Offensichtlich hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass am Faschingssonntag in der Evangeliumskirche am Stanigplatz immer ein Orgelkonzert der besonderen Art stattfindet. So lauschten auch heuer rund 100 Besucher den für eine Kirche normalerweise ungewohnten Orgeltönen. Organist Armin Becker, der seit seinem 14. Lebensjahr mit der Orgel beruflich verbunden ist und sich stets bemüht, das klassische Orgel-Repertoire zu erweitern, hatte wieder ein abwechslungsreiches, einstündiges Programm zusammengestellt und gab gleich zu Beginn ein paar Erklärungen zum besseren Verständnis fürs Publikum ab.
Dass am Faschingssonntag vieles anders ist als gewöhnlich, zeigte sich schon daran, dass Becker den „Rausschmeißer in C“ von Ulrich Nehls gleich zu Beginn des Konzerts spielte – ganz im Sinne karnevalesker Verkehrungen, wie der Musiker erläuterte. Es folgten Musikstücke bekannter klassischer Orgelkomponisten wie Georg Friedrich Händels berühmtes „Arrival of the Queen of Sheba“. Vor allem aber brachte Becker an diesem Spätnachmittag Melodien zeitgenössischer Komponisten wie eben Nehls, Becker (Swing G. F. H.), Paul Ayres (Jahrgang 1970, „The Departure of the Queen of Sheba“, angeregt von Händel) sowie Mons Leidvin Takle (Jahrgang 1942, „Blues-Toccata“). Damit hallten auch Themen und Melodien aus dem Pop-Bereich durch die heiligen Hallen, so zum Beispiel „I want to hold your hand“ und „Hey Jude“ von den Beatles, neu arrangiert und umgeschrieben für Orgel von Paul Ayres, meisterhaft interpretiert von Armin Becker.
Die Konzertbesucher lauschten fasziniert den Klängen und der ein oder andere wiegte schon mal zu „Hey Jude“ den Kopf leise im Takt der Melodie oder wippte dezent mit dem Fuß zu den bekannten Klängen von „I got Rhythm“ von George Gershwin. Armin Becker beendete das Konzert mit den gewaltigen Tönen der „Hymn to Freedom“, ursprünglich von Oscar Peterson komponiert, nun arrangiert vom Norweger Mons Leidvin Takle. Interessant, was man aus diesem Stück so alles machen kann. Und wer das französische Chanson „Oh Champs-Élysées“ von 1970 (mit Joe Dassin) noch kennt, wird in dem Stück immer wieder Anklänge aufblitzen hören!
Da es nach dem offiziellen Ende des Programms teils Standing Ovations für Armin Becker gab, ließ sich dieser nicht lange bitten, sondern legte als Zugabe noch die Orgelbearbeitung des bekannten Liebesliedes „Bésame mucho“ von der mexikanischen Komponistin Consuelo Velázquez (1916–2005) drauf.
Fazit: Das Konzert war wieder klasse und die Besucher spendeten am Schluss fleißig für den Kunstgenuss. Schade nur, und das ist wirklich der einzige kleine Wermutstropfen, dass die Evangeliumskirche trotz der schon fast frühlingshaften Temperaturen draußen immer noch sehr kalt im Inneren ist. Die bereitgelegten Decken waren da doch angenehm nützlich.
Gerlinde Dunzinger