Bei der Jahresversammlung des Feldmochinger Eigenheimervereins am Mittwoch, den 22. November stand der Frust über die wiederbelebte SEM im Mittelpunkt. Um Aktionen gegen die massive Verdichtung des Viertels besser zu koordinieren, arbeitet der Verein mit anderen Bürgerinitiativen im Bündnis München Nord zusammen.
Das Bündnis will die Dimension dieser SEM verdeutlichen: 900 ha, eine Fläche fast dreimal so groß wie der Englische Garten, zieht die Stadt für die Bebauung in Betracht. Mit einer Radtour durch das gesamte Gebiet und anschließender Kundgebung etwa will der Verein der Politik deutlich machen, dass ihr Vorhaben bei den Bewohnern nicht auf Gegenliebe stößt. Schilder an den Straßen und Wegen sollen die Dimension markieren. Die Aktionsgemeinschaft, zu der auch Fasanerie aktiv, der Bürgerverein Lerchenau und weitere Bürgerinitiativen gehören, trifft sich im 14-tägigen Turnus. Neue Veranstaltung werden bald bekanntgegeben, Flyer verteilt.
Ein Ziel des Bündnisses: Die Stadt soll die ökologischen und landwirtschaftlichen Gutachten zur SEM ernst nehmen. Aus ökologischer Sicht eignen sich nur 5 % der Fläche für eine Bebauung. Kritische kühlende Frischluftschneisen würden sonst zugebaut. Zudem gefährde die SEM die Existenzen der regionalen landwirtschaftlichen Betriebe. München ist bereits die mit Abstand am dichtesten besiedelte Stadt Deutschlands. Sollte die SEM kommen, hätte Feldmoching mehr Einwohner als Regensburg.
Spekulationswahnsinn und vergeigte Fernwärme
Die bisherigen Baumaßnahmen im Münchner Norden können eine Vorwarnung sein, dass die SEM das Ziel, günstigen und klimafreundlichen Wohnraum zu schaffen, verfehlen wird. Beispiel: Die Spekulation mit dem Areal Rahein-/Ratoldstr. Die rund 10 ha große Brache entlang der Bahntrasse erwarb die CA Immo für 2 € / qm. Damals verfügte das 1,3 km lange Grundstück über kein Baurecht. Seit 2016 „entwickelte“ die Firma in Kooperation mit der Stadt München einen Bebauungsplan: 950 Wohnungen für 2.000 Menschen sollen entstehen. Anfang Dezember 2022 erteilte der Stadtrat das Baurecht. Zwei Wochen später verkaufte die CA Immo das Grundstück samt Baurecht an die Empira Group – für satte 4.000 € / qm. Gewinn: ca. 350.000.000 €. Damit sich der Kauf für die Empira Group mit Sitz in der Schweiz lohnt, werden die Wohnungspreise entsprechend hoch sein.
Beispiel 2: das Quartier Hochmuttingerstr. Obwohl hier überdimensionale, nah aneinander gereihte Wohnblocks aus dem ehemals fruchtbaren Boden schießen, bleiben die Preise oben: rund 10.000 € pro qm. Die Stadt hat die Fernwärmeanschlüsse versäumt. Aktuell werden die Wohnblocks mit einem mobilen Öltank in einem Container beheizt. Auch die Einfamilienhäuser in der Nachbarschaft warten auf die versprochene Fernwärme. Erst 2025 soll der Anschluss über die Dülferstr. und Schleißheimerstr. erfolgen. Die frisch Straßen müssen dann wieder aufgerissen werden.
Neues Heizgesetz kommt 2024
Abgerundet wurde die Jahresversammlung durch einen Vortrag von Thomas Bugert, Energieberater bei der Verbraucherzentrale. Er erläuterte das im September verabschiedete Gebäudeenergiegesetz. Die Presse habe im Vorhinein viele Falschinformationen verbreitet, die er nun klar zu stellen versuche.
Die drängende Frage allen voran: Wie lange darf ich meine Heizung behalten? Wenn sie noch funktioniert oder sich reparieren lässt, sei kein Tausch notwendig. Nur Konstanttemperaturkessel, welche heutzutage nur die Wenigsten noch besitzen, müssten jetzt raus. Fossile Heizungen, die mehr als 30 Jahre alt sind und somit am Ende ihrer Lebenszeit gelangen, sollten unter Umständen ebenfalls ausgetauscht werden.
Jede neu eingebaute Heizung muss ab 2024 mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien laufen. Erst 2044 kommt das komplette Verbot für fossile Heizungen, weil Deutschland sich als Ziel gesetzt hat, bis 2045 klimaneutral zu sein.
Für Bestandshäuser und Neubauten nicht in reinen Neubaugebieten gelten jedoch lange Übergangsfristen. Vorerst seien selbst neue Ölheizungen erlaubt, solange die kommunale Wärmeplanung noch nicht vorliegt. Fernwärme lohne sich jedoch nur in Städten, da die Leitungen viel kosten. Sie eigne sich gut für reine Neubaugebiete, Hotels und Bäder – überall, wo sowieso gebaggert wird.
Bugert ist sich sicher, dass die Wärmepumpe dominieren wird, auch bei Mehrfamilienhäusern. Wärmepumpen existieren schon seit 100 Jahren, wurden jedoch bis zur Klimakrise und den aktuellen Preissteigerungen als unwirtschaftlich eingeschätzt. Jetzt, mit den hohen Öl- und Gaspreisen, sieht es anders aus: Über 20 Jahre bringe eine Ölheizung für ein durchschnittliches Einfamilienhaus im Vergleich zur Wärmepumpe ca. 11.600 € an Mehrkosten mit sich.
Auch die Reparatur- und Wartungskosten seien bei der Wärmepumpe niedriger als bei Öl- und Gasheizungen. Heutzutage seien die meisten Wärmepumpen mit dem Internet vernetzt und werden per Fernwartung überwacht. Sollte etwas nicht in Ordnung sein, schickt die Monitoringfirma einen Techniker vorbei. Bei der regulären Wartung überprüft er, ob die Pumpe sauber und unbeschädigt ist. Mit 35 Dezibel seien die modernsten Wärmepumpen mittlerweile auch so leise, dass das bayerische Bauministerium die vorgegebenen Abstände zu den Nachbarhäusern verringert hat.
Flächenheizungen eignen sich ideal für die Wärmepumpe. Doch auch andere Heizkörper können mit ihr funktionieren. Um zuhause selbst prüfen zu können, ob sich Ihre Heizkörper für eine Wärmepumpe eignen, empfiehlt Bugert einen Test: Schalten Sie die Vorlauftemperatur runter. Wird der Raum nicht kalt, lassen sich Ihre Heizkörper mit der Pumpe kombinieren. Zu einem Eigenanteil in Höhe von 30 € stehen die Energieberater der Verbraucherzentrale Bürgern zur Beratung zur Verfügung.