Am 3. Oktober 2020 blickten die deutsche Bevölkerung und zahlreiche andere, insbesondere europäische Nachbarn zurück auf die politische Wiedervereinigung der 40 Jahre lang voneinander getrennten zwei deutschen Staaten vor genau 30 Jahren. Dieses historische Datum begeht der Heimat- und Kameradschaftsverein Fasanerie-Nord seit 2012 alljährlich mit einer besinnlichen Friedensandacht in der alten Kirche St. Christoph. Heuer musste die Feier coronabedingt allerdings in die große Pfarrkirche St. Christoph, Am Blütenanger 7, verlegt werden.
Der 30. Jahrestag der deutschen Einheit hätte eigentlich, dem bedeutenden historischen Ereignis entsprechend, in ganz Deutschland gebührend begangen und freudig gefeiert werden sollen. Nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen Städten und Dörfern aller 16 Bundesländer unserer Republik. Doch es kam anders.
Das winziges Coronavirus SARS-19-CoV-2 hat uns allen einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht. Daher ging es heuer am 3. Oktober in unseren Landen ruhig und besinnlich zu. Da größere Feiern mit vielen Menschen nun einmal Gefahren bergen, mussten alle vorgesehenen großen Feierlichkeiten, auch in unserem näheren Umfeld, bis auf wenige repräsentative Ausnahmen abgesagt werden. Das Einigungssymbol „WIR“ war dennoch optisch überall sichtbar und deutete auf die erzielten großen Einigungserfolge hin.
„Gib uns Mut für den Frieden“
Die in einem kleinen Kreis begangene, traditionell besinnliche Friedensandacht in der Fasanerie war wieder einmal geprägt vom Gedanken der engen Verbindung des christlichen Glaubens mit dem Friedens- und Freiheitswunsch der Menschen. Diakon Dieter Wirth freute sich, etwa 50 Gäste und die Fahnenabordnungen der Liedertafel Fasanerie, des Kulturhistorischen Vereins Feldmoching und des veranstaltenden Heimat- und Kameradschaftsvereins Fasanerie begrüßen zu dürfen. Seiner Ansprache stellte er das große Wunder der Speisung der 5.000 aus der Heiligen Schrift voraus, worauf er in der Folge die Frage und zugleich die Antwort in den Raum stellte, wie es damals, vor ca. 2.000 Jahren, im Vergleich zur Zeit vor 30 Jahren wohl gewesen sein könnte. Aus einem kleinen Anfang könne sich im festen Glauben und mit fester Zuversicht etwas ganz Großes entwickeln. Seine Worte beendete Wirth mit dem Gebet: „Herr, wir bitten Dich, gib uns Mut für den Frieden“.
Am 3. Oktober 1990 begann für alle Deutschen eine neue Zukunft
Die Wiedervereinigung vor 30 Jahren am 3. Oktober 1990 war das Ergebnis längerer politischer Entwicklungen in einer Zeit des allmählichen Niedergangs der kommunistischen/sozialistischen Weltanschauungen und Systeme in den vielen östlich der Europa in zwei Teile trennenden „Demarkationslinie“ bzw. der hinter dem unüberwindbaren „Eisernen Vorhang“ gelegenen Länder als ein sehr trauriges und folgenschweres Erbe des 2. Weltkriegs. Zu den Staaten bzw. Territorien, die nach Kriegsende unter die diktatorische Herrschaft der damals stalinistischen Sowjetunion gekommen gekommen waren, zählte auch das mitteldeutsche Gebiet zwischen Elbe und Oder, zuerst SBZ (Sowjetische Besatzungszone), ab 1949 DDR – Deutsche Demokratische Republik – genannt. Darüber wie über den Ländern des gesamten „Ostblocks“ wachte das hochgerüstete militärische Bündnis des Warschauer Pakts.
40 Jahre lang war das nach dem Kriegsende verbliebene deutsche Territorium in den freiheitlich demokratisch entwickelten Teil West und in den kommunistisch-sozialistisch eingebundenen Teil Ost geteilt und vom Osten her mit unüberwindbaren Mauern, Stacheldrahtzäunen, Todesstreifen und einem Schießbefehl gegen den Westen hermetisch abgetrennt. Familien und Freunde waren jahrzehntelang voneinander getrennt. Das Sowjet-hörige sozialistische Zwangssystem der DDR war stets streng darum bemüht, seine Bürger vom Westen abzuschirmen. „Systemabweichler“, „Republikflüchtlinge“, „Klassenfeinde“ usw. wurden lange Jahre in unmenschlichen Stasigefängnissen inhaftiert und psychisch zerstört. Der Lebensstandard der „DDR-Bürger“ wurde vom System auf dem niedrigen Level der anderen sozialistischen „Bruderstaaten“ gehalten.
