In der heutigen Rathausumschau beantwortet Stadtbaurätin Elisabeth Merk eine am 2. Juli von Tobias Ruff (Ödp) gestellte Stadtratsanfrage bezüglich der Tiere, Pflanzen und Lebensräume im Eggarten, etwa ob eine Bebauung des Egarten überhaupt mit naturschutzfachlichen Belangen vereinbar ist und welcher Bedarf an Ausgleichsflächen durch die Bebauung ausgelöst wird.
„Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat im Zuge der Erstellung des Strukturkonzeptes für die Eggarten-Siedlung auch die Belange des Natur- und Artenschutzes bereits intensiv geprüft und berücksichtigt. Im Zuge der Bebauungsplanung werden vertiefende gutachterliche Untersuchungen durchgeführt, die Belange des Naturschutzes berücksichtigt beziehungsweise beachtet und erforderliche behördliche Genehmigungen eingeholt, soweit dies erforderlich ist. Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, dass naturschutzfachliche Eingriffe einschließlich des erforderlichen Ausgleichs oder artenschutzrechtliche Verbote der Fortführung der Planung und einem rechtssicheren Bebauungsplan entgegenstehen.
Die Vollversammlung des Stadtrates hat am 24.7.2019 die Beschlussvorlage „Strukturkonzept für den Bereich der Eggarten-Siedlung“ zugestimmt (Sitzungsvorlagen-Nr. 14-20/ V14757). Darin enthalten ist auch die Zustimmung zu folgenden Planungszielen:
-dem sparsamen Umgang mit Grund und Boden,
-dem Erhalt prägender, identitätsstiftender Bestandelemente, insbesondere des erhaltenswerten und sehr erhaltenswerten Baumbestandes,
-ausreichender Ersatzpflanzungen für unvermeidbare Fällungen und Berücksichtigung der Erfordernisse des speziellen Artenschutzes
-der Sicherung erforderlicher Ausgleichsflächen innerhalb des Planungsgebietes bzw. in der unmittelbaren Umgebung.
Frage 1: Welche nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz besonders bzw. streng geschützten Tier- und Pflanzenarten kommen noch in der Eggarten-Siedlung vor?
Antwort: In der Eggarten-Siedlung wurden 2017 und 2018 Erhebungen von Tierarten durchgeführt, die einem besonderen oder strengen Schutz unterliegen. Die Kartierung wird im Zuge der weiteren Planung ergänzt und dann als Grundlage für Unterlagen zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung dienen. Vorläufig ist davon auszugehen, dass folgende besonders oder streng geschützte Arten in der Eggarten-Siedlung vorkommen:
-Insgesamt vier Fledermausarten können Quartiere in der Eggarten-Siedlung besitzen. Weitere Arten wurden zwar nachgewiesen, sind aber nicht auf die Eggarten-Siedlung oder auf bestimmte Lebensraumelemente in der Siedlung angewiesen.
-Das Vogelartenspektrum beschränkt sich weitgehend auf auch in München noch verbreitete und häufige Arten. Naturschutzfachlich bedeutsame Arten konnten nicht oder nicht mehr nachgewiesen werden.
-Die streng geschützte Art Zauneidechse wird immer wieder in den Gärten der Eggarten-Siedlung beobachtet. Nach gutachterlicher Einschätzung handelt es sich um Einzeltiere; einem größeren Vorkommen stehen Störungen in den Randbereichen, Beschattung und die im Gebiet lebende Hauskatzen entgegen. Darüber hinaus sind Vorkommen der besonders geschützten Blindschleiche bekannt.
-Bei den Amphibien wurden Einzeltiere des streng geschützten Laubfroschs kartiert. Es ist aber anzunehmen, dass vereinzelt auch die ebenfalls streng geschützte Wechselkröte die Eggarten-Siedlung nutzt. Beide Arten kommen in größeren Beständen westlich der Eggarten-Siedlung vor. Außerdem wurden kleine Bestände der besonders geschützten Arten Bergmolch, Erdkröte und Grasfrosch nachgewiesen, die sich in einem gewissen Umfang in den vorhandenen, dafür nicht optimalen Kleingewässern (Gartenteiche) vermehren können.
