Nach Einbruch der Dunkelheit am Mittwoch, 30. November 2022, versammelten sich zehn Personen für eine etwas andere Führung durchs Hasenbergl. In raumübergreifenden Videoprojektionen an den Häuserwänden kamen Menschen zu Wort, die hier zuhause sind. Kommentare zur Geschichte und Entwicklung des Viertels (und seinem Ruf) lieferte Klaus Mai, Sprecher der SPD im Bezirksausschuss 24. Mit ihrem Projekt Mapping Munich ziehen die Galeristen Bülent Kullukcu und Karnik Gregorian durch München, um die Bewohner über ihre Stadtteile zu interviewen. Nach Neuperlach ist das Hasenbergl ihre zweite Station.
In Vielem sind sich die Bewohner, die in den Videoaufnahmen sprechen, einig. Das Hasenbergl ist multikulturell, tolerant, friedlich, ruhig. Junge, gebildete Menschen ziehen hierher. Man spielt Darts, macht Sport und Musik. Hier kennt man sich, hier grüßt man seine Nachbarn, hier hat man Freunde. Vor allem: ,,Das Hasenbergl ist besser als sein Ruf.”
Unter den Führungsteilnehmern war auch ein Pärchen, das vor etwa drei Jahren nach München gezogen ist, in Freimann wohnt und das Hasenbergl zum ersten Mal besuchte. Für sie sei das Kunstprojekt eine Gelegenheit, eine neue Ecke der Großstadt zu erleben. Eine Ecke, über die man selten Positives hört – außer, dass die Mieten hier noch relativ günstig sein sollen.
Wie der schlechte Ruf zustande kam, erklärte Klaus Mai, der bereits ein Buch über die Geschichte Hasenbergls veröffentlicht hat. Wenn man nach dem 2. Weltkrieg entlang der mit Stacheldraht gesäumten Schleißheimerstraße fuhr, gelangte man in die Notwohnanlage Frauenholz. Dort lebten ehemalige KZ-Bewohner, darunter etwa 4.500 Osteuropäer, die aus Angst vor einer möglichen Strafverfolgung nicht mehr in die Sowjetunion zurückkehrten – die Russen auf der einen Seite der Schleißheimerstr., die Ukrainer auf der anderen. Weil die Polizei im US-Sperrgebiet kein deutsches Recht durchsetzen konnte, blühte dort bald ein Schwarzmarkt.
1953 fing die Landeshauptstadt an, das Land aufzukaufen und Holz- und Steinbaracken zu errichten, um Menschen unterzubringen, die ihre Mieten im Stadtzentrum nicht mehr bezahlen konnten. Die strengen Kündigungen trafen Kriegswitwen am härtesten. Sie zogen in die Baracken, mussten Wasser aus der Umgebung selbst pumpen. Weil die US-Soldaten die naheliegenden Kiesgruben vermüllten, verbreitete sich eine Typhusepidemie. Als sogar Schulen schließen mussten, beschloss der Stadtrat, eine eigene Wasserversorgung für das Lager einzurichten. In den Jahren und Jahrzehnten danach begann die Stadt mit dem sozialen Wohnungsbau, der das heutige Gesicht Hasenbergls prägt. Diese Punkthochhäuser waren im Vergleich zu den Altbauhäusern im Zentrum sehr modern – viele Münchner beneideten die vertriebenen Menschen im Hasenbergl um ihre Zentralheizungen, Aufzüge, Kücheneinrichtungen und Grünflächen. Heute radelt man durchs Hölzl, um Beeren zu pflücken, erzählt eine Bewohnerin im Video.
Nichtsdestotrotz hatte das Hasenbergl den Ruf als als unschönes, gefährliches Viertel weg. Und das, obwohl die Polizeistatistiken belegen, dass der 24. Stadtbezirk der zweitsicherste in München ist. Das Risiko, Opfer eines Verbrechens zu werden (inklusive häuslicher Gewalt), ist in Schwabing oder der Maxvorstadt höher. Die Videoinstallationen bestätigen, dass im Hasenbergl Menschen mit unterschiedlichster Herkunft in einer freundlichen, engagierten Nachbarschaft zusammenleben. Was sie sich wünschen? Mehr Freizeitmöglichkeiten – ein Kino, etwa, damit sie nicht immer in die Innenstadt fahren müssen. Mehr Ärzte, Parkplätze, Straßenlaternen und Mülleimer. Und ein Gymnasium, oder zumindest bessere Busverbindungen zu den Gymnasien in den angrenzenden Stadtteilen.
Am 15. Dezember 2022 findet die Führung ,,Mapping Hasenbergl meets Mapping Neuperlach” statt. Treffpunkt ist der Hochbunker am Viktualienmarkt, gegenüber der Glockenbachwerkstatt, um 18 Uhr. Die nächste Führung durchs Hasenbergl (wetterbedingt verschoben) übernimmt Dr Reinhard Bauer, auch SPD-Mitglied im BA, sowie Vorstand des Seniorenbeirats. Alle Termine finden Sie auf der Website: www.mappingmunich.de
Das Projekt wird vom Kulturreferat gefördert.