Auch der Stofferlhof ist mit einer viele Jahrhunderte, ja bis in das Spätmittelalter zurückreichenden Bauern-, Orts- und Landeskultur in Feldmoching verbunden. Zeit, sich mit der nachweislich rund 590 Jahre zurückreichenden Hofgeschichte des Stofferlhofes etwas näher zu beschäftigen – solange die Hofstelle noch steht und von der Straße her an- und einsehbar ist.
Gerade im Feldmochinger Jubiläumsjahr 2011 ist es sinnvoll, den Blick auf einige noch erhaltene, alte Hofstellen zu richten und diese im Kontext „1.200 Jahre Feldmoching“ zu würdigen. Wenn eines Tages auch die letzten Bauern ihre landwirtschaftlichen Betriebe aufgegeben haben oder aber vom wachsenden Siedlungsdruck verdrängt werden sollten, was hoffentlich nicht eintritt, dann würde Feldmoching nicht mehr das sein, was es einstmals war und, Gott sei’s gedankt, heute noch ist.
Es würde wie einige andere einst nach München eingemeindete Orte und heutige Stadtteile in einer wachsenden, anonymen Urbanität versinken und sein charakteristisches Gesicht verlieren, seine vielfältigen Vereins- und Kirchenstrukturen sowie -aktivitäten zumindest spürbar einbüßen und schließlich auch sein ländliches Umfeld mit den grünen und bunten Feldern, den frischen Fließgewässern, Seen und Grünflächen. All dies wäre gefährdet oder unwiederbringlich verloren. Wer sich also gelegentlich mal in der Feldmark über einen Staub aufwirbelnden Bulldog aufregt und den Acker zwischen den Zähnen spürt, der sollte immer auch daran denken und das bisschen Staub und sonstige kleinere Unbilden tolerieren!
Die Quellen reichen zurück bis in das Jahr 1419
Auch den weiten historischen Rückgriff beim Stofferlhof verdanken wir den Nachforschungen des verstorbenen Heimatforschers Georg Mooseder, der alte Kataster und weitere Quellen und Aufzeichnungen aufspürte und gründlich studierte. Seien wir ihm auch heute für seine Hinterlassenschaften dankbar.
Der Hofname „Stofferlhof“ (Stoffel) geht den Überlieferungen nach auf Christoph Schuester zurück, der den Achtelhof, das Gütl oder auch Sölde genannt (das war ein Kleinbauer beziehungsweise ein Kleinhäusler), im Jahr 1640 erwarb. Stoffel war die Kurzform von Christoffel, der Koseform von Christoph(orus).
Die erste Aufzeichnung im Besitz des Gütls beginnt allerdings schon im frühen 1419 mit dem Namen Erhard Kolbeckh. Mit Zustimmung des grundherrlichen Klosters Anger, zu dem das Gütl in Feldmoching in erster Hofstatt gehörte, wurde es im Jahre 1422 hier an einen Pfarrer namens Conrad zu dessen Nutzung übergeben.
Wenn wir hier in den Aufzeichnungen für das Gütl und späteren Stofferlhof erstaunt auf das Jahr 1419 und damit ins Spätmittelalter zurückschauen, dann sollten wir uns vor Augen führen, dass erst 73 Jahre später Amerika entdeckt wird und Martin Luther gar erst 98 Jahre später seine Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg nageln und damit die Reformation in der römisch-christlichen Kirche Deutschlands und Europas einleiten wird.
Die damaligen Bayern mussten sich sowohl auf dem Lande wie auch in den Städten um ihr tägliches Leben sorgen, derweil die fürstlichen Obrigkeiten sich um ihre Erbpfründe heftigst stritten und sogar zu den Waffen griffen. So kämpften von 1420 bis 1422 im recht verworrenen „Großen Krieg in Bayern“, auch „Der Große Krieg der Herren“ genannt, die Wittelsbacher Ludwig VII. von Bayern, späterer Herzog von Bayern-Ingolstadt (genannt der „Bärtige“ oder der „Gebartete“), und sein Rivale Heinrich XVI. von Bayern-Landshut um ihre Ansprüche aus dem Teilungsvertrag von 1392, der 1422 im Frieden zu Regensburg beigelegt werden konnte.
