Alles hat im natürlichen Kreislauf irgendeine Bedeutung. Auch die Schafherde auf der Hochmuttinger Heide. Dabei ist es im Grunde genommen zweitrangig, ob oder inwieweit damit ein kurzfristig messbar wirtschaftlicher Nutzen verbunden ist. Wollen wir die natürlichen Ressourcen unserer näheren Umwelt, auch oberflächlich betrachtet, ohne eine erkennbar wertige Bewirtschaftung nachhaltig erhalten, dann müssen wir die miteinander verbundenen und voneinander abhängigen Kreisläufe der Pflanzen- und Tierwelt erkennen, respektieren und dazu beitragen, sie zu erhalten.
So gesehen sind z. B. Schafherden bei uns im Münchner Norden für den Landschafts- und Naturschutz in speziellen extensiven Lagen unverzichtbar. Unsere Fotos zeigen den Umtrieb der geschätzt 500 bis 600 stets laut arbeitenden „Rasenmäher“ aus dem umzäunten Areal des Schleißheimer Flugplatzes auf die östlich anschließende großflächige Hochmuttinger Heide, die sich von der langen nördlichen Schleißheimer Schlossmauer aus bis hin zur Autobahn A 99 erstreckt. Dieses „Umtriebmanöver“ vollzieht sich in wundersamer Weise mit Hilfe zweier gut ausgebildeter Hütehunde so einwandfrei und unaufgeregt wie eine gut einstudierte Inszenierung. Ein eingespieltes Team eben von einigen Hundert Schafen, zwei aufmerksamen Hütehunden und dem erfahrenden Schäfermeister, also dem Boss des Ganzen. Wäre dieses Schauspiel bzw. Manöver und überhaupt das Führen und die Betreuung einer großen Herde so einfach und selbstverständlich, gäbe es sicher keine deutschen Meisterschaften im Führen einer Schafherde.
Die Tiere sind beim Weiden immer in eine Richtung in Bewegung, und so bewegt sich auch die gesamte Herde langsam und unentwegt vorwärts. Was die wiederkäuenden in Wolle gepackten Rasenmäher vorne gierig an schmackhaften Gräsern und Kräutern aufnehmen, fällt nach einer gewissen Verdauungszeit hinten wieder zu Boden. Eine weidende Herde hinterlässt hinter sich einen gleichmäßigen Kotteppich als wertvolles Nährstoffangebot für die Vegetation der hier vorhandenen Magerflora auf der kargen und nur wenig fruchtbaren Schotterebene. Ein wunderbarer und nie endender Kreislauf, wenn wir Menschen diesen nicht stören. So ist es auch auf der nahen, südlich der Autobahn und des Harthölzls gelegenen ca. 200 ha großen Ebene, die ihren alten Namen Panzerwiese erstaunlicherweise bis zum heutigen Tage bewahrt hat.
Eine Wanderherde lebt unter anderen Bedingungen
Seit Jahren besucht den 24. Stadtbezirk auch eine größere Wanderherde auf ihrem Weg durch das nördliche Münchner Randgebiet, einmal im Mai bei ihrer Wanderung in die westliche Richtung bis in den Raum um Germering und später im September noch einmal bei ihrer Wanderung in umgekehrter Richtung heimwärts nach Waldkirchen im Landkreis Freyung-Grafenau, wo die Tiere dann eine relativ kurze Zeit überwintern. In dieser Wanderherde leben etwa 650 Schafe, etwa 150 Ziegen, meist zusätzlich noch ein Pferd, ein Ochse und drei bis vier Eseln. Geführt wird diese bunte Herde in der Regel von zwei Schäfern und, wenn notwenig, von einer zusätzlichen Hilfskraft – und, ganz wichtig! – von zwei oder drei ebenfalls gut ausgebildeten Hütehunden. Diese Herde bleibt, je nach vorhandenem Futterangebot, nur zwei oder drei Tage auf einem Weideplatz und setzt dann die Wanderung zur nächsten Weide fort. Eine solche Wanderherde bedarf einer weit vorausschauenden Planung der Wanderwege, der Weideplätze und aller damit zusammen hängenden Logistik wie Sicherungsmaßnahmen, Versorgung … Die Schäfer, die eine solche Herde führen, tragen eine große Verantwortung. Die Wanderwege sind schließlich von Autobahnen, Bundes- und Landstraßen, Ortschaften, Gewässern, Gewerbegebieten und weiteren Hindernissen verstellt. Nur sehr erfahrende Schäfer sind dazu befähigt und besitzen die Erlaubnis, eine derartige Wanderherde zu führen.
Reinhard Krohn