Von der München-Liste, einer überparteilichen Gruppe von engagierten Münchnern, eng verbunden mit vielen Bürgerinitiativen und Vereinen, die sich dafür einsetzen, dass unsere Heimatstadt lebens- und liebenswert bleibt – und bald wieder für alle Münchner bezahlbar ist, erreichte uns ein offener Brief an Ministerpräsident Söder, in dem für landesweit gleichwertige Lebensverhältnisse plädiert wird, um Münchens Infrastruktur und Wohnungsmarkt zu entlasten.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
bezugnehmend auf Ihre Ankündigungen am 17. Januar 2020 auf der Klausur der CSU- Landtagsfraktion im Kloster Seeon stimmen wir mit Ihnen überein, dass es mit Blick auf die Herausforderungen von München wichtig ist, einen neuen Prozess anzustoßen. Aber ganz offensichtlich haben die Münchner und Münchnerinnen einen anderen Blickwinkel. Wir wollen auf keinen Fall, dass das Wachstum auch noch beschleunigt oder gar der Metropolcharakter gestärkt wird.
Wollte die Staatsregierung nicht die Regionen mehr stärken und für gleichwertigere Lebensverhältnisse sorgen? Je stärker ein Ballungsraum wächst, desto stärker wird seine Sogkraft. Diese zieht Kapital, Arbeitsplätze und Menschen aus den schwächeren Regionen Deutschlands und aus anderen Ländern nach München. Die Folgen sind für alle sichtbar.
München baut auch noch die letzten Grünflächen und Luftschneisen zu und verdichtet auf ein unerträgliches Maß nach. Wir verlieren unsere Wohnungen an all die bestens ausgebildeten zuziehenden Gutverdiener und unsere Kinder ziehen weg, weil sie sich München nicht mehr leisten können. Im Gegenzug verlieren die Abwanderungsgebiete ihre jungen Leute und die Infrastrukur verfällt in diesen Regionen.
Dafür herrscht bei den Immobilien-Investoren Goldgräberstimmung. Die letzten Grünflächen und Frischluftschneisen werden zugebaut. Bis 2040 sollen Wohnungen für zusätzliche 300.000 Menschen in München errichtet werden, damit unsere Stadt infolge des auch von den Profiteuren getriebenen Booms auf 1,85 Millionen Einwohner anwachsen kann. Wir Münchnerinnen und Münchner zahlen den Preis für diese Fehlentwicklung – mit höheren Mieten, Dauerstau, Platzmangel, Lärm und schlechter Luft. Wachstum erzeugt Bedarf an begleitender Infrastruktur wie Straßen und Kita-Plätzen und dafür braucht die Stadt wiederum Gewerbesteuereinnahmen, also noch mehr Gewerbe. Eine endlose Spirale!
Zuzug in dieser Größenordnung ist aber nicht zwingend. Wachstum ist kein Naturgesetz!
München hat bereits die höchste Bevölkerungsdichte in Deutschland. Sie ist die am stärksten versiegelte Stadt und hat nur noch wenige Grünflächen. Als Pendler- und Stauhauptstadt nimmt sie einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Trotzdem werben Politik und Verwaltung weltweit weitere Investoren an und Sie wollen das Wachstum sogar noch beschleunigen!
‚Pull-Faktoren‘, also Faktoren, die Menschen und Unternehmen anziehen, dürfen nicht mehr in München, sondern müssen in strukturschwächeren Regionen gefördert werden.
Stattdessen sollen hier noch mehr Studienplätze geschaffen werden. Warum nicht noch mehr in strukturschwächeren Gegenden? Von den gut 130.000 Studenten in München wohnen nur ca. 10 % in Studentenwohnheimen, in denen übrigens junge Leute aus München und der Umgebung keine Plätze bekommen. Ca. 120.000 Studenten drängen auf den Münchner Wohnungsmarkt. Ist das noch nicht genug? Da ist eine zusätzliche Behördenverlagerung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Gut 2.300 neue Studienplätze wiegen das mehr als auf.
In den vergangenen 10 Jahren entstanden in München bereits gut 100.000 mehr Arbeitsplätze als Wohnungen. Pro Arbeitsplatz braucht man überschlagsweise eine Wohnung – kein Wunder, dass die Preise so steigen!
Und wer nicht in München wohnt, pendelt herein und überlastet Straßen und ÖNPV.
Wachstum darf in München und Umgebung also auf keinen Fallbeschleunigt werden. Dafür müssen die strukturschwächeren Regionen wesentlich mehr gefördert werden, z. B. durch bevorzugte Förderung von Universitäten, Ausbau des schnellen Internets und der Mobilfunknetze, gute Bus- und Zugverbindungen, Erhalt bzw. Wiederschaffung von Arbeitsplätzen und aller nötigen Infrastruktur wie Krankenhäusern, Schulen und Verwaltung. Das wäre eine sinnvolle Strukturpolitik.
In vielen Regionen verfallen Häuser und Infrastruktur, weil die Menschen abwandern – und wir Münchner wissen nicht, wie wir den Ansturm bewältigen sollen. Echte Freizügigkeit bedeutet für uns, dass man nicht nur die Wahl hat, den Heimatort zu verlassen und woanders hinzugehen, sondern auch, da zu bleiben, wo man aufgewachsen ist und Familie, Freunde und das vertraute Umfeld hat.
Wenn die Landeshauptstadt das vitale Herz Bayerns schlechthin ist, muss ein Herzinfarkt abgewendet, nicht gefördert werden.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, bitte überdenken Sie Ihre Pläne!
Ihre München-Liste