Die Münchner Kommunalwahl verspricht spannend zu werden, denn die SPD wird wohl, wenn keine Wunder geschehen, sang und klanglos untergehen – dass Alexander Reissl heute das Handtuch geworfen hat, ist nur ein kleiner Beleg für den desolaten Zustand der einst stolzen SPD. Zu groß ist der Frust in allen Stadtvierteln über die „Ois-zuabaun“-Politik von OB Reiter, der doch bei der letzten Kommunalwahl noch vollmundig versprochen hatten: „damit München München bleibt“. Alte Münchner erkennen ihr München immer weniger und die Verfehlungen der Stadtpolitik der letzten Jahrzehnte treten immer offensichtlicher zu Tage.
Der ÖPNV fährt am Anschlag, die Straßen sind ständig verstopft, die Infrastruktur ist gar nicht ausgelegt dafür, dass immer mehr Menschen nach München ziehen (siehe Feldmochinger Mehrzweckhalle). An den Stadträndern fehlt es an Ärzten – dafür wird das Schwabinger Krankenhaus abgerüstet und kann noch nicht einmal bei einer durch einen Radunfall (weil es an Radwegen fehlt) gebrochenen Nase weiterhelfen. In den Kitas fehlt das Personal (eigentlich klar, wenn immer mehr Leute nach München kommen, kommen auch Kinder), in den Schulen fehlt es an Nachmittagsbetreuung, für die ältere Bevölkerung fehlt es im 24. Stadtbezirk immer noch an einem Alten-Service-Zentrum. Die Straßen in Feldmochings würden vermutlich größtenteils den Vergleich mit Straßen in Rumänien oder Portugal verlieren. Es fehlt eigentlich an allen Ecken und Enden in dieser Stadt. Nur Investoren lässt man weiter munter bauen. Dass weite Teile der Politik die Verbindung zum Wahlvolk längst verloren haben, zeigt sich auch an der München-Liste: Münchner Bürger wollen die Geschicke ihrer Stadt nicht mehr den (Berufs-)Politikern überlassen.
Dass Alexander Reissl, SPD-Urgestein, seit 1996 im Stadtrat, seit 2008 Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, nun die Fronten wechselt und heute als Parteiloser der Gruppe der Christsozialen beigetreten ist, hat gewiss viel mit persönlichen Verletzungen zu tun. Es war schon länger gemunkelt worden, dass Reissl, Jahrgang 1958, im nächsten Jahr nach der Kommunalwahl nicht mehr Fraktionschef werden sollte. Und so meinte er denn auch, er habe sich der „Art des Umgangs der letzten Wochen und Monate nicht mehr aussetzen wollen“.
Gewiss, Reissl kann verbal auch austeilen. Aber er war nie feig, sondern warf sich etwa im Februar diesen Jahres in Daglfing in den Ring und verteidigte die SEM im Nordosten, weil OB Reiter trotz mehrmaliger Einladung auch hier abgesagt hatte. Reissl kam zum Rosstag nach Feldmoching, Reissl kam zu den Bürgerversammlungen in den 24. Stadtbezirk. Trotz Gegenwind, trotz schlechter Stimmung auf die Rathauspolitik.
Als Gründe für seinen Wechsel nannte er bei der heutigen Pressekonferenz unter anderem inhaltliche Entscheidungen seiner Partei, die er für falsch halte, etwa in der Verkehrs- und der Wohnungspolitik.