Ehe die Bürger in vier Arbeitsgruppen ihre Wünsche und Anregungen, aber auch ihre Befürchtungen einbrachten, referierte Thomas Rehn, leitender Baudirektor im Referat für Stadtplanung und Bauordnung, über den derzeitigen Urbanisierungsprozess im Münchner Norden, ausgelöst durch die Aufgabe von Gewerbegebieten, Kasernen und Bahnarealen. Bei der FIZ-Erweiterung gen Norden hält Rehn nicht die Bebauung, sondern den Verkehr für das „Riesenthema“. Wesentlich seien dabei die Nordanbindung der Schleißheimer Str. sowie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Nur so werde der Verkehr zu bewältigen sein, von „flüssigmachen“ gar nicht zu reden.
Damit bei der massiven Bebauung des neuen FIZ-Areals „keine harten Kanten“ zur angrenzenden Wohnbebauung entstehen, wollen sich die Stadtplaner auch die „Ausbildung der Fugen“ ansehen, im Fachchinesisch Verflechtungsbereiche genannt. Das heiße aber nicht, beruhigte Rehn aufgeregte Anwohner, dass die Siedlungen im Umfeld potentielle Erweiterungsbereiche seien, die es für eine gewerbliche Nutzung zu überplanen gelte.
Keine Erpressung, aber: Wachstum nur mit mehr Raum
Markus Baumgartner, bei BMW seit Februar zuständiger Projektleiter für die FIZ-Erweiterung, erklärte, dass trotz aller Globalisierung das FIZ das Herz von BMW bleiben werde. Er erläuterte, dass der Ausbau notwendig sei, um Absatzvolumen wie Modellvielfalt weiter zu steigern und um die Dienstleister, die um BMW herum angesiedelt sind, besser anzubinden zur Verkürzung der Wege. Der promovierte Volkswirtschaftler betonte, es gebe „keine Pläne, keine Drohung und keine Erpressung“ seitens BMW, den Münchner Standort zu verlassen. Aber wie stark man hier wachse und ob 15.000 neue Jobs hinzukämen, das, so Baumgartner unmissverständlich, hänge von den Rahmenbedingungen am Standort ab.
Damit das erweiterte FIZ künftig kein hermetischer Riegel ist, soll das Sicherungskonzept, so versprach Baumgartner, verändert und das FIZ als „Campus“ begriffen werden, der in vielen Bereichen durchlässig ist. So soll es auf Höhe der „Panzerbrücke“ eine „Durchwegung“ für Fußgänger und Radler geben. Im Bereich des Gymnasiums soll es auch gemischt genutzte Infrastruktur geben, etwa Ärzte, einen Schreibwarenladen, Frisör, Einkaufsgeschäft sowie Büros.
Der Verkehr war das wichtigste Thema
Anschließend ging’s für zwei Stunden ab in vier Arbeitsgruppen, wobei der „Verkehr“ auf das größte Interesse stieß. Zudem gab es die Arbeitskreise „Nutzung & Kooperationen“, „Städtebau / Identität / Nachbarschaft“ sowie „Grün & Ökologie“. Auch diese Arbeitskreise wurden von externen Moderatoren gut geführt und waren mit Experten aus der Stadtplanung sowie von BMW besetzt.
Beim „Verkehr“ ging es zunächst um das für Anwohner ärgste Problem: den Parkplatzdruck. Da es bereits heute zu wenige Parkplätze am Werksgelände gebe, befürchten sie nach der Erweiterung ein Parkchaos. BMW hat hier eine komplett andere Wahrnehmung. Danach gibt es „in der Summe“ genügend Parkplätze, auch für externe Dienstleister, Leiharbeiter, Praktikanten etc. Die Stadt will hier nach eigenem Bekunden Entlastungskonzepte entwickeln, um mit „Parkraumbewirtschaftung“ das Problem in Griff zu bekommen.
Wie dem Schleichverkehr zu begegnen ist
Auch der Schleichverkehr im FIZ-Umfeld belastet die Anwohner. Die Teilnehmer regten an, Parksatelliten
entlang der A99 zu errichten, um BMWler, Gymnasiasten sowie andere Pendler mit einem guten, schnellen und eventuell sogar führerlosen Dauershuttle – der nicht im Stau stehe – zu den Arbeitsplätzen zu bringen. Weitere Anregung: die geplante Tramverbindung zwischen U6 (Kieferngarten) und U2 (Am Hart) sollte nicht bei der U-Bahnstation enden, sondern im Werksgelände wenden. Überhaupt sprachen sich viele gegen eine Tram und für eine U-Bahn aus. Diese sei schneller und zukunftsträchtiger und außerdem wolle man den Fahrradweg, so wie er jetzt sei, erhalten wissen.
Ein weiterer Vorschlag: Die Hufeland- und die Maria-Probst-Str. sollten im Kreuzungsbereich mit der Ingolstädter Str. ausgebaut werden, damit man direkt gen Norden abbiegen könne. Georg Dunkel vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung versprach, diese Idee, die schon bei der letzten FIZ-Erweiterung angedacht war, aufzugreifen. Überhaupt regten viele Teilnehmer an, ein komplett neues Mobilitätssystem zu entwickeln, bei dem nicht die Finanzierung, sondern die Perspektive, die dieses der Stadt eröffnete, im Mittelpunkt stehe.
