Leider waren die diesjährigen Kulturtage im 24. Stadtbezirk recht verregnet, was dem ein oder anderen die Freude gerade an den Führungen etwas vermiest haben dürfte. Aber insbesondere die vom Kulturreferat ausgerichtete „Kulturdult“ am Samstag mit Infoständen, diversen Aktionen und Auftritten verschiedener Bands, mit einem nostalgischen Kinderkarussell, Kinderschminken und -malen, mit einer Coffeebar … litt sehr unter dem Regen. Denn die gesamte Veranstaltung, die eigentlich auf dem Platz vor dem Kulturzentrum 2411 hätte stattfinden sollen, wurde kurzerhand ins Gebäude verlegt, worauf nur wenige Bewohner und Interessierte den Weg hinein fanden. Schade.
Offiziell eröffnet wurden die „Kulturtage Feldmoching Hasenbergl“ am Freitag, den 10. Mai um 15 Uhr von Sylvia Ottes vom Münchner Kulturreferat. In einer kleinen Ansprache im Kulturzentrum 2411 informierte Ottes das Publikum über die kommenden Veranstaltungen. Und dann durften die aufgeregten und schon ungeduldig wartenden Kinder des Chores von der Grundschule Eduard-Spranger-Str. endlich auf die Bühne, um ein von Verena Sarré einstudiertes Potpourri aus „Tabaluga“, „Die Eiskönigin“ und „Zirkus Furioso“ aufzuführen. (Begleitet wurden sie dabei von Sarré am Klavier.) Die kleinen Sänger, oft von bunt bis glitzernd geschminkt, sprühten vor Begeisterung und boten ihren kleinen und großen Zuhörern einen besonderen Musik- und Augenschmaus. Hervorzuheben sind auch einige sehr gute Solostimmen.
Die Rektorin der Eduard-Spranger-Schule, Ursula Rester, die Tagesheimleiterin, Renate Soukup, sowie Lehrerinnen und Eltern hatten durch ihre Unterstützung ganze Arbeit geleistet. Das Publikum spendete tosenden Beifall und rief nach einer Zugabe, worauf der Chor noch einmal das Lied „Hereinspaziert“ aus „Zirkus Furioso“ und „Der Baum des Lebens“ aus dem Musical „Tabaluga“ von Peter Maffay erklingen ließ.
Zwei gut besuchte Führungen durch den idyllischen Eggarten
Zeitgleich unternahm Martin Schreck mit zahlreichen Interessierten – darunter auch Vertretern der CA Immo (dem Unternehmen gehört zusammen mit der Büschl Unternehmensgruppe das Areal), vom Münchner Planungsreferat und der BA-Geschäftsstelle – einen Spaziergang durch den Eggarten. Der Rundgang startete beim Bildhauer Toni Preis, der sein Atelier an der Lassallestr. mit der inzwischen fertigen Büste von Ludwig II. gerne für einen kurzen Einblick öffnete.
Anschließend führte Martin Schreck kenntnisreich durch das ab 1919 besiedelte Areal der ehemaligen kgl. Fasanerie Moosach, schließlich kennt er die Gegend, wo er aufgewachsen ist, wie seine Hosentasche und weiß um alte Bunkeranlagen und Schächte – auch wenn er den Eingang zum angeblich existierenden Tunnel vom Eggarten bis nach Allach bis heute nicht finden konnte. Schreck erläuterte, wo sich dereinst am früheren Aufhüttenweg das Zwangsarbeiterlager befand, wo die Arbeiter vom Ausbesserungswerk Freimann mehr schlecht als recht untergebracht waren. Er erläuterte, wo von 1931 bis 1939 die Kirche St. Thaddäus stand, ehe sie den gigantischen Verschiebebahnhof-Plänen der Reichsbahnbaudirektion weichen musste. (Danach feierten die Gläubigen noch eine Zeitlang im Saal der Gastwirtschaft an der Eggartenstr. Gottesdienst, ehe sie bis zur Alten St.-Christoph-Kirche zum Gottesdienst marschieren mussten.)
