Am vergangenen Samstag gaben, nach fünf Jahren (Corona-)Pause im Pfarrsaal von St. Agnes der Bass Nikolai Galkin und Uli Hermann am Klavier wieder einmal unter dem Motto „Harmonie der Kulturen“ ein wunderbares, vielfach beklatschtes Konzert vor voll besetztem Pfarrsaale von St. Agnes. Die beiden Profis gaben an diesem Abend zudem für ein paar ihrer Schüler die Bühne frei, damit sie Auftrittserfahrungen sammeln konnten.
In welch schlimmen Zeiten wir gerade leben, lässt sich schon daran ablesen, dass Künstler sich dafür entschuldigen, dass sie weiterhin die Musik machen, die ihnen gefällt, Musik von russischen Komponisten wie Rimski-Korsakow, Tschaikowski oder dem heute, zumindest im Westen, wenig bekannten Tichon Nikolajewitsch Chrennikow. „Wir trotzen Diktatoren und Idioten“, so Galkin. Denn: Was haben diese Komponisten, was haben ihre grandiosen Werke mit dem gegenwärtigen Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu tun?
Wo Liebe ist, ist auch viel Herzschmerz … und Eifersucht
So erklangen an diesem Spätnachmittag viele russische Volks- und Kunstlieder, die, selbst wenn sie von Liebe sprachen, oft ein wenig schwermütig, ja verzweifelt klangen, nach dem Motto „sie könnte mich ja verlassen, die Liebe könnte erkalten …“ Und wo noch Liebe ist, da schaut gleich Eifersucht um die Ecke, die Sergei Rachmaninow in seiner ersten Oper „Aleko“, noch während des Studiums komponiert, musikalisch ebenso einfing wie Louis Ferrari Jahrzehnte später. Dann allerdings in Frankreich, in „Domino“. Auch dieses Stück erfreute die Zuhörer.
Alles in allem hatten die beiden Künstler Stücke voller emotionaler Ausdruckskraft ausgewählt wie das „Lied des Betrunkenen“, zu dem sich Chrennikow Tichon von Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ inspirieren ließ und wo ein liebestrunkener Mann streckenweise nur noch „Lalalala“ zu lallen vermag und Bass Galkin der tiefste mögliche Ton abverlangt wird, den er zu schaffen vermag: Kontra-b.
An anderer Stelle wurden die Zuhörer mit Glöckchen gedanklich auf Kutschenfahrt geschickt, hinaus in die Weite der verschneiten russischen Landschaft. Eine Lerche erhob sich musikalisch in die (Klavier-)Lüfte, als Nikolai Galkin das wunderbare Kunstlied „Die Lerche“ interpretierte, in dem Michail Glinka, ein Zeitgenosse von Franz Schubert und Robert Schumann, die Klänge der Natur eingewoben hat.
Lustige Akzente setzten Mozart, Lortzing und Millöcker
Da die beiden Interpreten wechselweise die Werke ein wenig musikalisch einordneten und den Inhalt referierten, konnten die Zuhörer sich trotz russischer Vortragsweise gut hineinversetzen in die jeweilige musikalische Stimmung und etwa das Anbranden der Wellen ans steinige Ufer in Rimski-Korsakows Oper „Sadko“ vernehmen.
Heitere Akzente setzten die Interpreten mit einem Stück aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ und mit der Arie „Fünftausend Taler“ aus Albert Lortzings „Wildschütz“, in der ein Schulmeister allen Ernstes überlegt, ob er auf das Angebot eines Barons, der ihm seine junge Braut für 5.000 Taler abkaufen will, eingehen soll. 5.000 Taler sind einfach „zu viel Moos, ich schlag sie los.“ Und die Operette „Der Bettelstudent“ von Carl Millöcker wirkt angesichts des spanischen Kuss-Skandals im August so gar nicht angestaubt, wobei hier der Protagonist die Dame doch „nur auf die Schulter geküsst“ hat und dafür gleich einen Patsch mit dem Fächer ins Gesicht bekam.
Der Nachwuchs nutzte seine Chance
Es gaben an diesem Spätnachmittag aber nicht nur die Profis den Ton an. Sowohl Galkin wie Hermann haben gerade in der Corona-Zeit, als alle Konzerte und Auftritte zwangsweise untersagt waren, viel unterrichtet. Nicht zum Schaden der nachfolgenden Generation, wie Johanna Walter und Romy Haslinger belegten, beides Schülerinnen von Hermann, die seit zehn Jahren Klavier spielen und aus Tschaikowskys „Die Jahreszeiten“ den „November“ bzw. ein wunderbares spätromantisches Klanggewebe von Debussy, geschrieben in Bergamo, fehlerfrei interpretierten. Ihr Lehrer war sehr zufrieden, das Publikum klatschte begeistert, wie auch bei Nikolai Galkins Tochter Vera, die tatsächlich, wahrlich eine Ausnahme, seit drei Jahren von ihrem Vater unterrichtet wird. Ebenfalls mit viel Erfolg! Sie sang eine Arie von Pergolesi und aus Puccinis Gianni Schicchi das bekannte „O mio babbino caro“