-Vorangegangene Kartierungen von Vegetationsstrukturen ergaben keine Hinweise auf Vorkommen wild lebender, besonders und streng geschützten Pflanzenarten. Dies gilt auch für Insektenarten, wie Tagfalter, Heu-schrecken und Wildbienen. Dies ist vor allem dem zunehmenden Gehölzbewuchs auf ehemals offenen Brach- und Magerflächen zuzuschreiben.
Frage 2: Welche nach §30 Bundesnaturschutzgesetz bzw. Art. 23 Bayerisches Naturschutzgesetz gesetzlich geschützten Biotope kommen in der Eggarten-Siedlung vor? Welche könnten nach der gegenwärtigen Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes hinzukommen?
Antwort: Am Rand des Planungsgebietes für die Aufstellung des Bebauungsplans mit Grünordnung Nr. 2143 sind Ausgleichsflächen für Bahnprojekte angeordnet, auf denen kleinflächig Magerrasen vorhanden sind, die die Kriterien für einen gesetzlichen Schutz nach Art. 23 Abs. 1 Ziffer 4 des Bayerischen Naturschutzgesetzes genießen. Diese sind Bestandteil der örtlichen Verbundachse des Trockenbiotopverbundes.
Darüber hinaus sind bei den bisherigen Kartierungen keine gesetzlich geschützten Biotope gefunden worden. Insbesondere genügen die vorhandenen Gebüsche nicht den Anforderungen an Gebüsche trockenwarmer Standorte, wie sie im amtlichen Kartierungsschlüssel des Bayerischen Landesamtes für Umwelt für diese gesetzlich geschützten Biotope festgelegt sind. Es handelt sich eher um Gehölze auf mehr oder minder nährstoffreichen Standorte, die keinen gesetzlichen Schutz genießen.
Die am 17.7.2019 durch den Bayerischen Landtag beschlossene Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes ergänzt die Liste der gesetzlich geschützten Biotope in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 um extensiv genutzte Obstbaumwiesen oder -weiden aus hochstämmigen Obstbäumen mit einer Fläche ab 2.500 Quadratmetern (Streuobstwiesen) mit Ausnahme von Bäumen, die weniger als 50 m vom nächstgelegenen Wohngebäude oder Hofgebäude entfernt sind und um arten- und strukturreiches Dauergrünland. Weiter wird die Staatsregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Einzelheiten zu den genannten, gesetzlich geschützten Biotopen zu bestimmen.
Ob die Obstbaumbestände und Wiesenflächen in der Eggarten-Siedlung die Voraussetzungen für gesetzlich geschützte Biotope erfüllen, ist derzeit noch fraglich. Die Unterlagen zum Gesetzgebungsprozess und die öffentliche Diskussion über Obstbaumbestände und arten- und strukturreiches Dauergrünland beziehen sich im Wesentlichen auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Eine landwirtschaftliche Nutzung liegt in der Eggarten-Siedlung jedoch nicht vor. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn die Staatsregierung von der Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung zur Bkochestimmung der Einzelheiten Gebrauch macht.
Frage 3: Welche in §29 Bundesnaturschutzgesetz beziehungsweise Art. 16 Bayerisches Naturschutzgesetz aufgeführten geschützten Landschaftsbestandteile kommen in der Eggarten-Siedlung vor und könnten demnach rechtsverbindlich festgesetzt werden? Welche könnten nach der gegenwärtigen Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes hinzukommen?
Antwort: In der Eggarten-Siedlung liegen keine nach den Vorschriften des §29 des Bundesnaturschutzgesetzes geschützte Landschaftsbestandteile. Insbesondere gilt die städtische Baumschutzverordnung nicht.
