Nur wenige Tage im Jahreskreis bewegen die Menschen emotional so tief wie der allerletzte Tag des Jahres, der den Namen des heiligen Silvesters trägt. Zum Jahreswechsel tauschen Familien, Freude und Bekannte sowie Politiker und Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur, Sport u. a. im persönlichen Umfeld bis in alle Welt hinaus untereinander ihre besten Wünsche für einen „guten Rutsch“ ins neue Jahr aus, verbunden mit der Hoffnung auf beste Gesundheit und viel Erfolg im privaten wie beruflichen Leben.
Und wenn dies noch nicht reicht, befragt man zudem die Astrologie und andere Orakel – deutet gegossenes Blei, schaut in die Glaskugel oder legt die Karten – nach der persönlichen Zukunft bzw. dem zu erwartenden Schicksal im neuen Jahr. Hauptsache, es kommen günstige Ergebnisse heraus, so wie man es sich halt wünscht!
Möglichst pünktlich um Mitternacht, also zum Jahreswechsel um 24 Uhr, knallen in „normalen“ Zeiten die Sektkorken und die Gläser der feiernden Gesellschaften erklingen unter einem zig millionenfachen „Prosit Neujahr“, was aus dem Lateinischen sinngemäß hergeleitet nichts anderes meint, als „dass es gelingen mag“ – was man sich eben so vom neuen Jahr wünscht. Gleichzeitig krachen traditionell draußen auf den Straßen und Plätzen ohrenbetäubend viele Millionen Böller, Heuler, aufsteigende Raketen und Feuerwerke mit automatisch gesteuerten Abschussfolgen und sonstiges Krach machendes oder zischend Leuchtendes – man gönnt sich ja sonst nichts!!
In normalen Zeiten wohlgemerkt! Der Wechsel in das neue Jahr 2021 wird heuer wohl im Zeichen der Corona-Pandemie im Warnbereich „Rot“ deutlich ruhiger und vermutlich besinnlicher ablaufen als sonst. In der Zeit der Nöte und Ängste um unsere Gesundheit und unsere künftigen Lebensumstände wächst vermutlich auch die innere Bereitschaft, sich etwa zu einem stillen Gebet entweder in der Kirche oder in der freien Natur oder aber sich daheim in den vier Wänden zurückzuziehen und gern einmal auf Radau und knallende Sektkorken zu verzichten.
Was hat es mit Silvester auf sich?
Der Jahreswechsel hatte schon in sehr frühen Zeiten der Menschheit eine sehr emotionale und mystische Bedeutung. Dazu gehört etwa der uralte Wunsch der Menschen, ihre persönliche Zukunft und die der Lieben wenigstens für das kommende Jahr vorauszuschauen. Dazu bediente und bedient man sich bis heute aller möglichen skurrilen Handlungen und Hilfsmittel, befragt die Astrologie und andere Orakel – erfolgreich ist das bis zum heutigen Tage nicht! Auch das Vertreiben böser Geister und Dämonen zum Schutz der Familie und des Viehs, des Hauses und der Saaten und Ernten im Folgejahr hatte in heidnischen und frühchristlichen Zeiten gerade in der Silvesternacht als eine der vier bedeutendsten Rauhnächte (21., 24. und 31. Dezember sowie 6. Januar) seinen Höhepunkt. Bis in unsere Zeit treiben nach altem Brauch grausig anzuschauende und wild gestikulierende Krampusse und Perchten mit viel Lärm und Getöse ihr Unwesen aus ehemals abergläubischen Ursprüngen. Dieses Treiben endet erst in der letzten von insgesamt zwölf Rauhnächten (auch „geweihte Nächte“ bezeichnet) zu Heilig Drei König.
Obwohl schon Mitte der 14. Jahrhunderts in unserem Raum das Schießpulver unter dem Namen “Schwarzpulver“ vom Freiburger Mönch und Alchemisten Berthold Schwarz erfunden worden war, dauerte es bis Anfang des 17. Jahrhunderts, bis sich die Lärmerei (das Pellern) in den Rauhnächten mit diesem explosiven Pulver aus „allerlei Rehren und Pixen“ wie es überliefert ist, durchsetzte, übrigens zum großen Missfallen der weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten! Aber, selbst strengste Strafandrohungen konnten dieses Treiben der Burschen nicht hindern. Der Spaß daran war einfach zu groß.