Vor allem aber machte Schreck seine Zuhörer auf den (morbiden) Charme des Eggartens aufmerksam, auf die Traumkulisse aus Natur, die hier allerorten so herrlich unaufgeräumt ist und daher dem Auge wie der Fantasie unendlich viele Details bietet. Die Tatsache, dass dies alles in ein paar Jahren hohen, quadratisch funktionalen 08/15-Einheitsbauten, natürlich mit obligatem Flachdach, weichen muss, wirkte auf viele Spaziergänger deprimierend, nicht zuletzt auch deshalb weil Martin Schreck ihnen ein solches Schreckensszenario in einer 3D-Visualisierung ausgedruckt präsentieren konnte.
P.S.: Auch am Sonntag war die zweiten Eggarten-Führung, trotz des Regenwetters, gut besucht – ein Teil der Spaziergänger hatte den Eggarten noch nie betreten und zeigte sich erstaunt, dass es solch ein Naturidyll in München überhaupt noch gibt.
Stummfilm mit Orgelmusik „unterlegt“
Die Evangeliumskirche beteiligte sich am Freitag mit einer Orgelnacht an den Kulturtagen. Eröffnet wurde sie durch die sizilianische Organistin Sara Musumeci, ehe ab 21.30 Uhr die große Kirche zum Kinoraum mutierte. Gezeigt wurde der 45-minütige Stummfilm „La vie et la passion de Jésus Christ“, den die französischen Filmpioniere Ferdinand Zecca und Lucien Nonguet 1903 (!) mit großem Aufwand gedreht hatten. Diesen Film, aus der Zeit, als die Bilder ruckelnd laufen lernten, „untermalte“ der international bekannte italienische Organist Paolo Oreni mit Orgelmusik. Dabei war es wirklich frappierend mitzuerleben, mit welcher Synchronizität der Orgelvirtuose die passende Musik zu den kleinen Filmsequenzen zauberte und wie sich die Musik bis zum Tod und zur Auferstehung Jesu immer mehr steigerte. Vor allem Orenis Musik zur Geiselung hätte sich an Dramatik und musikalischer Kraft kaum mehr steigern lassen können und ging unter die Haut!
Die Orgel der Evangeliumskirche mit ihren 29 Registern und drei Manualen ist eben ein sehr schönes, farbenreiches Instrument, das an diesem Abend, virtuos gespielt, in der dunklen Kirche eine unglaubliche Wirkung entfaltete. Schade, dass nicht allzu viele Besucher diesen ungewohnt stimmigen Zusammenklang von Ton und Bild miterlebten. Musiker wie Organisatoren hätten es verdient gehabt.
Ein süßes Konzert mit anschließender Schokoladenlesung
Ein weiteres besonderes Orgelkonzert servierte der Verein „Gemeinschaft braucht Räume“ tags darauf in der Kapernaumkirche und brachte dabei unter dem Motto „Orgel und Schokolade“ beide Formen des Genusses gelungen zusammen. Nicht nur dass die Zuhörer Wissenswerte erfuhren zur Kakaobohne, die den Mayas einst heilig war. Sie durften auch an Kakaobohnen, dem Samen des Kakaobaums, in ihren verschiedenen Verarbeitungsschritten bis hin zum Kakao riechen und vor allem: schmecken in Form verschiedener Schokoladestückchen, die, liebevoll verpackt, jedem Zuhörer überreicht wurden und die dann zu den jeweiligen Musikstücken, gespielt von Aribert Nikolai an der Orgel, genossen werden durften. Los ging’s mit einem Präludium von Johann Christoph Kellner, einem feinen, zarten, edlen Musikstück, das mit einer schmelzenden Ferrero-Rocher-Praline im Mund noch einmal so gut anzuhören war.