Nach Art. 16 des Bayerischen Naturschutzgesetzes besteht in der freien Natur unter anderem das Verbot, Hecken, lebende Zäune, Feldgehölze, oder Feldgebüsche, Tümpel und Kleingewässer zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen. Davon sind Hecken, lebende Zäune, Tümpel und Kleingewässer in der Eggarten-Siedlung vorhanden. Die Gehölze und Gebüsche in der Eggarten-Siedlung sind zwar naturschutzfachlich als ähnlich wertvoll einzuschätzen wie Feldgehölze. Nach der gängigen Auslegung setzt die Einstufung als Feldgehölz voraus, dass um die Gehölzfläche eine landwirtschaftliche Nutzung stattfindet, was hier nicht der Fall ist.
Durch die am 17.7.2019 beschlossene Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes wird der Art. 16 des Bayerischen Naturschutzgesetzes um Schutzvorschriften für Gewässerrandstreifen, Bodensenken im Außenbereich und Alleen an Verkehrsflächen ergänzt. Keiner dieser zusätzlichen geschützten Landschaftsbestandteile ist in der Eggarten-Siedlung anzutreffen.
Frage 4: Wären die Eggarten-Siedlung bzw. Bestandteile dieser, der Qualität nach geeignet, zum Naturdenkmal gemäß §28 Bundesnaturschutzgesetz erklärt zu werden?
Antwort: Nein. Die in §28 des Bundesnaturschutzgesetzes enthaltenen Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung als Naturdenkmal sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gegeben. Naturdenkmäler sind danach Einzelschöpfungen der Natur oder entsprechende Flächen bis fünf Hektar, deren besonderer Schutz erforderlich ist,
-aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder
-wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit.
Die Bäume in der Eggarten-Siedlung sind zwar teilweise erhaltenswert oder sehr erhaltenswert. Es sind aber keine Bäume vorhanden beziehungsweise bekannt, die durch Seltenheit, Alter, Größe oder durch ihren Wuchs aus den Beständen vor Ort in einzigartiger Weise herausragen würden. Umso mehr gilt dies im stadtweiten Vergleich und im Bezug auf die in der städtischen Naturdenkmalverordnung enthaltenen Bäume. Auch für die Eggarten-Siedlung selbst oder Teile der Siedlung fehlt der Charakter der herausragenden Einzelschöpfung der Natur und die daraus resultierende Schutzwürdigkeit im Sinne eines Naturdenkmals.
Frage 5: Welche Eingriffe sind naturschutzrechtlich denkbar und können mit den in §15 Bundesnaturschutzgesetz formulierten Anforderungen in Einklang gebracht werden? Sind zumutbare Alternativen denkbar, durch welche Beeinträchtigungen der Schutzgüter im Sinne von §15 vermieden werden können? Was ist in diesem Kontext unter „gleichem Ort“ zu verstehen?
Antwort: In §18 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz ist geregelt, dass bei Eingriffen in Natur und Landschaft, die aufgrund der Aufstellung von Bebauungsplänen zu erwarten sind, über Vermeidung, Ausgleich und Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zu entscheiden ist. Nach §1a Abs. 3 des Baugesetzbuches sind die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander zu berücksichtigen.
Eingriffe in Natur und Landschaft sind lediglich in gesetzlich geschützten Biotopen (nach §30 Bundesnaturschutzgesetz bzw. nach Art. 23 Bayerisches Naturschutzgesetz) verboten. Zusätzlich sind bestimmte einem Eingriff gleichkommende Handlungen in den in Art. 16 des Bayerischen Naturschutzgesetzes genannten Landschaftsbestandteilen verboten. Von diesen Verboten kann auf Antrag eine Ausnahme zugelassen werden, wenn die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können oder die beantragte Maßnahme aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Interesses notwendig ist.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch noch nicht bekannt, ob und in welchem Umfang gesetzlich geschützte Biotope im Rahmen der Bebauungsplanung beeinträchtigt oder beseitigt werden sollen. Ein Bebauungsplan bietet zudem die Möglichkeit, erforderliche Festsetzungen auch zum Erhalt von Einzelbäumen, Baumbeständen und Biotopen zu treffen.
Bei Eingriffen in Natur und Landschaft sind vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen. Nach der Definition des §15 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz sind Beeinträchtigungen vermeidbar, wenn es zumutbare Alternativen dafür gibt, mit denen der mit dem Eingriff verfolgte Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft erreicht werden kann.
