Mit einem Knall fliegt die Tür ins Schloss. Die nassen Winterschuhe werden von den Füßen gekickt und landen auf dem Fußboden. Kleine Fußabdrücke zeigen zielsicher den Weg zur Küche. „Wann gibt es Essen, Papa?“ Matteo, 7 Jahre, und sein jüngerer Bruder Finn, 5 Jahre, können es kaum erwarten. Ein Nachmittag im Schnee, ausgelassenes Toben auf dem Abenteuer-Spielplatz, machen hungrig.
David E. hatte sich lange nach einem fröhlichen Wochenende mit seinen beiden Kindern gesehnt. Ein Nachmittag auf dem Spielplatz, gemeinsames Essen zu Hause und das Geschichtenerzählern im Bett waren wochenlang ein unerfüllter Wunsch. Gemeinsame Zeit mit den Kindern waren nach der Trennung von seiner Frau und dem Auszug aus der Familienwohnung den 38jährigen erst einmal nicht mehr drin. „Ich habe wochenweise bei Freunden auf dem Sofa gewohnt, eine eigene Wohnung konnte ich mir nicht leisten. Und ich habe auch keine gefunden“, erzählt der Handwerker. Fast fünf Monate liegen hinter ihm, lange Wochen, in denen „Familienzeit“ einmal im Kino oder im Einkaufszentrum stattfinden mussten. „Wir hatten einfach keinen Platz, wo wir hingehen konnten, einmal für uns sein konnten“, erzählt er und hängt die nassen Jacken an der Garderobe auf, Schuhe und Handschuhe finden unter und auf der Heizung einen Platz zum Trocknen.
„Bei Casa Papa Väterwohnen bieten wir Vätern mit kleinen oder schulpflichtigen Kindern, die weiterhin beim anderen Elternteil leben, rasch und unkompliziert einen bezahlbaren, aber auch kindgemäßen Wohnraum“, erzählt Andreas Bugai. „Dabei handelt es sich natürlich um ein Angebot auf Zeit – für Menschen in Trennungssituationen in einer Stadt wie München, in der bezahlbarer Wohnraum wirklich rar ist, ist das dennoch ein besonderes Angebot. Wir haben bereits eine Warteliste für unsere Zimmer“. Der Sozialpädagoge arbeitet bei Casa Papa, einer Einrichtung der Diakonie Hasenbergl, die sich an Väter in Trennungssituationen richtet. Dort unterstützen er und sein Kollege Martin Hogger Väter dabei, die Beziehung und einen vertrauten Kontakt zu ihren Kindern aufrecht zu erhalten. In der Krisensituation durch die Trennung und den Auszug aus der Familienwohnung ziehen sich Väter, die keinen geeigneten Wohnraum finden, häufig aus dem Kontakt mit den Kindern zurück. Gründe sind oft eine Wohnungssituation, die keinen Besuch von Kindern erlaubt, die Scham über das Wohnen in „versteckter Wohnungslosigkeit“ und Verzweiflung über den Verlust der Familie. Oft kann die Beziehung zu den Kindern dann nicht wieder aufgebaut werden. Bei Casa Papa können Väter in der Trennungssituation zur Ruhe kommen, weitere Schritte planen und haben Platz für die Kinder.
Dass es in München ein Angebot wie Casa Papa mit einem separaten Wohn- und Beratungsangebot gibt, ist auch der beharrlichen Überzeugungsarbeit von Luis Teuber, Bereichsleiter Kinder, Jugend und Familie, und einer mutigen Entscheidung des Vorstands der Diakonie Hasenbergl zu verdanken. Mit einer großzügigen Förderung der Glücksspirale konnten die Wohnungen ausgestattet werden, gerade wurde in einer Wohnung eine neue Waschmaschine geliefert. Inzwischen gehören zur Casa Papa vier Wohnungen unterschiedlicher Größe. In den Wohngemeinschaften können die Väter bis zu sechs Monate lang mit anderen Vätern wohnen, sich austauschen und den Kontakt zu ihren Kindern halten. „Wir haben darauf geachtet, die Wohnungen möglichst kindgerecht zu gestalten. In jedem Zimmer befindet sich neben einem Bett für den Vater auch ein Stuhl, Tisch und Schrank und ein ausziehbares Kinderbett“. Längst hängen im Esszimmer Kinderzeichnungen an der Wand, gerade wechseln die Weihnachtsmotive den Platz mit Schneemännern und Drachen. Der große Esstisch ist der beliebteste Platz in der Wohnung. „Die Kinder genießen es, in Ruhe mit ihren Vätern zu essen, zu ratschen, zu spielen oder einfach nur zu malen und zu wissen, ihr Papa ist da und geht nicht gleich wieder weg“.
Wie in jeder Wohngemeinschaft ist es wichtig, dass sich die Bewohner verstehen und einander sympathisch sind. „Die Väter haben ähnliche Erfahrungen erlebt, können die Sorgen und Nöte der anderen gut verstehen. Aber natürlich versuchen wir auch bei der Vergabe der Zimmer darauf zu achten, wer in welche Wohngemeinschaft passt“, erzählt Bugai. Oft geht es in den WGs turbulent zu, etwa wenn die Kinder zweier Väter das Wochenende in der Wohnung verbringen. „Bisher hat das immer gut funktioniert, den Kindern gefällt es. Und wenn die Familien für sich sein wollen, können sie einfach die Zimmertür schließen“.
Ein Zuhause auf Zeit, eine abschließbare Tür, Gemeinsamzeit mit den Kindern abseits der Familienwohnung. Für Väter wie David E. ist das Angebot von Casa Papa Väterwohnen wie ein Hauptgewinn in der Lotterie, ein Ausweg aus der Verzweiflung. „Ich wohne seit drei Woche in der WG, mit den beiden anderen Vätern verstehe ich mich gut. Wir schauen auch mal zusammen Fußball im Fernsehen. Heute sind zum ersten Mal meine Söhne wieder bei mir, über das ganze Wochenende“, erzählt er mit strahlenden Augen. Zur Feier des Tages wollen die drei „Männer“ gemeinsam kochen. Selbstgemachte Pizza soll es geben. Mehl, Hefe, Tomatensoße und Käse – die Zutaten stehen schon bereit und nach dem Händewaschen geht es an die Arbeit. „Den Teig muss Papa kneten, wir belegen die Pizza. Ich mag am liebsten Salami“, freut sich der siebenjährige Matteo. „Weißt Du, Papa, ich hab schon einmal Pilze auf der Pizza gegessen“, fällt ihm sein fünfjähriger Bruder ins Wort. Und tatsächlich brutzeln eine halbe Stunde später neben Salami und Schinken auch Champignons in einer eigenen Ecke auf der Pizza. Und zu den Abenteuern im Schnee mischt sich rasch wieder die gewohnte Vertrautheit des Zusammenseins.
Foto: ricardo-gomez-angel_unsplash_kom-1.jpg