Das am frühen Pfingstmontagabend über den 24. Stadtbezirk und Teilen Oberbayerns hinweggezogene Unwetter mit heftigem Sturm, Starkregen und dicken Hagelkörnern steckt vielen Bürgern noch in den Knochen. Die Versicherungen und deren Gutachter sind vermutlich noch länger mit der Aufnahme und Aufarbeitung der Folgeschäden beschäftigt. Leider werden nicht wenige Geschädigte auf ihren enormen Kosten sitzen bleiben. Allein die Bayerische Versicherungskammer hat nach eigenem Bekunden eine Schadenssumme von rund 80 Mio. Euro aufzuarbeiten und muss sich bei der Bestandsaufnahme des Großschadensereignisses mit externen Fachkräften behelfen.
Über allem steht jedoch mehr denn je auch die Frage, ob und wie bei künftigen Wiederholungen derartig heftiger Unwetter, was immer wahrscheinlicher werden dürfte, Schäden und Gefahren abgewendet werden können. Es geht dabei keineswegs nur um das private Hab und Gut beziehungsweise um die besonders gefährdeten Früchte auf den Feldern. Es geht auch um die Frage, wo und inwieweit Menschen – und auch Tiere – bei derartigen Unwettern durch umstürzende Bäume und herabfallende Äste in Gefahr geraten könnten. So kommen bei starken Stürmen immer mal wieder Häuser, Garagen, Werkstätten, Hallen u. ä. zu Schaden, weil große, alte Bäumen in der Nähe umstürzen. Und damit sind auch die sich darin aufhaltenden Menschen und Tiere der Gefahr ausgesetzt, ganz abgesehen von den häufig großen Sachschäden.
Ist die Verkehrssicherheit großer alter Bäume garantiert?
Das Unwetter an Pfingsten hat neben erheblichen Sachschäden an Gebäuden, Fahrzeugen, in den Hausgärten und auf den Feldern der Bauern und Gärtner auch eine große Anzahl Bäume an Straßen, Spielplätzen, Sportflächen, auf den Friedhöfen, in Privatgärten und in den öffentlichen Grünbereichen entwurzelt und umgeworfen bzw. geknickt. Hier stellt sich die Frage, inwieweit durch laufende Kontrollen und Sicherungsmaßnahmen zumindest an den äußerlich anfällig erscheinenden Baumbeständen dem Gefahrenpotenzial im Ernstfalle vorzubeugen ist. Kann in der Tat die Verkehrssicherheit gerade großer und in die Jahre gekommener Bäume im öffentlichen Raum für den Fall von schweren Unwettern garantiert werden? Garantiert wohl eher nicht.
Die kommunalen und privaten Besitzer von Bäumen jeder Art und Größe müssen für Schäden aufkommen, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass der betreffende Baum aufgrund seines Alters oder seines schlechten Zustands diesen starken Belastungen nicht mehr gewachsen war und dessen Besitzer im Vorfeld seiner Sorgfaltspflicht nicht entsprechend nachgekommen ist.
Birgt die Pappelallee bei einem schweren Unwetter Gefahren?
Genau dieses Problem haben wir beim diesjährigen Pfingstunwetter bei der Pappelallee erlebt, die Feldmoching und die Fasanerie parallel zur Feldmochinger Str. verbindet. Diese Verbindungsstraße benutzen Kraftfahrzeuge und landwirtschaftliche Fahrzeuge genauso wie Radler, Fußgänger, Jogger … Warnungen, die Pappelallee bei stark windiger oder gar stürmischer Wetterlage nicht mehr zu benutzen, sind bisher nicht erfolgt.
Die weithin sichtbaren, etwa 30 bis 35 m hohen Hybridpappeln sind Kreuzungen aus der amerikanischen Pappel und der heimischen Schwarzpappel. Botanisch zählen sie zur Familie der Weidengewächse. Sie sind schnellwüchsig, bringen also schneller als andere Bäume viel Holzmasse, wenn auch von minderem Gebrauchswert.
Aus Überlieferungen ansässiger Familien ist zu schließen, dass die rund 140 Pappeln an der Pappelallee etwa ab Anfang der 1940er-Jahre gepflanzt wurden. Einige meinen, sie könnten auch etwas später gesetzt worden sein. Demnach hätten die Bäume nun ein für Pappeln sehr respektables hohes Alter von nahezu 80 Jahren erreicht. In jedem Fall befinden sie sich bereits in der Endzeit ihres Wachstums. Zugleich hat im Bestand aufgrund des Alters bereits der natürliche Absterbeprozess begonnen.
In den Kriegsjahren und kurz danach hatte man angesichts des allgemeinen Materialmangels häufig Pappeln an Straßen als Begleitgrün gepflanzt. Auch als Alleebäume und in anderen öffentlichen Bereichen sind sie anzutreffen.