Kurzer Rückblick auf die lange Geschichte des Angerklosters
Den Überlieferungen folgend ließen sich bereits 1221 in München Franziskaner bei der „alten Kapelle des hl. Jakobus in prato“ (im Anger) nieder. Damit gilt es als das älteste Kloster Münchens und war neben der Raststätte für Pilger auf ihrem Weg zum Jakobusheiligtum in Santiago de Compostela ein Ort geistiger Stärkung. Die Franziskaner wurden schon bald, nämlich 1284, von ihrem weiblichen Pendant, den Klarissen, abgelöst. Töchter führender Münchner und bayrischer Familien traten in das Angerkloster ein. Erst mit der Säkularisation wurde es im Jahr 1803 aufgelöst. 1843 reaktivierte Theresia Gerhardinger mit ihrem „Orden der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau“ die Einrichtungen, die sie von König Ludwig I. erhalten hatte. Noch heute dient die nach ihrer Zerstörung im 2.Weltkrieg wieder aufgebaute Kirche St. Jakob am Anger (Jakobskirche) im Angerviertel den „Armen Schulschwestern“ als Kloster- und Institutionskirche.
Als rechtliche Grundherrin der Sölde in Feldmoching erhielt das Angerkloster von dort eine jährliche Grundsteuer („Stift und Gütl“), in der Regel in Geldform gezahlt und dazu einen „Küchendienst“ an Hühnern, Eiern und weiterem). Christoph Schuester musste den Aufzeichnungen folgend erst neun Jahre nach der Übernahme seines Gütls, also 1649, an das Kloster Anger „3 Pfg. Gütl und 4 kr. Stift“ bezahlen.
Denn der arme Schuester hatte das Gütl in der schweren Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) übernommen und bewirtschaften müssen. Im Eintrag (von Mooseder zitiert) heißt es unter der Jahreszahl 1671:
„Christoph Schuester sitzt auf einer Sölde hinter dem Kloster Anger, hat die Gerechtigkeit von einem Jahr zum anderen, vor 30 Jahren nach der Feindzeit öd angetan und aufgezimmert, keinen Anfall bezahlt. Viehbestand: 2 Pferde, 1 Saugfill, 3 Kühe, 2 abgenommene Kälber“.
In der Tat blieb auch Feldmoching nicht von den verheerenden Kriegsfolgen verschont. Hungersnöte, Brandschatzungen und Plünderungen von durchziehenden Kriegerhorden, Seuchen und weitere Pressionen forderten von den verarmten Menschen einen hohen Tribut. Abgaben an die Obrigkeiten waren kaum möglich und wurden nur teilweise unter Androhung harter Repressionen eingetrieben – nicht so beim Schuester durch das Kloster Anger! Aus den Zeiten des 15. bis 17. Jahrhunderts sind darüber hinaus besonders folgenschwere Wetterkapriolen überliefert. Die ohnehin mageren Ernten wurden dadurch vernichtet oder Opfer von Pflanzenkrankheiten und -schädlichen. Hinzu kamen große Wildschäden.
Die Verbindungen zum Angerkloster währten bis zum Zweiten Weltkrieg
Christoph Schuester und seine Frau Maria übergaben den Hof im Jahre 1672 an ihren Sohn Peter Schuester und dessen Ehefrau Barbara, die das Anwesen noch weitere 16 Jahre bewirtschafteten.
Nach 48 Jahren in Händen der Schuesters wechselte die Sölde dann durch Verkauf für 330 fl. an einen Mathias Kopp und dessen Ehefrau Anna. Dieser verstarb aber bald und seine Witwe verheiratete sich 1693 mit Ulrich Köbl. Beide erhielten die Sölde gegen 20 fl. und 1 fl. 30 kr. im Leiykauf (wie es heißt) zu Leibrecht.
Nach dem Tod des Ulrich Köbl übergab dessen Witwe Anna 1725 die Sölde an ihren Sohn aus erster Ehe, Hans Kopp, und dessen Ehefrau Ursula, die nun für sich ein Leibrecht für 25 fl., 1 fl. 30 kr. im Leykauf erwarben. Die Ehe blieb kinderlos.
Nach einigen wenig durchschaubaren Familiengeschichten, die auf Ulrich Köbl folgten, wechselte der Besitz der Sölde im Jahr 1773 an Benedikt Held und dessen Eheweib Ursula für 22 fl. und 1 fl. 30 kr. gegen das Leibgeding des Klosters. Nach 23 Jahren der Bewirtschaftung übergab das Ehepaar Held die Sölde an Tochter Anna und deren künftigen Ehemann Joseph Kellerer für 150 fl. an die Grundherrschaft. Joseph Kellerer erwarb 1805 1/8 von einem Blümelhof in Ludwigsfeld, worüber allerdings in den verfügbaren Unterlagen nichts Näheres geschrieben steht. Der Besitz des Joseph Kellerer ist im Jahr 1812 aufgeführt mit: Leerhaus 1,15 Tgw., Blümelhäuselzubau (zur Pfarrei Feldmoching erbrechtig) 24,16 Tgw., Gemeindetheile 17,5 Tgw., im Allacher Wald 0,95 Tgw.
