Am Sonntag, den 4. September fand nach zweijähriger Corona-Zwangspause endlich wieder eine historische Kutschengala statt, und das bei Traumwetter vor der Traumkulisse von Schloss Schleißheim. Tausende von Menschen genossen die warme Frühherbstsonne, flanierten mit Hund und Kind durch den weitläufigen Park, bestaunten die historischen Kutschen und ihre stilvoll gekleideten (Bei-)Fahrer – eine aparte Amazone etwa hatte sich gar detailgetreu nach einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert ein ungemein elegantes Kleid schneidern lassen – und lauschten den interessanten Ausführungen der Moderatoren Toni Bauer und Anette Mezger, zwei ausgewiesenen Experten rund um die Reiterei und Fahrerei. Und zum Schluss kam dann auch noch Schirmherr Hubert Aiwanger.
Wussten Sie, dass der Schuhabsatz sich aus der Reiterei entwickelt hat, weil die Reiter nicht mit den Schuhen durch die Steigbügel durchrutschen wollten? Und kennen Sie den Unterschied zwischen amerikanischen und europäischen Westen? Erstere sind kürzer geschnitten, daher lässt man den untersten Knopf zu, bei europäischen Westen hingegen wird der unterste Knopf geöffnet, damit sich die Weste beim Sitzen nicht unvorteilhaft schoppt. Und wie steht es um Ihre Kenntnis der Pferderassen? Friesen, Arabofriesen, Haflinger (das Kleinod der Berge), Orlow-Traber, Shetis (die kleinen zähen Ponys, die ursprünglich von den Shetland-Inseln kommen), Freiberger (Kaltblüter, die letzte ursprüngliche Schweizer Pferderasse, die gute Nerven haben) … All das und noch viel mehr erläuterten Toni Bauer und Anette Mezger ihrem zahlreichen Publikum.
So gingen sie auch auf die verschiedenen Kutschenformen ein: den sommerlichen Vis-à-Vis, den großbäuerlichen Achenbach-Wagen, den repräsentativen Spider-Phaeton, den Roof-Seat-Break, einen großen Gesellschaftswagen, der bei Landpartien sicherheitshalber mit Coachhornsignal gefahren wurde, damit die Fußgänger schleunigst dem Wagen den Weg frei machten.
Aber es reicht nicht, nur die alten Kutschen liebevoll bis ins letzte Detail zu restaurieren. Auch das Geschirr, die davor gespannten Pferde, ja selbst die Kleidung des Fahrers mussten bis ins letzte Detail stimmig sein, um vor den kritischen Augen von Toni Bauer bestehen zu können.
Ja, und dann kam endlich Hubert Aiwanger, hoch zur Kutsche, „weil der Sprit so teuer ist“, wie der bayerische Wirtschaftsminister süffisant meinte, und: Nun bekomme der selige Kaiser Wilhelm II. offensichtlich doch noch recht, der vor über 100 Jahren meinte, das Automobil werde eine vorübergehende Erscheinung sein. Er glaube an das Pferd. Und dann stimmte Aiwanger eine mehrminütige Eloge auf das Pferd an, die Reiterei und die Kutschenfahrerei, Kulturgut, schöne Tradition und wichtiger Wirtschaftsfaktor. Pferde füllten für die Bauernhöfe zunehmend eine Lücke. Denn sie seien gute Abnehmer der kräftigen Wiesen-Mahd im Juni. Sonst müsste man mangels Kühe die Wiesenwirtschaft fast aufgeben. Da sprach der Bauer aus dem Wirtschaftsminister, der sich ob seiner Lobeshymne bei den Veranstaltern gleich als Schirmherr fürs nächste Jahr empfahl.