Am Dienstag, den 25. April überreichte eine Delegation aus dem Münchner Norden um Friederike Goschenhofer von Regsam exakt 965 Unterschriften an Christoph Grassl, Regionalvorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), verbunden mit der Forderung nach einer ausreichenden, erreichbaren kinderärztlichen Versorgung in Feldmoching – Hasenbergl und Milbertshofen – Am Hart“. Mit dabei: Münchens Referentin für Gesundheit und Umwelt, Stephanie Jacobs, die gleich noch unterschrieb.
Im Stadtbezirk Schwabing – Freimann gibt es für 8.030 Kinder (unter 14 Jahren) 15 Kinderarztpraxen, in Feldmoching – Hasenbergl für 8.663 Kinder dagegen gerade mal zwei Kinderärzte und im Stadtbezirk Milbertshofen – Am Hart für 9.309 Kinder eine Gemeinschaftspraxis. Eine ausreichende ärztliche Versorgung ist damit nach Ansicht der Unterschreibenden im Münchner Norden nicht gewährleistet. Sie fordern deshalb – endlich – eine adäquate kinderärztliche Betreuung im Stadtviertel, denn mit einem akut erkrankten Kind einen langen Weg in öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, davon kann auch Gesundheitsreferentin Jacobs (Mama von 2- und 5-jährigen Kindern und in Hadern selbst auf der Suche nach einem Kinderarzt gewesen) nur dringend abraten.
Kinderärzte sind ständig gezwungen, Patienten abzulehnen
Bekanntlich sieht die KVB die Stadt München als Gesamtraum, und der weist mit einer Abdeckung von 134 % sogar eine kinderärztliche Überversorgung auf. Dass im 24. wie im 11. Stadtbezirk, aber auch in der Messestadt Riem ein eklatanter Mangel an Kinderärzten herrscht, das kaschieren die 134 %, und spielt bislang keine Rolle bei der Kassensitzvergabe. Mit Folgen für Patienten wie Ärzte. Stefan Konz etwa vom Feldmochinger Anger, seit Anfang des Jahres Papa, braucht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln 45 bis 60 min. zum Kinderarzt seiner Tochter. Denn die beiden Kinderärzte im Stadtbezirk haben seine Tochter abgelehnt, wie er an diesem Nachmittag den KVB-Vertretern berichtet. Natürlich habe ihm diese Absage weh getan, meinte Kinderarzt Stefan Hammann vom Frühlingsanger, der gleichfalls zum KVB-Treffen mitgekommen ist. Neugeborene müsse er aber leider sehr viele ablehnen – außer die werdenden Eltern haben den Nachwuchs schon vorgeburtlich angemeldet! Denn er hat inzwischen 3.900 Kinder in der Kartei und zig auf der Warteliste. (Üblich sind 1.600 bis 1.700 Kinder pro Arzt.) Und eine Entlastungsassistenz anzustellen, lohne für ihn nicht, da die Praxis ja gedeckelt sei auf die Arbeitszeit eines Arztes.
Besser sieht es bei der Gemeinschaftspraxis von Philip Wintermeyer an der Ecke Ingolstädter-/Heidemannstr. aus. Die große Praxis mit zwei Kassensitzen muss derzeit kein Kind ablehnen – außer jemand möchte seinen Kinderarzt wechseln. Allerdings sei die Praxis manchmal derartig voll, dass er selbst es als Zumutung für Eltern und Patienten empfinde, berichtet der Kinderarzt. Wintermeyer denkt jedoch schon heute mit gemischten Gefühlen an die Zeit, wenn die Bayernkaserne bebaut und von jungen Familien bezogen ist.
Sind allen die Hände gebunden? Appell geht an die Politik
Regionalvorstand Grassl, selbst Hausarzt in Obersendling, sieht zwar nach eigenen Worten die Notsituation in manchen Stadtvierteln, aber der KVB als Körperschaft des öffentlichen Rechts seien die Hände gebunden. Er müsse sich an die von der Politik vorgegebenen Gesetze und Vorgaben halten und könne diese nicht eigenmächtig ändern. Abhilfe müsse von der Politik kommen, die etwa eine differenziertere Betrachtung in kleineren Bereichen gestatten müsse, auf dass man dann darauf bestehen könne, dass ein freiwerdender Kassensitz im Münchner Norden bleiben müsse. Andererseits habe man für den freiwerdenden Kassensitz von Dr. Moritz Liebe in der Reschreiterstr. 1,5 Jahre erfolglos einen Nachfolger gesucht, berichtete Grassl. Um den Kassensitz nicht ganz zu verlieren, habe die KVB letztlich dem Umzug des Kassensitzes in den Süden zugestimmt. Grassls Anregung in Richtung Münchens Gesundheitsreferentin Jacobs: Die Kommune könne doch für günstigere Praxisräume sorgen, was für Ärzte ein Anreiz wäre, in den Norden zu gehen.
Dem entgegnete Jacobs aber gleich, dass die Stadt dies nicht machen könne. Das wäre eine verdeckte Subventionierung. Sie hofft, einen anderen Ansatzpunkt gefunden zu haben: In Neubaugebieten wie Freiham werde nun gleich auch die medizinische Infrastruktur mitgedacht, etwa in Form eines Gesundheitshauses mit öffentlichem Gesundheitsdienst und Präventionsprogrammen, Impfbuchberatung … Das könne ein gutes Umfeld für Ärzte schaffen und Synergien ermöglichen. Im Übrigen wertete Jacobs es schon als Erfolg, als Gesundheitsreferentin endlich einmal mit der KVB ins Gespräch gekommen zu sein. Bislang habe die KVB auch bei ihr gemauert.
Bleibt das Fazit von Kinderarzt Wintermayer: „Jedem sind offensichtlich die Hände gebunden. Wir brauchen folglich kreative Lösungen, Sonderzulassungen und eine Bedarfsplanung.“ Die „große“ Politik ist gefordert, damit endlich große Städte differenzierter betrachtet und etwa in Bezirke oder in Sozialregionen aufgeteilt werden können, wie es kürzlich auch die SPD-Stadtratsfraktion forderte.