In den 30 Jahren von 1830 bis 1860 bewirtschafteten die „Stofferl“-Sölde zuerst Anna und Joseph Meisinger und ab 1851 Simon und Magdalena Ziegltrum.
1860 kauften Jakob und Katharina Heindl (geb. Hartl) die Sölde für 4100 fl. Damit waren auch sie in der Zeit der Bauernbefreiungen von der Grundherrschaft des Klosters Anger frei. Die Verbindungen zum Kloster hielten jedoch noch lange an. Feldmochinger berichten, dass noch während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg vom Angerkloster Schwestern nach Feldmoching kamen, um hier auf den abgeernteten Feldern Kartoffeln zu stoppeln oder sie zu kaufen.
1862 wurde der Besitz in Feldmoching Nr. 98 (schlicht „Stoffel“ genannt) wie folgt „bemessen“: Wohnhaus mit Stallung, Stadl mit Wagenschupfen, Holzhütte, Torfhütte, Brunnen und Grasgarten, Fläche 40,64 Tgw.
Die Tochter der Heindls, Katharina Heindl, heiratete 1880 den Gütlerssohn Lorenz Rieger, der 1930 verstarb. 1891 ist der Neubau eines Stadl vermerkt und 1894 wird die Fläche des Hofs mit 52,10 Tgw. ausgewiesen. Mit diesem letzten Eintrag und zugleich dem Anfang der Familie Rieger auf dem Stofferlhof enden die Aufzeichnungen Georg Mooseders.
Die letzten 100 Jahre des Stofferlhofs
Lorenz Rieger war der Großvater des letzten Bauern vom Stofferlhof, Josef Rieger. Dessen Vater, Georg Letter, bewirtschaftete damals eine kleine, an der Herbergstr. gelegene Hofstelle mit dem Hausnamen Kurz. Seine Mutter Maria Rieger verstarb am 4. November 1976. Die unverheiratete Maria Rieger hatte drei Kinder, nämlich die zwei Söhne Georg Rieger (*13.11.1911, +10.1.1991) und eben Josef Rieger (*31.1.1919, + 6.10.2007) sowie eine Tochter Magdalena, genannt Lene (*17.9.1920, + 18.1.1996). Alle drei Rieger-Kinder blieben unverheiratet. Josef Rieger hatte allerdings einen unehelichen Sohn.
Josef Rieger, auch Sepp oder Stoffel genannt, hatte im Zweiten Weltkrieg in seiner Wehrmachtseinheit um Stalingrad gekämpft. Er geriet in russische Gefangenschaft und kehrte nach vier schweren Jahren als Spätheimkehrer nach Feldmoching zurück. Er bewirtschaftete seinen Hof im Rahmen seiner Möglichkeiten in Bescheidenheit mit Fleiß und Umsicht, auch mit Unterstützung seiner Schwester Lene, bis er im höheren Alter auf Fremdhilfe von Berufskollegen angewiesen wurde. Auch gehörte Sepp Rieger zu den letzten Bauern in Feldmoching, die Milchkühe hielten, der allerletzte von ihnen war Martin Theimer vom Könighof.
Wann das so markant ausschauende Wohn- und Wirtschaftshaus vom Stofferlhof mit den wunderbaren Fensterscheiben gebaut wurde, ist nicht genau zu ermitteln. Ältere Feldmochinger Zeitzeugen erinnern sich aus Überlieferungen, dass das Stofferlhaus in etwa zur selben Zeit neu gebaut wurde wie das Haus des Heitzmannhofs. Das wäre also das Jahr 1902. Der Neubau fiel somit in die Zeit des Lorenz Rieger. Architekt und Bauunternehmer sollen bei beiden Gebäuden dieselben gewesen sein. Darum war vermutlich ihre deutliche Ähnlichkeit nicht zu übersehen.
Ein herzliches Vergelt`s Gott all denjenigen, die mit ihren Erinnerungen bei diesem Beitrag hilfreich waren.