Luftschokolade, auch Schaumschokolade genannt, ist eine Schokolade, bei deren Herstellung Luft oder ein Gas eingebracht wird und die damit einen weicheren Biss mit viel Schmelz hat. Dazu spielte Aribert Nikolai ein heiteres, beschwingtes Galanteriestück von Franz Bühler. Die Mozartkugel, bei der die Verbindung zur Musik ja schon im Namen anklingt, ist eine klassische Praline aus feiner Schokolade mit Pistazie, Marzipan und Nougat, wozu der Organist passend ein klassisches Musikstück von Joseph Haydn kredenzte. Die Yogurette mit ihrem fruchtig-frischen Erdbeergeschmack erinnert an die Fülle und Süße des Lebens und harmonierte perfekt mit Beethovens festlicher „Ode an die Freude“. Bei Zartbitterschokolade hingegen stellt sich der wahre Genuss erst im Abgang ein – wie beim getragenen „Traurigen Walzer“, komponiert von der holländischen Organistin und Komponistin Margaretha Christina de Jong. Die Schokowaffel wiederum entführte in die Kindheit mit ihrer Heiterkeit und Leichtigkeit des in den Taghineinlebens. Organist Aribert Nikolai kontrastierte diese Stimmung mit der virtuosen „Toccata“, die Pierre Baldini 1917 komponierte, mitten in den Gräuel des Ersten Weltkrieges. Der Komponist träumte sich damals wohl musikalisch in eine Welt, die heil ist und unschuldig wie zu Kindertagen.
Bleibt das „Mon Cherie“. Die Schokolade für die Liebe, für die Liebenden – und was würde da besser passen als Edward Elgars „Salut d` Amour“, sein „Liebesgruß“ an die Verlobte Caroline Alice Roberts.
Damit nicht genug der süßen Verführung. Nach einer Pause las die Autorin Maria Nikolai aus ihrem „Spiegel“-Bestseller „Die Schokoladenvilla“ vor und signierte natürlich ihr Buch, das den Leser nach Stuttgart ins Jahr 1903 zurückversetzt, als Judith Rothmann, die Tochter eines Schokoladenfabrikanten, voller Leidenschaft Ideen für neue Leckereien entwickelt.
Nach so viel Schokolade, guter Musik und Kultur konnte man nicht anders als heiter beschwingt in den Abend hinausgehen! Die paar Kalorien zusätzlich wollen wir mal vergessen.
Führung durch Feldmoching vom Regen ausgebremst
Auch die Führung von Dr. Reinhard Bauer durch das Altdorf von Feldmoching musste am Samstag ab 14 Uhr ob des regnerischen Wetters abgeändert werden. Eigentlich wollte der Lokalhistoriker ja die Dorfstraße entlanggehen und etwas zu den einzelnen Gebäuden erzählen. Bei dem wieder einsetzenden Regen suchten die 25 Teilnehmer aber lieber erst einmal Zuflucht in der Kirche, wo sie trockenen Fußes den informativen historischen Ausführungen von Bauer zur Geschichte Feldmochings lauschen konnten. Feldmoching, als Reinhard Bauer es bei Durchfahrten mit dem VW Käfer 1960 kennenlernte, war für ihn seinerzeit der Inbegriff des dörflichen Landlebens. Hier begann das Dachauer Moos, hier war eine klare Zäsur.
Bauer berichtete seinen Zuhörern von den Anfängen des kleinen Orts, wo sich schon zur Bronzezeit entlang dem (heute verrohrten) Kälberweidegraben an der heutigen Feldmochinger Str. wohl Menschen niedergelassen hatten. Doch erst um 500 trat Feldmoching nachweisbar ins Licht der Geschichte, wie das Reihengräberfeld am Fasanerie See belegt. Es entstand ein typisches bajuwarisches Straßendorf, in dem etwa 50 Leute gewohnt haben dürften – für die damalige Zeit eine echte Menschenansammlung.
Da der Regen nicht nachließ, wurde der zweite Teil der Führung kurzerhand in die Vereinsräume des Kulturhistorischen Vereins im ehemaligen Feldmochinger Gemeindehaus verlegt, wo sie dann nahtlos in eine Führung zur Eggartensiedlung überging. Fazit: Eine starke Leistung von Reinhard Bauer, der nahezu pausenlos von 14 bis 18 Uhr redete und sämtliche Fragen mit Bravour und umfassenden Hintergrundinformationen beantwortete.