Der Zweck eines Eingriffs – hier die Schaffung von Baurecht entsprechend den beschlossenen Planungszielen – wird dadurch grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Insofern können die mit einer Bebauung der Eggarten-Siedlung verbundenen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft mit den Vorgaben des Naturschutzrechts in Einklang gebracht werden.
Als zumutbare Alternativen sind nach der genannten Regelung nur solche zu prüfen, die eine vollständige oder teilweise Verminderung von Beeinträchtigungen an dem vorgesehenen Eingriffsort zum Ziel haben. Im Rahmen der naturschutzrechtlichen und baurechtlichen Eingriffsregelung muss eine Bebauung an einem anderen Ort, als dem für die Bebauungsplanung der Eggarten-Siedlung vorgesehenen Umgriff nicht geprüft werden. Die Vermeidung der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft ist somit innerhalb des Planungsumgriffs zu prüfen und abzuwägen.
Frage 6: Wie groß könnte der Flächenbedarf für Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen einer Bebauung der Eggarten-Siedlung ausfallen?
Antwort: Der Umfang des Ausgleichsbedarfs hängt vom Versiegelungs- bzw. Nutzungsgrad der Baugebiete, von der naturschutzfachlichen Wertigkeit der von der Überbauung betroffenen Flächen, von der Betroffenheit der Schutzgüter und dem Umfang der Vermeidungsmaßnahmen ab. Deshalb kann der Flächenbedarf für Ausgleichsflächen zum jetzigen Stand der Planung noch nicht verlässlich geschätzt und mitgeteilt werden.
Frage 7: Welche Erfahrungen wurden in München bezüglich des Erfolges von Ausgleichsmaßnahmen für gesetzlich geschützte Tiere, Pflanzen und Lebensräume gemacht? Wie sind die Erfolgsaussichten für wahrscheinlich notwendige Ausgleichsmaßnahmen in der Eggarten-Siedlung einzustufen?
Antwort: Bei der Bauleitplanung bestehen – beispielsweise in städtebaulichen Verträgen – gute Aussichten, den Erfolg von Ausgleichsmaßnahmen abzusichern. Für die aus Bebauungsplänen in München resultierenden Ausgleichsmaßnahmen werden Erfolgskontrollen festgelegt und durchgeführt, so dass hinreichend sichergestellt ist, dass diese Ausgleichsflächen fachgerecht hergestellt und gepflegt werden und so ihren Zweck erfüllen können. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um Ausgleichsmaßnahmen für gesetzlich geschützte Tiere, Pflanzen und Lebensräume handelt oder nicht.
Über die Bebauungsplanung hinaus werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in größerem Umfang auch in Planfeststellungsbeschlüssen und Plangenehmigungen sowie in geringerem Umfang auch in Baugenehmigungen zur Auflage gemacht. Ihre Erfolgsaussichten hängen sehr stark davon ab, wie sie von den Ausgleichspflichtigen durchgeführt und von den jeweiligen zuständigen Genehmigungsbehörden kontrolliert werden. Für die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung erteilten Baugenehmigungen werden die erforderlichen Maßnahmen durch geeignete Auflagen und Bedingungen gesichert und ihre Umsetzung kontrolliert, so dass auch hier gute Aussichten für den Erfolg von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bestehen.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung koordiniert im Forum Biotoppflege alle in diesem Themenfeld tätigen städtischen und nichtstädtischen Dienststellen sowie weitere Akteure, insbesondere auch die anerkannten Naturschutzverbände, die einen kritischen Blick von außen – auch bei den städtischen Ausgleichsflächen – gewährleisten.
Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass städtische Ausgleichsflächen mittlerweile selbst die Kriterien für gesetzlich geschützte Biotope erfüllen, gerade auch Magerrasen, Gehölzflächen und Kleingewässer.
Vor diesem Hintergrund ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung zuversichtlich, dass die im Rahmen der Bebauungsplanung für die Eggarten-Siedlung wahrscheinlich notwendigen Ausgleichsmaßnahmen erfolgreich durchgeführt werden können.“