Nach 40 Jahren beim Münchner Kreisjugendring (KJR), davon die letzten 29 Jahre als Leiterin des Kinder- und Jugendtreffs Hasenbergl ’s Dülfer, ist Ulli Hämmerle zum 1. Dezember letzten Jahres in Rente gegangen und hat ihr wohl bestelltes Haus an Nachfolger Marcel Pacholak übergeben. Der Abschied von einer langen und wichtigen Arbeit und das Loslassen fallen ihr nicht leicht. Eigentlich hätte sie gerne weitergearbeitet, ist ihr doch das Dülfers mit seinen Menschen zur zweiten Heimat geworden. Aber ein klein wenig bleibt sie dem Dülfers doch erhalten: Weil vor Weihnachten Personalknappheit herrschte, sprang sie gleich mal ein. Und auf Ehrenamtsbasis betreut sie weiter an zwei Nachmittagen die Hausaufgabengruppe.
Die zierliche Ulli Hämmerle wusste sich stets selbst zwischen den halbstarken Jugendlichen und Kraftprotzen mit ihrer sehr konsequenten Art gut zu behaupten. Dass eine gewisse Strenge und eine klare Linie einer allgemeinen Akzeptanz und der Zuneigung der Kinder und Jugendlichen nicht im Wege stehen, belegte schon 2018 die Ausstellung „Wenn Kinder Danke sagen“.
„Liebe Uli, du hast das beste hort der welt und gottzeidank gibt es wider Essen“ – schrieb einmal eine kleine Besucherin auf ein Herz aus Buntpapier. Der Hintergrund: Weil in einer Phase über jedes Essen gemotzt wurde, gab es als pädagogische Folge mal eine Woche lang trockene Semmeln. Und siehe da, nach der „Schonkost“ schmeckten Gemüse & Co. plötzlich „voll lecker“!
Wie wichtig Ulli Hämmerle stets „ihre“ Kinder waren, zeigt allein schon die Tatsache, dass sie über all die Jahre ihrer Tätigkeit am Hasenbergl (vom 1. Oktober 1992 bis Ende November 2021) diese kleinen Briefe und Zeichnungen, die ihr die Kinder im Dülfers zusteckten – Geburtstags- und Weihnachtsgrüße, Wunschzettel, Kurzbriefe, Dankesbotschaften … – aufbewahrt hat.
Kein Schaden: Eine klare und konsequente Haltung
Ulli Hämmerle hat Sozialpädagogik studiert und heuerte gleich nach dem Studium 1981 beim KJR an. Damals gab’s noch keine Leitlinien, kein visionäres Vordenken oder
Ziele vom KJR oder gar vom Stadtjugendamt. Aber es gab gute Vorbilder wie ihre Chefin im Kinder- und Jugendtreff Mooskito in Moosach, wo Hämmerle zunächst elf Jahre lang tätig war, acht davon als stellvertretende Leiterin. Die war tough, resolut, klar und konsequent, von ihr habe sie unglaublich viel gelernt und auch die Wirkung von Maßnahmen gesehen. Und diese Linie hat sie beibehalten, als sie sich 1991 bewarb auf die ausgeschriebene Leitungsstelle im Dülfers.
Einrichtung wie Mitarbeiter kannte sie bereits von der „tollen Jugend-Kabarett-Gruppe“, die es dort gab und bei der sie, wiewohl „Moosacherin“, selbst mitmachte. Hämmerle wusste also, worauf sie sich einließ: „Die Bude brechend voll, so viele Jugendliche, dass man sie gar nicht mehr sinnvoll beschäftigen konnte, weil immer alles belegt war. Entsprechend langweilig war’s ihnen, während die Rauchschwaden durch den Gang waberten. (Für die Jüngeren zur Erläuterung: Damals durften die Älteren in den Freizeitstätten noch rauchen! Und damals wurde auch noch Bier in den Freizeitstätten verkauft!!) Aus dieser Langeweile heraus sei natürlich nichts Gscheits entstanden, wie man sich vorstellen könne, so Ulli Hämmerle in der Rückschau. Auch hatten die Jugendlichen im Vergleich zu heute ein wesentlich höheres Aggressions- und Destruktionspotenzial. Sie seien einfach „hantig“, schwierig gewesen. Und mit Regeln hätten sie gar nichts am Hut gehabt. Gab’s ja eh kaum welche.
