Vor einem Jahr berichtete der Lokal-Anzeiger über eine für Mensch und Tier nicht ungefährliche Riesenpflanze mit großen weißen, weit sichtbaren Blütendolden mit dem Namen Riesenbärenklau oder Herkulesstaude. Sie wird bis zu 4 m hoch und breitet sich auf besten Standortbedingungen in der Feldmochinger Gemarkung aus. Im heutigen Artikel steht eine ebenfalls recht große Sommerpflanze namens „kleinblütige Königskerze“ (Verbaseum thapsus) im Mittelpunkt. Sie ist gesundheitlich unbedenklich und aus vielerlei Sicht sehr interessant.
In der Ecke eines Feldmochinger Gartens fanden wir ein prachtvolles Exemplar dieser kleinblütigen Königskerze, die voll ausgewachsen schon bald eine Höhe von etwa 3 m Höhe erreicht haben dürfte. Normalerweise wird diese Pflanze nicht höher als 2 m und etwas mehr.
Die Königskerze gehört botanisch zu der Familie der Braunwurzgewächse. Sie gedeiht auf kargen Böden und begnügt sich mit Kies, Schotter und steinigem Grund. Der Standort der gesichteten „Riesenkerze“ war früher einmal eine Einfahrt und hat tatsächlich im Gegensatz zum Umfeld einen mit Kies und Schotter aufgeschütteten Untergrund. Die zweijährige Pflanze hatte zuerst eine Boden-Blattrosette mit einem Durchmesser von ca. 1,30 m gebildet, woraus die Kerze mit großen Blättern und dem etwa 80 cm hohen Blütenstand aufwuchs.
Es lebt der Volksbrauch aus Naturbeobachtungen
Im Volksbrauch hat die Königskerze viel triviale Namen, je nachdem in welche Richtung man ihre Erscheinung weis- oder vorhersagen beziehungsweise orakeln will. Etwa Brennkraut, Blitzkerze, Frauenkraut, Fackelkraut, Marienkerze, Wollkraut beziehungsweise Wollblume, Himmelsbrand, Feldkerze … Und zu jeder dieser Namensgebungen gibt es selbstverständlich eine passende Geschichte. Ihr Name Wetterkerze oder Wetterkraut macht die Königskerze besonders interessant.
Denn bekanntlich haben sich in frühen Zeiten die Menschen mit Wetterprognosen oder mit Wetterdeutungen an vielen Naturvorkommnissen orientiert. So meinten man auch, wenn besondere Bäume reichlich Früchte tragen, etwa (Wal-)Nüsse, Eicheln, Bucheckern u. a., müsse im Folgenden mit einem strengen und langen Winter gerechnet werden. Auch an Blumen und Kräutern fanden die Menschen Anzeichen für Wettervorhersagen, allerdings eher für kurzfristige.
Die „prominente“ Königskerze hat uns etwas zu sagen
Die kleinblütige Königskerze ist in den letzten Jahren wieder zum vermeintlichen Wetteranzeiger geworden, und zwar sowohl für eine kurzfristige wie auch für eine langfristige Prognose. Einige Wetterpropheten, in unserer Region besonders der 76-jährige Sepp Hasslinger aus Benediktbeuern, haben mit ihrem Wissen auf diesem Gebiet bereits Fernsehberühmtheit erlangt. Und alle Jahre wieder wird gespannt darauf geachtet, ob nun seine Prognosen anhand der Königskerze zutrafen oder nicht. Nüchtern betrachtet könnte man das auch so sehen: Mal so und mal so! Der Stichtag für eine ernsthaft gemeinte Prognose an der Königskerze ist der 15. August, der Tag Maria Himmelfahrt. Wer diesen Stichtag versäumt, darf sich am 30. August ein zweites Mal versuchen. In einem geweihten Kräuterbüschl zu Maria Himmelfahrt darf übrigens die Blüte einer Königskerze nicht fehlen.
Maßgeblich für das Ablesen und Erstellen einer Wetterprognose für den folgenden Winter ist in erster Linie der Blütenstand. Haben die Königskerzen einen langen Blütenstand und kommen die kleinen gelben Blüten wuschelig und weit hervor, dann darf aus diesem Phänomen – ganz banal gesagt – ein nachfolgend langer, kalter und schneereicher Winter orakelt werden. Bleiben die Blüten dagegen nur wenig sichtbar im Kerzenschaft und ist der Schaft nicht allzu mächtig aufgewachsen, dann darf mit einem eher milden Winter gerechnet werden. Auch aus der Dichte der Blätter oberhalb der Bodenrosette wird eine Schneevorhersage für den folgenden Winter hergeleitet. Am Stichtag 15. August waren bei unserer Königskerze am Hauptstamm wie auch an den Nebenstämmen die Blüten verschlossen. Nur an den oberen Spitzen zeigten sich gelbe Blüten. Daraus ist nun der Schluss zu ziehen, dass wir voraussichtlich im kommenden Winter nicht sehr viel Schnee zu schippen haben. Ab Februar bis zu Ostern hin sollten wir die Schneeschippe jedoch griffbereit halten, denn in der Zeit wird es dann doch schneien, möglicherweise sogar ergiebig. Soweit die Schneevorhersage.
Eine kurzfristige Wettervorhersage anhand der Königskerze scheint dagegen einfacher zu sein: Neigt sich die Blütenspitze gen Osten, dann wird es schön. Neigt sie sich dagegen nach Westen, dann muss mit schlechtem Wetter gerechnet werden. Selbstverständlich ist einzuräumen, dass ein echter Natur-Wetterprophet wie Sepp Hasslinger, der sich auf sehr viele Beobachtungsjahre berufen kann, mit großer Ernsthaftigkeit zur Sache geht und darum mit seinen Argumenten viele zu überzeugen versteht.
Eine wahre Wissenschaft ist dies aber nicht. Meteorologen weisen darauf hin, dass auch heute, trotz eines riesigen wissenschaftlichen und technischen Aufwands, eine zuverlässige Wettervorhersage letztlich nur für drei (maximal bis zu fünf) Tage möglich ist. Im Hochsommer bereits vorherzusagen, wie der kommende Winter wird, bedarf also sehr viel Glaubens- oder Vertrauenspotenzial.
Dennoch sollten wir anerkennen, dass die Menschen in früheren Jahrhunderten keine anderen Möglichkeiten hatten, als sich an markanten Naturerscheinungen zu orientieren. Auch die Geschichte des Hundertjährigen Kalenders beruht ja allein auf der Grundlage langjähriger Beobachtungen der Natur und entsprechender Schlussfolgerungen.
In diesen Fällen hilft das Heilkraut Königskerze
Abschließend sei auf die natürliche Heilwirkung der Königskerze hingewiesen. Schon die Benediktinerinnen-Äbtissin Hildegard von Bingen beschrieb in ihren berühmten Schriften über die Natur- und Heilkunde die Heilwirkung der Königskerze. In Tees helfen ihre Inhaltsstoffe gegen Reizhusten wie Atemwegsbeschweren, Verschleimungen … Mit Wetterorakeln aus der Erscheinung der Königskerze hat sich die Äbtissin aus Bingen dagegen nicht aufgehalten. Reinhard Krohn