswirkungen einer Bebauung auch nicht. Er forderte endlich eine Planung unter Berücksichtigung aller Parameter, Bauen vs. Klima & Naturschutz, Wachstum & Gewerbesteuern vs. Kosten des Wachstums etc.
Zu guter Letzt begab sich Gisela Krupski von der Bürgerinitiative Pro Fürstenried in die Untiefen der städtischen Baumbilanzen, um zu eruieren, ob diese wirklich ausgeglichen sind, wie immer wieder freudig verkündet wird. Sind sie eben nicht, selbst dann nicht, wenn man nur numerisch argumentiert und nicht bedenkt, dass eine 80 Jahre alte Linde die zehnfache Umweltleistung einer 20-jährigen Kollegin erbringt. Man muss nämlich darauf achten, ob in der Statistik auch die privaten Baumfällungen/Nachpflanzungen einbezogen sind, denn dort gibt es beständig ein Minus, weil auf den völlig zugebauten Grundstücken zu wenig Platz selbst für Bäumchen ist, so dass auf Nachpflanzungen verzichtet wird. Ferner sind 569 angeblich angeordnete Nachpflanzungen nur in Form von Geld vorhanden, andere wurden gar außerhalb von München bei Freising getätigt und bringen dem Münchner Klima nichts. Nicht vergessen werden darf auch, dass in die Baumstatistik nur gefällte Bäume mit einem Stammumfang ab 80 cm aufgenommen werden. Kleinere Bäume verschwinden sang und klanglos. Und wer sagt, dass die neu gepflanzten Bäume auch ein würdiges Baumalter erreichen? (Man denke nur an die still und heimlich verschwundene Baumreihe entlang den Josef-Frankl-Höfen, Anm. d. Red.).
Laut Gesamtstatistik wurden zwischen 2011 und 2023 106.722 Bäume gefällt und 83.495 Bäume gepflanzt. Macht selbst auf dem Papier ein Minus von 23.227 Bäumen.
Irene Gronegger meint
Danke für den ausführlichen Beitrag.
Ich habe auch einen Blogartikel über die BI-Messe geschrieben. Dank Zitat von LA 24 ergab sich sogar ein eleganter Schwenk zum Schwerpunkt meiner Seite (Eggarten):
https://biotop-eggarten.de/messe-muenchner-buergerinitiativen-2025/
Bernd meint
Respekt an die Bürgerinitiativen, die sich für uns alle engagieren! Vielen Dank!