Einen festlichen Schlusspunkt unter die Weihnachtszeit setzte am Samstag, den 6. Januar der Projektchor des Sängerkreises München (bei dem auch Männer der Liedertafel Fasanerie mitsingen) zusammen mit einem Projektorchester unter der Leitung von Christian Kelnberger. Sie führten in St. Johannes Evangelist neben der barocken Bachkantate „Sie werden aus Saba alle kommen“ das hoch romantische Werk von Reinberger „Stern von Bethlehem“ auf, das sie im Jahr davor erstmals zu Gehör gebracht hatten.
Josef Gabriel Reinberger war zwar kein gebürtiger Münchner, sondern stammte aus Liechtenstein. Doch er kam schon mit 12 Jahren in die Residenzstadt und prägte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das musikalische Leben an der Isar ganz entscheidend. Reinberger wurde jung Hoforganist der Theatinerkirche, dann an der Hofkirche St. Michael. Er war als Professor für Orgel und Komposition an der Münchner Musikschule eine internationale Kapazität, zu ihm kamen selbst Schüler aus den USA! Er galt als einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit, seine Werke sorgten für Aufsehen in ganz Europa.
Und doch geriet er nach seinem Tod 1901 für viele Jahrzehnte in Vergessenheit. Erst in den letzten Jahren bekommt man seine Kirchenmusik, die Motetten und Messen, wieder etwas öfter in Konzertsälen, Kirchen oder im Radio zu hören. Schade, dass am vergangenen Samstag die Kirche am Lerchenauer See nicht voll besetzt war, wie es die exzellente Aufführung und die engagierten Musiker verdient hätten – aber womöglich lag’s ja daran, dass der Termin in der Gottesdienstordnung fälschlich beim Sonntag stand und in St. Peter und Paul vormittags auch noch mit St. Christoph der falsche Ort genannt wurde.
Die anwesenden Zuhörer jedenfalls lauschten einem schönen Konzert, denn Gott sei’s gedankt sind die Zeiten, da man evangelische Kantaten nur in evangelischen Kirchen hören durfte, vorbei. „Sie werden aus Saba alle kommen“ schrieb Thomaskantor Bach exakt für sein erstes Epiphaniasfest in Leipzig. Es ist eine heiter gestimmte, positive Kantate, dem „Sound“ der Barockzeit gehorchend: Auf dem Basso continuo in der Tiefe stehen ausfigurierte Melodien, die polyphon angelegt sind. Zum typischen Orchesterklang dieser Zeit kommen noch Blechbläser hinzu, um den Chorus in einen festliches Gewand zu kleiden.
Fast 170 Jahre und große musikalische Weiterentwicklungen später komponierte Reinberger seinen „Stern von Bethlehem“. Er hat das Werk selbst nie gehört. Denn seine Frau, die Dichterin Franziska von Hoffnaaß, die ihm die Textvorlage schrieb, war noch über den Textfahnen an Tbc gestorben. Die Weihnachtskantate für Chor, Soli (Yvonne Steiner, Sopran, und Wolfgang Wirsching, Bariton) und Orchester – das sich nach dem strengen Bach u. a. für einen satten „Streicherteppich“ um einige Musiker verstärkte – ist ein ungemein expressives, hoch dramatisches Stück Musik voller fiebriger Sehnsucht – für heutige Ohren fast ein wenig zu affektisch für ein kirchliches Ambiente. Dennoch ist es gut singbar für einen gemischten Chor, der dem Werk im zweiten Jahr der Aufführung auch immer besser gerecht wird.
Wer sich nun ärgert, den Termin verpasst zu haben – die Sänger wollen das Reinberger-Werk voraussichtlich noch einmal zum Jahresende in einer anderen Münchner Kirche aufführen. Sie haben also noch eine weitere Chance!