In unserer krisenhaften Zeit überlagert das Thema Corona eigentlich alles. Andererseits haben wir dadurch mal wieder Zeit, uns mit anderen Themen zu befassen, die zumindest einen Teil unserer Leser interessieren, weil betreffen dürfte. So ist derzeit ein Gesetzentwurf zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes in der Mache, der gravierende Einschnitte mit sich bringt, wenn er so durchkommt, wie ihn das Bundeskabinett in der letzten Woche beschlossen hat. Die anstehende Reform betrifft rund 10 Mio. Eigentumswohnungen in Deutschland – das sind fast 25 % aller Wohnungen.
Der Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums will das Wohnungseigentumsgesetz radikal umgestalten. Käme er in der jetzigen Form durch, müsste in den Wohnungseigentümergemeinschaften vieles ganz anders werden. Denn das neue Gesetz würde den Wohnungseigentümern weniger Rechte, aber mehr Risiken bescheren. Es würde die Interessen der Wirtschaft begünstigen, also der Verwalter und Bauträger sowie der Dienstleister und Handwerker, die für die Wohnungseigentümergemeinschaften arbeiten. Davon jedenfalls ist der Verein „Wohnen im Eigentum. Die Wohneigentümer“ (WiE), der Verbraucherschutzverband für Wohnungs- und Hauseigentümer/innen, Beiräte und WEGs, überzeugt. Mit der fatalen Folge, dass das Wohnen in Eigentumswohnungen für Selbstnutzer und Mieter teurer würde.
Das sind die wichtigsten geplanten Neuregelungen
WiE hat den „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG)“ studiert, kritisch hinterfragt, eine Folgenabschätzung vorgenommen und daraufhin eine 88-seitige Stellungnahme verfasst.
Auf der Website des Justizministeriums wird erklärt, warum man das WEG umfassend neu regeln will: „Aufgrund des demografischen Wandels steigt das Bedürfnis, Wohnungen barrierereduzierend aus- und umzubauen. Für die Erreichung der Klimaziele ist die energetische Sanierung von Bestandgebäuden unerlässlich. Neben den Maßnahmen zur Barrierereduzierung und zur energetischen Sanierung verlangt auch die Errichtung von Lademöglichkeiten zur Förderung der Elektromobilität Eingriffe in die Bausubstanz.
Diesen Herausforderungen wird das geltende WEG in vielen Fällen nicht gerecht, insbesondere, weil es für bauliche Maßnahmen häufig die Zustimmung aller oder eines hohen Anteils der Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer verlangt. Auch die Chancen der Digitalisierung werden bislang bei der Verwaltung von Wohnungseigentum kaum genutzt.“ Daher solle beispielsweise „die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen der Wohnanlage vereinfacht werden, insbesondere für Maßnahmen, die zu nachhaltigen Kosteneinsparungen führen oder die Wohnanlage in einen zeitgemäßen Zustand versetzen.“
Das sind die kritischen Punkte
WiE hat die in seinen Augen kritischen Punkte im Referentenentwurf WEModG in einem Flyer in verständliche Worte gefasst.
Moniert wird, dass der abstrakte Verband WEG die gesamte Verantwortung und die Haftung für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums übernehmen sowie für Schäden aufkommen soll, verursacht durch eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung bzw. aufgrund von Pflichtverletzungen der Verwalter.
Zweitens sollen die Wohnungseigentümer wichtige Rechte und Direktansprüche verlieren. Sie sollen nicht mehr direkt gegen den Verwalter, Miteigentümer oder Handwerker vorgehen können, wenn diese ihre Pflichten verletzen. Dies soll künftig der Verband tun. Den Eigentümern würden die Kontrolle der Verwaltung und die Durchsetzung berechtigter Ansprüche massiv erschwert.
Die Verwalter sollen drittens mehr eigenständig, also ohne Beschluss der Eigentümer, entscheiden dürfen. Je nach Größe der WEG soll auch die Vergabe von Reparaturaufträgen oder gar der Abschluss von Versorgungs- und Dienstleistungsverträgen dazugehören. Die Verwalter sollen darüber hinaus unbeschränkte Vertretungsmacht nach außen erhalten. Damit könnten sie dann auch ohne Beschluss der Eigentümer Aufträge erteilen und Verträge abschließen. Diese wären für die WEG bindend, könnten von dieser nicht mehr geändert oder abgelehnt werden. Die Wohnungseigentümer müssten den damit verbundenen Zahlungspflichten nachkommen. Sie könnten die Verwalter höchstens noch auf Schadensersatz verklagen.
Weiterer Kritikpunkt: Der Verwaltungsbeirat soll kein starkes Kontrollorgan der Verwaltung werden. Einfache, effiziente Kontrollstrukturen werden nicht geschaffen.
Alle baulichen Veränderungen sollen nur noch mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Das ist zu weitreichend bei gleichzeitiger Streichung der Grenzen der Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung und der Beschluss-Sammlung. Eine WEG soll als Ein-Personen-Gemeinschaft mit dem Bauträger/Aufteiler als einzigem Mitglied entstehen. Dieser soll für die WEG u. a. Verträge eingehen können, die im eigenen Interesse geschlossen und damit oft zum finanziellen Nachteil der Wohnungskäufer ausfallen werden.
Übrigens hat nicht nur WiE gegen die Gesetzesvorlage Vorbehalte, auch der Deutsche Richterbund wie der Deutsche Anwaltverein haben kritische Anmerkungen dazu.
Petition für ein klares, die Rechte der Wohnungseigentümer sicherndes Gesetz
Noch ist das neue WEGesetz nicht beschlossen, daher will WiE möglichst viele Betroffene über die neuen Vorstellungen zum Wohnungseigentum informieren, um mit mehr Rückendeckung und Rückenwind Aktionen starten zu können. Ziel müsse es sein, dass die Interessen der Wohnungseigentümer in den Kern der Reform gerückt werden. Man erwarte, dass die Vorgaben für die Organisation der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verbrauchergerecht verbessert und damit die bestehenden Praxisprobleme gelöst werden – durch klare Regelungen, Aufgabenkataloge und etwa eine Muster-Jahresabrechnung im Anhang zum Gesetz.
Um das zu erreichen, hat WiE eine Petition gestartet.