Unter diesem Titel fand am Montag, den 13. Januar erneut eine Bürgerinitiativen-Messe im Bürgersaal in Fürstenried statt. Organisiert vom Forum Lebenswertes München, einem überparteilichen, unabhängigen Forum aus Münchner Bürgerinitiativen, Vereinen und Interessierten Bürgern, die in den Bereichen Infrastruktur, Stadtplanung, Bürgerbeteiligung und Ökologie aktiv sind.
An die 150 Engagierte – auch etliche aus dem 24. Stadtbezirk von den verschiedenen Bürgerinitiativen – trafen dort auf Gleichgesinnte, tauschten Erfahrungen, Tipps und Unterschriften auf den jeweiligen Unterschriftslisten, Petitionen und Bürgerbegehren aus, lauschten diversen Vorträgen, etwa zum Thema Verkehr und welche Folgen die bauliche Verdichtung für Münchens Luft und Gewässer hat. Und Prof. Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung machte seinen Zuhörern klar, dass, wenn nicht schnell noch umgesteuert wird, uns eine „Heißzeit“ droht, unter der München besonders leiden wird.
Ersatzpflanzungen sind nicht die Lösung
Dass München jedes Jahr 2.500 Bäume verliert, ist nur die halbe Wahrheit. Schlimmer noch ist, dass überall großer alter Baumbestand vernichtet wird, der zwar stückzahlenmäßig durch Ersatzpflanzungen kompensiert wird. Doch ein junges Bäumchen erbringt jahrzehntelang nicht die Luftfilterleistung einer 100-jährigen Eiche. Ein gefällter Bestandsbaum müsste daher eigentlich durch 40 kleine Bäume ersetzt werden, meinte Andreas Dorsch, Vorsitzender des Vereins Gartenstadt Harlaching, auf Platz 2 der München-Liste, Dipl.-Forstwirt & Vermessungsingenieur. Er zeigte auch anhand zahlreicher Beispiele aus unterschiedlichen Stadtvierteln auf, wie München seinen Charme verliert und die gewachsenen Viertel ihren Charakter einbüßen. Übrig bleiben sündteure, gesichtslose, hingeklotzte Schuhschachteln mit riesigen Glasfronten, statt kleinteilig gegliederter Fassaden, die bislang noch das Stadtbild prägen.
„Nicht so weiter, Herr Reiter“
Den Klimanotstand ausrufen und munter weiter bauen – wie passt das zusammen? Rechtsanwalt Reiner Lang, der 2019 spontan eine Bürgerinitiative gründete, als am Pasinger Mühlerweg eine 200 Jahre alte Eiche sang und klanglos gefällt wurde, weil sie dem Bau eines Mehrfamilienhauses im Wege stand, setzte sich kritisch mit dem heutigen Baum“schutz“ auseinander. Wolle ein Investor Beton pflanzen, dann dürfe er die im Wege stehenden Bäume fällen, so resümierte der Rechtsanwalt die herrschende Rechtsmeinung. Besser wäre es, man würde alte Bäume, wie es Schleswig-Holstein mache, als Naturschutzdenkmäler ausweisen. Dann seien sie besser geschützt. Außerdem spiegle das mehr ihren Wert wider, schließlich entziehe eine alte Buche/Eiche der Luft jährlich 5 t an CO2
Nach Starkregen besser nicht in der Isar baden
So lautete der gute Rat von Ödp-Stadtrat Tobias Ruff, der seit Jahren als Gewässerökologe tätig ist. Nicht etwa weil die Isar dann reißend und stürmisch sich aufbäumend in ihrem Flussbett daherkommt. Sondern weil Münchens Abwassersystem nur für 1,3 Mio. Einwohner ausgelegt und bereits heute um 20 % überzogen ist. Mit der Folge, dass bei einem Starkregen das Kanalsystem unter den versiegelten Straßen die Wassermengen von den Straßen wie Dächern und das Schmutzwasser aus den Häusern und dem Gewerbe nicht mehr aufnehmen kann. Zur Entlastung muss dann an 20 Stellen in der Stadt das Abwasser ungeklärt in die Isar eingeleitet werden. An solchen Tagen könne es durchaus sein, dass 50 % der Isar Abwasser sei, versetzt mit Mikroplastik, Chemie & Co.
Ruff erläuterte ferner, warum die sehr bodennah wirksame Kultluftzufuhr aus dem Westen durch die riesige Bebauung in Freiham und durch die meterhohe Einhausung der Autobahn durch Lärmschutzwälle abgeschnitten wird. Aber auch das „alpine Pumpen“ – dabei wird tagsüber kalte Luft von Nord nach Süd zu den Alpen angesaugt und nachts strömt kühle Luft aus den Alpen in Richtung Stadt –, dieses regionale Zirkulationssystem funktioniert immer weniger, wenn hohe Bauwerke die Luftströme blockieren. Ruffs Forderung: Keine Riegel an Münchens Rändern errichten, Nachverdichtung stoppen, Grünflächen erhalten und aufforsten, um selbst lokale Kaltflächen zu generieren.
Tägliches Verkehrschaos: Das Problem liegt draußen
Wolfgang Hesse vom Münchner Forum ist jemand, der nicht nur genervt feststellt, dass München täglich vor dem Verkehrskollaps steht. Der Informatikprofessor hat auch probate Verbesserungsvorschläge. Doch zumindest im letzten Jahr hat sich nach seiner Ansicht nicht viel Gutes getan in Sachen zukunftsweisender, großräumiger Verkehrsplanung. Es werde weiter an überholten Planungen festgehalten und mit der zweiten Stammstrecke sinnlos Geld versenkt. Denn München fehle es nicht an innerstädtischen ÖPNV-Angeboten – abzulesen daran, dass in der Stadt etwa gleich viele Menschen das Auto wie den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Kritisch ist es jedoch „draußen“, im Münchner Umland: 44 % steigen da ins Auto, nur 11 % nutzen den ÖPNV. Denn in der Region fehlen Direktverbindungen hin zu Münchens Gewerbezentren. Daher müsse das Geld in die S-Bahn-Außenstrecken fließen, sie müssten zwei-, wenn nicht gar viergleisig ausgebaut werden. Der Südring sei dabei am vordringlichsten, während „Express-S-Bahnen“ im Mischverkehr kontraproduktiv seien. Dafür gebe es die Regionalbahnen, die ihrerseits viergleisig ausgebaut gehörten. Und wenn schon ein Tunnel gebaut werde, dann lieber einen innerstädtischen vom Haupt- zum Ostbahnhof für Regionalzüge.
P.S.: Es nahm sich übrigens nicht nur Kultusminister Michael Piazolo Zeit, den Vorträgen zu lauschen und selbst neben einem Grußwort ein paar Sätze über die klimabewegte Jugend zu sprechen. Dass diese sich des Themas annähmen, tue den Bürgerinitiativen und den Bürgerbegehren gut und sei eine Riesenchance. Es waren auch Vertreter einer frisch gegründeten Bürgerinitiative aus Unterschleißheim vor Ort, um Kontakte mit Gleichgesinnten zu knüpfen. Denn Unterschleißheims Stadtoberen wollen Tausende neuer Arbeitsplätze in die Stadt holen, was weiteren Verkehr bedeutet und noch mehr Druck auf den eh schon angespannten Wohnungs- und Immobilienmarkt.