Nach der großen Aufregung in den letzten Wochen wegen der enormen Kostensteigerungen und der Bauzeitverzögerung bei der 2. Stammstrecke in München wollten nun auch Mitglieder des katholischen Männervereins St. Peter und Paul Feldmoching genauer wissen, was es denn mit der neuen Stammstrecke auf sich hat. Darum organisierte ein Mitglied und erfahrener Vereinsreise- bzw. Veranstaltungsleiter kurzfristig einen Besuchstermin für die Großbaustelle auf dem Gelände des Marienhofs direkt hinter dem Münchner Rathaus.
Die „Inspektoren“ aus Feldmoching, begleitet von einigen Damen der Vereinsmitglieder und teilweise auch aus der Lerchenau, starteten um die Mittagszeit mit der S1 in Richtung Marienplatz. Und schon war das große Ziel ganz nahe. Empfangen wurde die zwanzigköpfige Gruppe beim Besucherempfang von einer netten jungen Dame der DB, für die weitere Betreuung schlossen sich noch zwei Ingenieure von der DB und der am Bau beteiligten Baufirmen an.
Viel Technik in großen Dimensionen
Aber nun sollte es los gehen. Inmitten des Marienhof-Geländes wurde in den letzten fünf Jahren aus Stahlbeton ein 100 m langer, 50 m breiter und bis zur Grundplatte 40 m tiefer unterirdischer Baukörper errichtet. Die Wanddicke liegt gegenwärtig bei ca. 150 cm, im Zuge der sich weiter in die Tiefe bewegenden Bauarbeiten bis zur Grundsohle in 40 m hin wird die Umwandung dieses Baukörpers zur Absicherung gegen den nach unten hin enorm zunehmenden Wasserdruck von den verschiedenen Grundwasserhorizonten her noch einmal um diese Masse verstärkt werden müssen. Obwohl bereits jetzt aus dem äußeren Baustellenbereich ununterbrochen (z. Zt. ca. 180 l /sek.) Grundwasser abgepumpt und abgeleitet wird. Unten, auf dem vorerst zweiten Deck, erlebten die Besucher spätestens, warum sie alle in die gelben Gummistiefel gesteckt worden waren. Bei dem Dreck, dem Lärm und im Winter bei den tiefen Temperaturen ist der Job unten in der Tat kein Zuckerschlecken und ein Schicht sehr lang.
Eine beleuchtete Statue der hl. Barbara, der Schutzheiligen der Steiger und Hauer im Bergbau, so auch der hier arbeitenden Schachtbauer, in Sichtweite von der Treppe aus befestigt, hält ihre schützenden Hände über die hart arbeitenden Männer im Schacht. Jedenfalls scheint es bisher zu keinem Unfall gekommen zu sein.
Die insgesamt vier vorgesehenen Ebenen über der untersten Grundplatte (der fünften Ebene), auf der später einmal der Gleisbetrieb vonstatten gehen wird, ruhen auf mächtigen Stahlständern, die ab Oberkante bis zu einer Tiefe von 65 m hinunterreichen. Wenn man hier unten steht und über die gewaltigen Dimensionen staunt, dann erahnt auch der Laie, dass das Gesamtwerk der immer weiter „optimierten“ 2. Stammstrecke vom Hauptbahnhof bis hin zum Ostbahnhof (wo ja überhaupt noch gar nicht gebaut wird) keinesfalls bis zum ursprünglichen Zieljahr 2028 fertiggestellt und in Betrieb gehen kann. Heute reden und streiten die Verantwortlichen des großen Konsortiums aus Deutscher Bahn, Landeshauptstadt München, Freistaat Bayern und dem Bund in Berlin über eine mögliche Vollendung des Werkes um das Jahr 2034 und eine Bausumme zwischen 7 und 8 Mrd. Euro!
Sicherheit steht ganz oben!
Angesichts des Umfangs dieser Großbaustelle hier inmitten der Innenstadt muss die Sicherheit ganz groß geschrieben werden. Darum, so erfuhren die beeindruckten Besucher, werden die Bauarbeiten von Anfang bis zur Fertigstellung des Projektes von einem wissenschaftlich ausgeklügelten Sicherheitsmonotoring an allen rundum stehenden Gebäuden bis hin zum Rathaus und weiter bis hin zur Frauenkirche begleitet. Eine Vielzahl von Sensoren werden in diesem Monotoring von Spezialisten größtenteils digital und computerunterstützt überwacht. Auch der Untergrund unter den nahe stehenden Gebäuden im näheren Umkreis von ca. 150 m wird aus dem Umbau heraus mit Spezialbohrern und Sonden mit einem festigenden Material gegen auch nur geringste Erdbewegungen stabilisiert. Dieser für alle sehr interessante Teil wurde recht ausgeführt, kann hier aber nur in gebotener Kürze angedeutet werden.
Sehr schnell war der Besuch nach gut 1 ½ Stunden beendet. Schnell raus aus den kalten Stiefeln und wieder zurück in die warmen Winterschuhe. Und dann eiligen Schritts rüber in die warmen Augustiner Klosterstuben. Für alle war der Besuch ein großes Erlebnis!
Reinhard Krohn