Mit Ulli Hämmerle kamen Regeln. Und Sanktionsmaßnahmen. Doch damit war längst noch keine Ordnung im Haus. Was folgte, war ein jahrelanger Kampf mit unendlichen Diskussionen in Dauerschleife, denn die Jugendlichen versuchten immer wieder, die Grenzen auszuloten oder umzuinterpretieren. Das sei damals alles nur gegangen, weil alle Kollegen voll mitgezogen hätten.
Nicht nur Regeln, sondern auch viele tolle Angebote
So begegneten alle dem „unverschämten und fordernden Verhalten von meist männlichen Kindern, Teenagern und Jugendlichen konsequent. „Die Jugendlichen haben Freiräume und können diese nutzen. Andererseits vermittelt ihnen das Dülfers klare Strukturen und Grenzen, in denen sie sich bewegen müssen.“ Durch das geringe Vorhandensein von Werten und Normen und die häufig fehlende Akzeptanz von gesellschaftlichen Regeln und Grenzen sei deren Vermittlung ein wichtiger pädagogischer Ansatz des Hauses. „Wir achten konsequent auf einen guten Umgangston und auf die Einhaltung der Hausregeln. Dies ist zwar äußerst anstrengend, ist aber notwendig.“
Nachmittags wurde zudem eine Altersbegrenzung für die Besucher eingeführt, damit die „Kleinen“ mehr unter sich bleiben. Den 16+-Jährigen ist seitdem der Zutritt erst ab 17 Uhr erlaubt. Das entzerrt die Besucherströme und erlaubt nachmittags eine vernünftige Betreuung der Kinder. Keinerlei Toleranz gab und gibt es bei Drogen: Wer damit erwischt wird, fliegt. Und Besucher mit Alkoholfahne gleich hinterher. In Sachen Kiffen wird die strenge Linie wohl beibehalten werden, vermutet Hämmerle, ohne ihrem Nachfolger vorgreifen zu wollen.
Aber Ulli Hämmerle hat damals nicht nur klare Hausregeln aufgestellt, sie machte den Jugendlichen auch viele Angebote: Sie fuhr mit den 16- bis 20-Jährigen zu Reitwochenenden. Ulli Hämmerle ist nämlich selbst begeisterte Reiterin und Besitzerin von „Dino“, einem inzwischen 27-jährigen schwarzen Bayernwallach, der in Massenhausen bei Freising steht und natürlich trotz Full-time-job auch in den letzten Jahren regelmäßig bewegt werden musste, was hieß: um 6.15 Uhr aufstehen, um erst einmal zum Pferd zu fahren. Sie ging mit den Jugendlichen zum Minigolfen und ins Kabarett ins Hinterhoftheater. Der beliebte offene Betrieb mit Kicker, Billard & Co. wurde beibehalten und der Sportbereich gewaltig ausgebaut (damit sich die Testosteron-geplagten Kraftprotze besser auspowern konnten): So wurden Fußball-, Basketball-, Volleyball- sowie Hockeygruppen gebildet, vor allem aber renovierte und baute man den Kraftraum aus – bis heute wird gerade letzteres Angebot von den Jungs gerne angenommen. Und zur Jahrtausendwende hat Hämmerle dann die nachmittägliche Hausaufgabenbetreuung für Mädels eingerichtet, die sie, nun als Ehrenamtliche, weiterhin tatkräftig unterstützen will.
Was sie in ihrem Rentnerdasein neben Pferd und Ehrenamt so alles machen will, das weiß Hämmerle noch nicht so recht. Das lasse sie erst mal auf sich zukommen, aber einen klaren Tipp hat sie für ihren Nachfolger: „Natürlich wird er das ein oder andere anders machen, aber in den entscheidenden Punkten soll er unbedingt die Linie beibehalten. Sonst könnte hier schnell wieder etwas kippen.“