Zum Zeitpunkt der Grundsteinlegung anno 1960 waren die Bauarbeiten bereits im vollen Gang. Die Rohbauten des ersten Abschnitts standen schon, so dass OB Vogel, die Vertreter der Stadt, des Staates, der beteiligten sieben bayerischen Wohnungsunternehmen sowie Domkapitular Monsignore Anton Maier, der den Grundstein segnete, beim feierlichen Akt von hoch aufragenden Turmkränen umgeben waren. Aber schließlich war Eile geboten, denn 1960 suchten immer noch 150.000 Personen in München eine Wohnung!
Auf einem alten Schwarzweiß-Foto sieht man OB Vogel, wie er die blecherne Zeitkapsel in Händen hält, die neben einer Tageszeitung und einer Urkunde mit Angaben zum Bauprojekt vermutlich weitere Zeitzeugnisse enthielt. Er gab sie in den vor ihm liegenden hohlen Grundstein. Doch wo kam dieser Grundstein hin? Die ersten Gebäude standen schließlich schon!
Auf der Suche nach dem Grundstein
Lokal-Anzeiger-Autor Wilhelm Dreer berichtete zwar in der Ausgabe vom 10. Juni 1960 ausführlich auf Seite 1 über die Grundsteinlegung und regte sich wortreich auf über die illustrierte Broschüre, die anlässlich der Feier an die Besucher der Stadt ausgegeben wurde. Denn in ihr stand geschrieben, dass das Gelände der neuen Großsiedlung zum Stadtteil Milbertshofen gehöre. Die Feldmochinger Bauern hätten zumindest gerne gelesen, so Dreer, dass dieses Gebiet zum 33. Stadtbezirk gehört und dass es „die Feldmochinger Bauern waren, die hier ihre Äcker bereits nach dem 1. Weltkrieg zu einem Quadratmeterpreis von 73 Reichspfennigen an die Stadt abgegeben haben.“ Doch wo genau der Grundstein platziert wurde, darüber verlor Dreer kein Wort.
Kunsthistorikerin Christina Bruder, die 2009 eine Magisterarbeit übers Hasenbergl verfasste (Titel: „Die Münchner Großsiedlung am Hasenbergl. Siedlungsarchitektur, Stadtsoziologie und städtebauliche Leitbilder“), schreibt, dass der Grundstein „nicht wie üblich in die Fundamente eines der Gebäude gesetzt (wurde), sondern in einen externen Sockel, den später eine Skulptur von Alexander Fischer zieren sollte.“
Dieser Hinweis führte uns im Kulturhistorischen Archiv, das viele Lokal-Anzeiger früherer Jahre beheimatet, auf die richtige Spur: In der Ausgabe vom 30. Juli 1965 berichtet Dreer ausführlich über das vom 16. bis zum 18. Juli 1965 währende Bürgerfest am Hasenbergl. Zu dessen Eröffnung vor dem Postamt am Frühlingsanger hatte sich viel Prominenz eingefunden. Und in diesem Zusammenhang schreibt Dreer: „Neben dem Denkmal mit dem sich gerade kratzenden Pferd (übrigens befindet sich in seinem Sockel der Siedlungsgrundstein…“
OB Ude wollte auf den Grundstein verweisen
Zeitsprung: Inzwischen steht an der Blodigstr. 4 der neue Einkaufstempel, das Kulturzentrum 2411 strebt seiner Vollendung entgegen und das arg verdrehte Bronzepferd („Pferd, sich beißend“ oder auch „Gebücktes Pferd“ genannt) des Bildhauers Alexander Fischer (31.10.1903 – 30.11.1981) hat bereits seinen neuen Platz vor dem Kulturzentrum bezogen. Besagtes Kunstwerk mit der für diesen Künstler typischen, unruhig großen Oberflächenstruktur, in oder unter dessen Sockel der Hasenbergl-Grundstein lagerte.
Was lag da also näher für die Festredner OB Ude und Ilse Macek, der Leiterin der Volkshochschule in München Nord, bei ihren Reden auf diesen Grundstein zu verweisen. Doch der ist im Laufe der Bauarbeiten verschwunden, im wahrsten Sinn des Wortes verschütt gegangen im heutzutage komplizierten Geflecht aus Planern, Baufirmen und Subunternehmern, die alle ihren Teil dazu beitragen, um ein solches Werk fertig zu stellen!
Beim Bauherrn, der Dibag Industriebau AG, die zur Doblinger Unternehmensgruppe gehört, wusste der für die Bauausführung zuständige Projektleiter Norbert Eickeler jedenfalls nichts von einem Grundstein auf „seinem“ Baugebiet. Das Pferd stehe auf einem frischen Sockel. Dass an dessen altem Standort der Grundstein des Hasenbergl samt Zeitkapsel verwahrt war, das sei ihm nicht bekannt gewesen. Auch wisse er nicht, ob sich jemand während des Baus die Mühe gemacht habe, den Grundstein zu suchen und zu retten. Thomas Mattesich, Geschäftsführer des Münchner Architekturbüros ATP, wusste ebenfalls nichts vom Grundstein. Er sei in keinem alten Plan verzeichnet gewesen. Und auch Robert Kroll, Projektleiter bei der bauausführenden Firma Baresel, hatte „keine Ahnung“. Kroll: „Unsere Aufgabe war es, dieses Werk zu bauen. Das haben wir gemacht.“ Von einem Grundstein habe er nie etwas gehört. Damit sei er das erste Mal konfrontiert.
Der letzte im Bunde, die Allinger Firma Ottl Abbruch und Rückbau, die in diesem Bereich den Abriss vornahm, war trotz zahlreicher Versuche zu keiner Stellungnahme bereit. Architekt Mattesich dürfte also mit seinem trockenen Fazit „Der Grundstein liegt wohl auf einer Deponie“ Recht haben.
Bleibt die Hoffnung, dass der neue Energiestein, den Sabine Doblinger – unbewusst, aber mit Hilfe eines Wünschelrutengängers! – im Umfeld des alten Grundsteins hat aufstellen lassen, negative Einflüsse vom Hasenbergl abhält!