Faschingssonntag ohne Orgelkonzert in der Evangeliumskirche am Stanigplatz – ein absolutes „no go“! So dachten mehr als 100 Gäste, die vor Beginn des Faschingsorgelkonzertes 2020 mit Glühwein und warmen Decken empfangen wurden. Glücklich, dem ungemütlichen stürmischen Wetter entronnen zu sein, studierte jeder das Konzertprogramm. Armin Becker hatte wieder musikalische Leckerbissen ausgewählt, mit der Aufforderung „Take the Bunnyhill Express“, der – wie der Name schon sagt, nur im Hasenbergl fährt.
Nach der Begrüßung durch Pfarrer Rolf Hartmann beschrieb der Orgelvirtuose Armin Becker die im Programm aufgeführten Musikstücke.
Da romantische Schneeflocken dieses Jahr auf sich warten lassen, wurden die Konzertbesucher mit drei bekannten winterlichen Musikstücken getröstet: Antonio Vivaldis „L’Inverno“ („Der Winter“), von Claude Thornhill mit „Snowfall“ und aus den „Vier Jahreszeiten von Buenos Aires“ spielte Armin Becker Astor Piazzollas Winter „Invierno porteno“.
Die eindrucksvollen Klänge dieses vollendeten Orgelspiels ließen sich fantasievoll interpretieren. Man hörte den Schnee leise rieseln, Einsamkeit und Eiseskälte klirren und Schneeräumfahrzeuge eine Schneise durch verschneite Wege bahnen.
Die nächsten drei Stücke wärmten eventuelle ausgekühlte Gedanken wieder auf. Drei Mal Tango vom Feinsten! Angel Gregorio Villoldos furioser „El Chocio“, den er im Jahr 1916 komponierte, vom brasilianischen Pianisten und Komponisten Ernesto Nazareth ein heiter verspielter „Garoto“ und der mitreißende aus dem Film „Orfeu Negro“ bekannte Tango „Carnival“ von Luiz Bonfa. Tangorhythmen auf der Orgel – geht das überhaupt? Klar doch! Von Armin Becker mit spielerischer Leichtigkeit intoniert sogar ein besonderes Musikerlebnis. Man bekam sogar Lust, ein Tangotänzchen auf dem frisch verlegten Parkett im vorderen Teil der Evangeliumskirche zu wagen, deren Verkleinerung leider geplant ist.
Es folgte Armin Beckers eigene Komposition „Waiting for K.“ mit dem einzigen Zwischenapplaus des Abends. Dann gab’s traditionellen Jazz: „Doin the Voom Voom“ von Duke Ellington und „Soothin Syrup Stomp“ von „Fats Waller“ nach einer Aufnahme vom 14. Januar 1927, auf Kirchenorgel eingespielt.
Wer kennt nicht den „Tanz der Zuckerfee“ aus der Nussknacker-Suite von Peter Tschaikowsky? Ja klar, in der Orchesterversion, aber nicht gespielt auf einer Kirchenorgel. Genuss pur, der Interpretation von Armin Becker zu lauschen.
Den Schlusspunkt setzte ein Pfiff zum Start des allseits beliebten, legendären „Bunnyhill Express“ mit Kinoorgel-Klassikern wie „Orient Express“, „Chattanooga Choo Choo“, „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ sowie „Der Sonderzug nach Pankow“. Einfach herrlich, wie Armin Beckers Klangerlebnis immer rasantere Fahrt aufnahmen, beschleunigt durch fantasievolle Improvisationen, die Zuggeräusche immer lauter wurden und schließlich mit lautem Pfiff endeten.
Das Publikum applaudierte begeistert, es gab „standing ovations“. Ohne Zugabe wollte man den Orgelvirtuosen nicht gehen lassen. Er beschenkte seine Fans mit „My Little Darling“ von Neal Hefti. Danach bekam Arnim Becker unter aufbrandendem Beifall Blumen überreicht. Das wundervoll vergnügliche Faschingsorgelkonzert, das wie jedes Jahr von der Landeshauptstadt München und dem BA 24 unterstützt wurde, war damit zu Ende.
Gerlinde Dunzinger