Der heilige Silvester, Tagheiliger des 31. Dezember
Der letzte Tag eines Jahres trägt im christlich-abendländischen Kalender schon lange Zeit den Namen des heiligen Silvester. Dieser – männliche – Name bedeutet aus dem Lateinischen hergeleitet etwa „Waldbewohner“ oder auch „der zum Walde gehörende“. Silvester ist im Gegensatz zu Neujahr bei uns und in den meisten Ländern mit christlicher Glaubenskultur ein christlicher Feiertag. Die Kirche begeht oder feiert diesen letzten Tag des Jahres bereits seit dem Jahre 354. Für die Geschichte und Entwicklung der römischen Kirche war der Namensgeber dieses letzten Jahrestages Papst Silvester I. von großer Bedeutung. Silvester war am 31. Januar 314 als 34. Oberhirte der römischen Kirche zum Papst gewählt und gekrönt worden Er verstarb nach 21 Amtsjahren am 31. Dezember 335 in Rom. Die Grabstätte seiner sterblichen Überreste bzw. Reliquien befindet sich in der Kirche San Silvestro im italienischen Capite.
Ein Jahr vor dem Pontifikat Silvesters im Jahre 313 erfolgte auf Initiative des damaligen römischen Kaisers Konstantin im Mailänder Edikt die sog. „Konstantinische Wende“ . Nach dem Friedensschluss zwischen dem römischen Kaiser und den bis dahin grausam verfolgten Christen wurde nun das Christentum von der Staatsobrigkeit anerkannt und im Staat rechtlich gleichgeschaltet. Damit waren die Christenverfolgungen beendet. Unter Kaiser Konstantin wurde das Christentum nun sogar zur neuen Staatsreligion erklärt. Silvester soll es gewesen sein, der den Kaiser von dessen Aussatz/Krankheit geheilt hatte. Nach einer Überlieferung soll Silvester auch maßgeblich für die christliche Taufe des Kaisers eingetreten sein. Anderen Überlieferungen zufolge wurde der Kaiser jedoch erst nach Silvesters Tod getauft.
Aus großer Dankbarkeit schenkte Kaiser Konstantin der Legende nach Silvester in Rom den heute „Vatikanischen Hügel“ genannten „Patronium Petri“. Dort ließ Silvester über dem vermuteten Petrusgrab die erste Peterskirche errichten. Damit war an diesem Ort die erste territoriale und geistliche Zelle für den späteren von Silvester gegründeten Kirchenstaat der römischen Kirche mit dem Sitz des Papstes als höchstes weltliches und geistliches Kirchenoberhaupt und zugleich des Heiligen Stuhls als weltweit geistliches Zentrum entstanden. Der in späteren Zeiten immer größere und mächtigere Kirchenstaat endete erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts mit dessen zugleich letztem Herrscher Papst Pius IX.
Dem römischen Bischof Silvester, der unter der christenfreundlichen Staatsführung sehr einflussreich geworden war, war es nun möglich, die Kirche neu zu organisieren und die christlichen Lehren weiter zu verbreiten. In dem von Silvester im Jahre 325 einberufenen Konzil wurde das Dogma von der Göttlichkeit Christi und seiner Wesensgleichheit mit Gottvater für die christliche Kirche allgemein verbindlich beschlossen und verkündet.
Der heilige Silvester wird häufig mit einem Ölzweig als einem Friedenssymbol nach den grausamen Christenverfolgungen dargestellt. Man kann dazu durchaus gedanklich eine Parallele ziehen zur Rückkehr der Taube mit dem Ölzweig im Schnabel auf die Arche Noahs als Zeichen des Endes der großen Sintflut.
Heuer wird der Jahreswechsel weniger laut und heftig werden
Der über den Jahreswechsel hinaus verlängerte Corona-Lockdown und die damit verbundenen zahlreichen persönlichen und organisatorischen Einschränkungen in weiten Lebensbereichen werden uns heuer zu einem anderen Silvester zwingen. Große Silvesterpartys sind heuer nicht erlaubt. Daher bietet sich vielleicht die einmalige Gelegenheit, wegen der so erzwungenen Ruhe und Enthaltsamkeit auf viele lieb gewordenen Lebensgewohnheiten nun auch mit einem beruhigten Gefühl zu verzichten und stattdessen einmal darüber nachzudenken, ob wir uns in dieser schweren Zeit der Pandemie nicht auch einmal eine ganz persönliche mentale Pause gönnen sollten, um etwa von all dem weltlichen Getöse einmal Abstand zu nehmen. Vielleicht verhallen dafür die seit vielen Jahren wiederholten Mahnungen und Aufrufe etwa der christlichen Hilfswerke „Misereor“ und „Brot für die Welt“ angesichts der erdrückenden Notlage Hunderter Millionen Menschen in aller Welt um großzügige Hilfen und Spenden nach dem Slogan “Brot statt Böller“ nicht!
Reinhard Krohn
Zum neuen Jahr
Zum neuen Jahr, das jetzt beginnt,
weil`s alte nun ein Ende nimmt,
euch allen groß und klein
wünsch` ich viel Glück und Freud.
Nun sieh, o Gott von oben her
mit Gnadenaugen dar –
und vom Greise bis zum kleinsten Kind
wünsche ich ein glückliches neues Jahr!
(Neujahrsspruch eines Nachtwächters aus Vilsek in der Oberpfalz in der Silvesternacht)
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