Die sozialistische Ideologie des Ostblocks scheiterte 1989
Je mehr das Regime auf seine Bevölkerung Druck ausübte und je mehr das politische System des „Arbeiter- und Bauernstaates“ DDR in fast allen sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bereichen strauchelte, um so lauter wurden die Rufe der Bevölkerung nach persönlicher Freiheit und nach demokratischer Selbstbestimmung. In der Zeit des Niedergangs des Sozialismus in der Sowjetunion, gegen Ende der 1980er-Jahre, begannen auch in der DDR die Menschen, auf die Straßen zu gehen und ihren Wunsch nach Freiheit in Frieden mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ einzufordern. Die Zeiten wurden politisch immer turbulenter, bis die erstarrte Staatsmacht der DDR erkennen musste, dass ihr sozialistisches Weltbild und das System der Ausgrenzung, der Gleichschaltung und der Unterdrückung nicht mehr zu halten waren. In den Städten brodelte es, allerorten wurde demonstriert und die oberste Führung der DDR ahnte ihr Ende. Bis die Menschenmassen ihre Furcht vor der Staatsmacht ablegten und gegen die „Schand“-Mauer in Berlin anstürmten, die einst erbaut worden war, um die DDR gegen den angeblich bösen und imperialistischen westlichen Klassenfeind zu schützen, im Grunde aber immer nur dazu da war, das eigene Volk von einer Flucht abzuhalten.
Am 9. November 1989 fiel diese verhasste Todesmauer in Berlin. Nach der Mauer folgten bald die Hunderte Kilometer langen Grenzbefestigungen mit Todesstreifen. Die ganze Welt blickte wachsam und erwartungsvoll nach Berlin und nach Deutschland. Was wohl kaum jemand je geglaubt hätte, war nun eingetreten. Die Menschen auf beiden Seiten konnten ihr Glück nicht glauben und fielen sich in die Arme. Was nun folgte, kann aus Platzgründen genauso wenig geschildert werden wie das vorherige dramatische Geschehen in der DDR bis zu diesem Tag der Befreiung.
Jedoch, die Zeit lief weiter, was sollte nun politisch geschehen? Nach einer kurzen politischen Übergangszeit von nur 328 Tagen trat die befreite DDR auf der Grundlage eines „Einigungsvertrags“, eines gemeinsamen Deutschen Grundgesetzes, eines gemeinsamen Parlaments im Bundestag, einer gemeinsamen Währung und aller weiteren bundesstaatlichen Institutionen am 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik Deutschland bei. Die neue Bundesrepublik besteht seitdem aus 16 Bundesländern.
Für die rund 16 Millionen aus den Klauen des Sozialismus befreiten Bürger begann nun die Zeit der ganz großen Umstellungen aus ihren bisher völlig andersartigen Lebensumständen in einer von der absolutistischen Staatsmacht vorgegebenen und abgeriegelten kleinen Welt.
Der ersten Euphorie folgte bald die Enttäuschung
Der ersehnte „Goldene Westen“ war so goldig nicht. Die eigene Wirtschaft brach zusammen. 80 % der Werktätigen in den „neuen Ländern“ hatten nur fünf Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr ihren alten Job; viele wurden arbeitslos und blieben teils lange ohne Arbeit – oder sie suchten in sehr großer Zahl ihr Glück im Westen. Die Verhältnisse in beiden Teilen hatten sich in den vorangegangenen Jahrzehnten einfach zu unterschiedlich entwickelt, die Menschen mussten auch mental mit sehr schwierigen Umstellungsproblemen in allen Lebensbereichen fertig werden. Noch heute hört man nicht selten, es fehle der Politik und in beiden Teilen auch 30 Jahre nach der „Wende“ noch immer der gesamtdeutsche Blick. Noch immer ist die Lohn- und Rentenlücke nicht ganz geschlossen. Andererseits entwickelte sich auch „Ostdeutschland“ mehr und mehr zu einem prosperierenden Teil Deutschlands. Heute sind die „neuen Länder“ dem vergleichenden Anschluss an den westlichen Teil unseres Landes schon sehr nahe gerückt. Auch aus ostdeutschen Städten oder Regionen strahlen heute modernste Wissenschaften sowie hochinnovative Entwicklungs- und Produktionsstandorte mit Spitzenerzeugnissen!
Bundeskanzlerin Angelika Merkel sagte vor wenigen Tagen in ihrer Rede zum „Tag der Deutschen Einheit“, das Hauptziel der Politik müsse sein, die verbliebenen unterschiedlichen Lebensverhältnisse zwischen Ost und West noch schneller als bisher anzugleichen und zu beenden.
Die Folgen der 40-jährigen totalen Trennung der Menschen voneinander und der Wiedervereinigung vor 30 Jahren, mit der Vorgabe gleicher Lebensverhältnisse für alle Menschen, haben der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht nur Billionen Euro gekostet. Bis die Angleichung der beiden Teile wirklich endgültig erreicht ist, wird viel mehr Zeit vergehen, als man seinerzeit voraussagte. Die von Helmut Kohl einst versprochenen „blühenden Landschaften“ haben halt viele Orte in den „Neuen Ländern“ immer noch nicht erreicht.
Der Arzt und Philosoph Johann Jacoby hat einmal gesagt: „Nur wer die Freiheit anderer achtet, ist selbst der Freiheit wert“.
Reinhard Krohn