Weiter: Da viele BMWler in Dachau oder Karlsfeld wohnten, müsse es eine bessere Querverbindung geben. Ob ein Bus, der alle 20 Minuten gen Feldmoching zuckelt, auf dass die Fahrgäste dort in die U-Bahn umsteigen könnten, wie es die MVG derzeit mit dem 172er-Stadtbus plant, wirklich attraktiv ist, bezweifelten die Teilnehmer. Ihr Vorschlag: ein direkter Expressbus. Andere Ideen: eine Taktverdichtung bei der S1, Halt der Regionalzüge wieder in Feldmoching, Nutzung des DB Nordrings (laut Georg Dunkel gab es dazu vor zehn Jahren schon einmal eine Machbarkeitsstudie), Aufbau einer Stadtumlandbahn mit den Umlandkommunen.
Anbindung der Schleißheimer Str. an die A99: Kein Allheilmittel
Natürlich wurde auch die mögliche Verlängerung der Schleißheimer Str. hin zur A99 diskutiert. Das sei kein Allheilmittel, betonten Referatsvertreter, und reiche allein nicht. Überhaupt sei hier noch nichts beschlossen. Vielmehr ließe sich nur mit einem Maßnahmen-Mix der Verkehr bewältigen. Nicht nur, dass ein längerer Tunnel teuer sei, man müsse einen U-Bahnschacht und den Hauptsammler für Abwasser queren – eine technische Herausforderung, deren Machbarkeit nun bis Dezember geklärt sein soll. Von Zu- und Abwegungen etwa zum Mira, die ein Teilnehmer in Spiel brachte, um dem kränkelnden Mira neues Leben einzuhauchen, gar nicht zu reden.
Die Gruppe „Nutzung & Kooperationen“
Hier brachten die Teilnehmer der Gruppendiskussion folgende Wünsche ein: Man möchte gerne Kindertageseinrichtungen, Kantinen, Sportstätten, Restaurants, die Werksbusse und die Nahversorgung zusammen mit den BMW-Mitarbeitern nutzen. Angeregt wurde auch, dass die BMW-Parkhäuser am Wochenende den Anwohnern zur Verfügung gestellt werden sollten. Ferner wünschte man sich auf dem BMW-Areal eine Freifläche für Kinder und Jugendliche mit Springbrunnen oder gar See, Platz etwa zum Bolzen oder für einen Trimm-dich-Pfad. Fazit der Gruppe: „Wir hoffen auf BMW und dass das eine richtig schöne Gegend wird.
Die Gruppe „Freiräume & Rad-/Fußwege
Da viele BMWler aus dem Münchner Norden kommen, regten die Teilnehmer dieser Arbeitsgruppe gute Radwege auch von Ober- und Unterschleißheim aus an, damit es gute Alternativen zum Pendeln per Auto gebe. Ferner soll es N–S- und O–W-Verbindungen durchs FIZ geben und die Schleißheimer Str. soll an mehreren Stellen kreuzungsfrei zu queren sein. In Sachen Grün wünschten sich die Teilnehmer, dass die ursprüngliche Vegetation möglichst erhalten bleibt, dass mehr Rücksicht auf die großen Bäume genommen wird und beim Begrünen heimische Pflanzen bevorzugt werden. Überhaupt soll der Biotopverbund mit dem Virginiadepot gestärkt werden.
Die Gruppe Städtebau & Nachbarschaft
Damit das FIZ kein Ghetto bilde, sollte es gemeinsame Aktivitäten zwischen der Nachbarschaft und den BMWlern geben, lockere Treffen etwa oder die gemeinschaftliche Nutzung eines Schwimmbads und einer Bibliothek; Kinder sollten Praktikas bei BMW machen können. An der U-Bahnstation sollte es ein Kiosk geben, damit die Gegend nicht nach BMW-Dienstschluss völlig verlassen sei. Ferner hielt man einen zweiten Lift von der U-Bahn hoch zur Oberfläche für dringend erforderlich und zur Entlastung der Knorrstr. sollte es mehr Eingänge ins FIZ geben. Überhaupt wünschte man sich eine Aufwertung des U-Bahnhofumfelds und das Sicherheitsgefühl sollte auch nachts erhöht werden. Die Knorrstr. empfanden die Teilnehmer für „schön“, während sie die Schleißheimer Str. als hässlich beurteilten. Sie besitze einen Hinterhofcharakter und sollte daher in ihrem Erscheinungsbild verbessert werden.
Der Fahrplan für die nächsten Monate
Voraussichtlich am 4. Dezember soll ein Eckdatenbeschluss zum Ausbau des FIZ in den Stadtrat eingebracht werden. Anfang 2014 startet die erste Phase des Wettbewerbs. Dazu werden zwölf Büros aus aller Welt eingeladen. Die zweite Phase mit sechs Bewerbern wird von April bis Juli dauern. Im Juli 2014 soll eine Jury, bestehend aus BMW-Mitarbeitern und Vertretern der Stadt, den Gewinner ermitteln. Dieser Entwurf wird dann gewiss weiter überarbeitet – in der zweiten Hälfte 2014 etwa soll er beim zweiten Nachbarschaftsdialog diskutiert werden. Der exakte Masterplan soll bis September stehen, die Umsetzung des Baurechts zwischen 2015 und 2020 erfolgen.