Dass die historische Jagd- und Kutschengala von Jahr zu Jahr mehr Besucher anzieht, ließ sich schon am Parkchaos im Umkreis des Schleißheimer Schlosses ablesen. Autofahrer hatten den ganzen Nachmittag über Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu finden und selbst die Fahrräder wurden schon weit vor dem Eingang in den Schlosspark unter Bäumen, an Zäunen und am Wegesrand abgestellt.
Es war aber auch wieder ein herrliches Erlebnis, die „kurfürstliche“ Jagdgesellschaft, gestellt von Mitgliedern und geladenen Gästen des Schleppjagdvereins von Bayern – natürlich alle in korrekter Jagdkleidung beziehungsweise im Stil der damaligen Zeit gewandet –, hoch zu Ross mit ihrer Meute zwischen barockem Schloss und Lustheim hin und her jagen zu sehen. Die Schleppjagd verlief in diesem Jahr unfallfrei, Gott sei’s gedankt – oder lag es daran, dass die Jagdgesellschaft heuer von zwei Vertretern der berittenen Polizei begleitet wurde?
Die eifrige Foxhoundmeute zeigte sich von ihrer besten Seite, sie war spurtreu und superschnell, so dass die Jagd schon nach knapp einer Stunde zu Ende war – und das obwohl sich die Meute bei Lustheim noch einen kleinen Abstecher in die kurfürstlichen Gewässer gönnte! Den Pansen, den die Meute nach getaner Arbeit zur Belohnung bekam, ließen sich die munteren Hunde jedenfalls sichtlich schmecken. Sie waren auch nach einer Stunde Hetze noch wieselfit und kämpften wie wild um ein gutes Stück Fleisch. Nicht vergessen wollen wir die Jagdhornbläsergruppen „Anjagd“ und „Bien-Aller de Baviere“, die den Jagdverlauf stilgerecht mit den Signalen ihrer Parforcehörner begleiteten.
Oldtimer kenntnisreich vorgestellt
Viele Besucher ließen sich auch die Vorführung der 27 historischen Kutschen direkt vor dem Schloss nicht entgehen, wurden sie doch wie im vergangenen Jahr ungemein kenntnisreich und unterhaltsam von Annette Metzger und Toni Bauer kommentiert, so dass auch unbedarfte Zuschauer einen guten Einblick bekamen in diese traditionsreiche Welt, die viele Begeisterte für teures Geld mit großem persönlichem Engagement erhalten. Schließlich muss bei einem perfekten Gespann nicht nur der Gesamteindruck stimmen, sondern jedes noch so kleine Detail – von den Pferden, deren Anspannung und Geschirr über die Kutsche selbst bis hin zu den Kutschern (am besten mit Dornstockpeitsche in der Hand) und den Herrschaften, die darin kutschiert werden und die natürlich auch im Stil der Zeit gekleidet sein müssen. Und wehe, da glänzt eine moderne, nachgebaute Kutschenlampe (igitt! Eigentlich sollte sie im Original sein!) all zu sehr nach billigem Blech! Oder es lüftet ein Kutschbediensteter gar, wenn er vor den beiden Kommentatoren und den Besuchern hält, seinen Zylinder. Welch ein Fauxpas! In der „guten, alten Zeit“ durfte ein Bediensteter niemals seine Kopfbedeckung abnehmen. Das stand ihm nicht an! Apropos Kopfbedeckung: Ein grauer Zylinder beim Kutscher, das konnte man an diesem Nachmittag lernen, zeigt an, dass er der stolze Besitzer der Chaisen, des Vis-à-vis, des Gig, der Mylord- oder Viktoria-Kutsche ist. Und bei einem Haarzylinder mit goldenen Hutbändern wusste jeder gleich, dass der Kutscher aus einem Herrschaftshaus kam.
Kutschen für Adel und Bürger, für Reisen und die Fahrt zur Oper
An Kutschen waren heuer beispielsweise zu sehen: ein österreichisches Gäuwagerl, gezogen von einem „toll durchgezüchteten“ falbenfarbenen, südamerikanischen Gangpferd, das seinen außergewöhnlichen, kurzen Staccatogang in einer Extrarunde präsentieren durfte; ein Original-Landauer-Coupé aus dem Jahr 1850, bei dem sogar der Originallack erhalten ist; die berittene Kavallerie auf einem drei Jahre lang restaurierten ungarischen Jagdwagen von etwa 1930; ein norddeutscher Jagdwagen ohne Bremsen (bei der Tiefebene waren sie nicht nötig), aber in englischer Stadtanspannung (städtisch, weil das Geschirr glänzte); eine zusammenklappbare Gettdorf-Kutsche mit „alten, wertigen Lampen“, wie sie noch bis in die 1950er-Jahre hinein in Schleswig-Holstein gefahren wurde; ein Stadtcoupé aus Paris mit gebogenen Vorderscheiben und Pferd samt Hofgeschirr, in dem sich die Dame von Welt zur Oper fahren ließ; etliche filigrane (weil aus Hickoryholz gefertigt), amerikanische Einspänner oder Buggys, die buchstäblich dem Film „Vom Winde verweht“ entnommen zu sein schienen.
Weitere Höhepunkte
Beim Schwärmen über die tollen Kutschen aus vergangenen Zeiten wollen wir nicht vergessen, dass es noch viele andere Höhepunkte an diesem vom Bayerische Reit- und Fahrverband sowie dem Verein Fahrkultur und -sport im Pfaffenwinkel organisierten Tag gab: Reiterinnen im Damensattel, die nicht nur eine Champagner-Challenge zu bewältigen hatten, sondern auch einen Parcours absolvierten, ehe eine Kommission den Gesamteindruck und das reiterische Können der Damen bewertete. Auch die historische bayerische Kavallerie, vertreten mit originalgetreu uniformierten Grenadiers à cheval, Chevaulegers sowie Ulanen, musste in Reitvorführungen zeigen, was Pferd und Reiter früher zu leisten vermochten. Eine kavalleristische Fachkommission bewertete dabei historische Gesamtdarstellung, Beherrschung des Waffenreitens sowie reiterliches Können. Dazu gab es Reitergruppen auf ihren im barocken Typ stehenden Pferden und die Gala der „Wilden Mähnen“ führt eine Schaugruppe aus dem Allgäu auf ihren mächtigen Friesen vor.
P.S.: So kurz vor der Bundestags- und der bayerischen Landtagswahl ließen es sich auch einige Politiker nicht nehmen, bei der Veranstaltung „vorbeizuschaun“. So richtete beispielsweise der FDP-Politiker Wolfgang Heubisch, seines Zeichens bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, ein Grußwort an die Gäste – Kommentatorin Annette Metzger war, auf der Suche nach Heubischs Verbindung zum Fahrsport im Vorfeld immerhin darauf gestoßen, dass dessen Onkel, der Bildhauer Elmar Dietz, nach dem Zweiten Weltkrieg die Quadriga auf dem Siegestor wiederherstellt hat (wobei die Bavaria allerdings vier Löwen vorgespannt hat). Und auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer ließ es sich nicht nehmen, in einer Kutsche mit Oberschleißheims SPD-Bürgermeisterin Elisabeth Ziegler und Sepp Steigenberger (überparteiliche Freie Wählergruppe), Bürgermeister von Bernried („dem Lieblingsbürgermeister der Traditionsfahrer“ weil sich in Bernried „Pferd, Mensch und Zuschauer wohl fühlen“, so die Kommentatorin), mitzufahren.