Kulturdult fällt buchstäblich ins Wasser
Es war so schön angedacht: Auf dem Platz vor dem Kulturzentrum sollten Infostände aufgebaut werden, wo sich Einrichtungen wie das Bildungslokal, die Nachbarschaftshilfe, das Stadtteilcafé, die Innere Mission München, die Diakonie Hasenbergl … mit ihren Angeboten vorstellen konnten. Es sollte Gastronomie mit einem Biergarten und einem Espressomobil sowie einer Open-Air-Bühne geben. Für Kinder wurde ein nostalgisches Kinderkarussell aufgebaut (das sich ob des schlechten Wetters aber die meiste Zeit nicht drehte). Eine Kinderschminkaktion mit täuschend echten Tattoos war geplant, ein Schnellzeichner und Porträtist war angeheuert und die „Quassler“ mit ihrer Comedy-Walkact-Performance, neugierig auf alles Neue, sollten umhermarschieren. Taten sie auch. Aber leider weitgehend von der Bevölkerung unbemerkt im Kulturzentrum drinnen. Und so blieb der Tauschbuchladen auf seinen Büchern und der Tauschkreis München Nord, der einen „Warenverschenktag“ ausgerufen hatte und dazu gebrauchsfähige Alltagsgegenstände annahm, auf vielen Haushaltswaren, Spielzeug, Deko, Accessoires & Co. sitzen. Nur im EG, bei den Kinderaktionen und am Stand vom Förderverein Bairische Sprache und Dialekte, wo die Besucher ihre Sprachkenntnisse in der bayerischen Sprache anhand eines Fragebogens überprüfen konnten, herrschte einigermaßen Betrieb.
Bayerisches Aschenputtel
Gut besucht von Groß und Klein war im Kulturzentrum 2411hingegen am Sonntag die musikalische Märchenerzählung von Stefan Murr und Heinz-Josef Braun: „das bayerische Aschenputtel“. Es war aber auch zu nett, den beiden Künstlern zu lauschen. Sie haben nicht nur eine völlig eigene bayerische Fassung des Grimmschen Märchens erstellt, das nun auf dem Huberhof irgendwo in Bayern spielt. Sie haben das Märchen auch sprachlich in die Neuzeit transponiert: Wenn sich die Evi mal wieder über ihre zickige, hochnäsige Stiefschwester Chantal und ihre Stiefmutter, die Marylin Obermeier, aufregt, dann sagt sie sich lieber zur Beruhigung das Mantra „om“ vor als vor den Krampfhenna, den zwoa Beautys aus Minga, zu explodieren und sie einen Kopf kürzer zu machen. Herrlich kurzweilig anzuhören ist es auch, wenn die zwei Schauspieler in den Rolle von Prinz Quirin und seinen königlich bayerischen Hofpapagei schlüpfen oder die zwei Show-Ratten abgeben, Pferdegetrappel nachahmen, jodeln, gackern, singen …
Nasser Stadtteilspaziergang durchs Hasenbergl
Regen und einer für Mai untypischen Kälte von gerade einmal 8 Grad trotzten auch die rund 20 Spaziergänger, die Lokalhistoriker Klaus Mai auf seinem Rundgang durchs Hasenbergl begleiteten. Die Teilnehmer kamen aus den Stadtteilen Milbertshofen, Moosach, Au, Haidhausen und auch aus dem Hasenbergl selbst. Klaus Mai erzählte nicht nur über die Historie des Hasenbergls, sondern ging auch auf aktuelle Entwicklungen ein wie Verdichtung, Gestaltung, Schaffung sozialer Treffpunkte, Beschäftigungsinitiativen für Jugendliche, Integration etc. Die Stadtteilspaziergänger machten jeweils einen Stopp – möglichst überdacht – u. a. an der Dülfer Wiese, beim Haus der Jungen Arbeit, bei der Kindertagesstätte an der Aschenbrennerstr., bei der Evangeliumskirche sowie St. Nikolaus und an den drei Punkthochhäusern.
Fotos: Gerlinde Dunzinger/Birgit Trauter/Renate Regnet