Ein anderer großer Bestand an alten Hybridpappeln entlang des Würmkanals auf Münchner und Oberschleißheimer Gebiet beschäftigt das Wasserwirtschaftsamt und die Untere Naturschutzbehörde bereits sei mehr als zehn Jahren. Diese Bäume dürften etwa zehn Jahre jünger sein als die an der Pappelallee und werden dennoch alljährlich nach und nach stark reduziert, um u. a. Gefahren für die Bürger auszuschließen. Der dortige Bestand hat sich mittlerweile schon merklich gelichtet. Spätere Neuanpflanzungen anderer Baumarten sind selbstverständlich vorgesehen.
Beim Bestand an der Pappelallee ist es augenfällig, dass die einzelnen Exemplare unterschiedlich stark und somit vermutlich auch nicht gleich alt sind. Die stärksten und ältesten Exemplare haben in 80 cm Stammhöhe einen Stammumfang von bis nahezu 5 m erreicht.
Sind Standfestigkeit und Verkehrssicherheit gewährleistet?
Hybridpappeln gelten im Allgemeinen unter nicht optimalen Standortbedingungen ab einem Alter von 65 bis 70 Jahren als nicht mehr absolut standfest und verkehrssicher.
Die Standfestigkeit und damit Verkehrssicherheit eines Baumes wird generell von mehreren Faktoren bestimmt: etwa von der Baumart, dem Standort, der Vitalität, vom Verzweigungsmuster, von erkennbaren und äußerlich nicht erkennbaren Mängeln und Schäden … Bei den Pappeln an der Pappelallee wirken sich zwei wesentliche Faktoren auf ihre Standfestigkeit und die natürliche Entwicklung ihrer Baumkronen aus: Sie wurden bei der Anlage zu eng gepflanzt. Dies wirkte sich in der Folge sowohl auf die Wurzelbildung als auch auf die Entwicklung einer artgerechten Baumkrone negativ aus. Der Platzmangel führte zu einem extrem hohen Wuchs. Dadurch könnten ihre Stand- und Bruchfestigkeit ebenso negativ beeinflusst sein wie die Statik der Baumkronen.
Regelmäßige Kontrollen und Sicherungsmaßnahmen bei Beständen im öffentlichen Raum, also etwa an Straßen, Alleen und auf anderen öffentlichen Standorten, sollten zur Vorbeugung von Gefahren spätestens ab einem Alter von 50 bis 60 Jahren durchgeführt werden. Die Bäume an der Pappelallee werden in zeitlichen Abständen regelmäßig von einer hiesigen Spezialfirma kontrolliert und, wo notwendig, saniert.
Im Inneren hatte die Kernfäule bereits begonnen
Die Stämme der Hybridpappeln entlang der Pappelallee lassen keine beziehungsweise kaum äußerliche Mängel oder Schäden erkennen. Im Gipfelbereich allerdings sind schon größere Astbrüche und Ausschnitte zu bemerken. Beim Pfingstunwetter hat nahezu jeder Baum zahlreiche teils kleinere bis mächtige Äste verloren. Beschädigt wurden dabei leider auch anliegende Gebäude. Das an den wenigen umgestürzten Bäumen gut erkennbare zerfetzte Wurzelwerk (ein Horizont- und Herzwurzelsystem) lässt die Vermutung zu, dass ihre starken Hauptwurzeln bei dem starken Sturm den großen Belastungen nicht mehr gewachsen waren. Ein Glück, dass nicht mehr Bäume entwurzelt wurden und größere Schäden angerichtet haben. Diesmal ist es gut gegangen.
Bei diesen umgefallenen Bäume sind die Schnittflächen besonders aufschlussreich: Im inneren Stammbereich ist deutlich erkennbar, dass bereits eine Kernfäule begonnen hat bzw. schon fortgeschritten ist, ein untrügliches Zeichen für die geschwächte Stabilität bzw. Standfestigkeit der betroffenen Bäume. Dies ist ein typisches Erscheinungsbild vor allem bei älteren Pappeln und Silberweiden und auch weiteren dieser Familie zugehörigen Baumarten. Dieser Mangel ist äußerlich nicht erkennbar. Nur eine Stammbohrung durch einen Baumspezialisten gibt einen Hinweis auf den Zustand des Stamminneren. Darum sollten sich die für deren Sicherheit verantwortlichen Privatbesitzer bzw. die Kommunen rechtzeitig darüber ein Bild machen und sich die Frage stellen, ob bzw. wann der Zeitpunkt des Handelns gekommen sein könnte, um entweder den Altbestand der Pappeln in einem Zug oder selektiv, wie nun am Würmkanal praktiziert, über mehrere Jahre hinweg zu entfernen und danach Neuanpflanzungen, eventuell einer anderen Baumart, vorzusehen.
Der Stadtrat und die Verantwortlichen in der Stadtregierung kennen gewiss ihre gesetzliche Fürsorgepflicht gegenüber den Bürgern. Leider war die Untere Naturschutzbehörde, trotz mehrmaliger Anfragen, nicht zu einem Informationsgespräch vor Ort bereit. Reinhard Krohn