Damals, 1923, herrschte in Bayern nicht nur wirtschaftliche Not. Es war vor allem eine politisch unruhige Zeit.
Auf die sozialdemokratische bayerische Regierung von Eisner und die Münchner Räterepublik reagierten die zahlreichen vaterländischen und nationalistischen Gruppen in Bayern mit einem Ruf nach Ordnung. Antidemokratische Tendenzen verstärkten sich ebenso wie separatistische Fantasien, nicht zuletzt ausgelöst dadurch, dass Reichskanzler Stresemann den passiven Widerstand gegen die Ruhrbesetzung aufgab, weil sie sowieso keinen Erfolg hatte. Nationale Kräfte in Bayern nahmen ihm diesen „Verrat“ übel. Die bayerische Regierung erklärte in der Folge den Ausnahmezustand, setzte die Grundrechte außer Kraft und ernannte Gustav Ritter v. Kahr zum Generalstaatskommissar. Der wollte zusammen mit den Chefs der bayerischen Reichswehr und der bayerischen Polizei, quasi von der „bayerischen Ordnungszelle“ aus, in Berlin eine nationale Diktatur ausrufen.
Mit dabei in dieser Gemengelage war ein Herr Hitler, der die bayerische Regierung zu einem Sturz der Reichsregierung veranlassen wollte. Die passende Gelegenheit bot sich ihm, als am 8. November 1923 v. Kahr im mit rund 3.000 Personen vollbesetzten Münchner Bürgerbräukeller vor Honoratioren der Stadt sowie führenden Anhängern des völkisch gesinnten, antisemitisch eingestellten „Kampfbunds“ und der NSDAP seine Putschpläne vorstellen wollte. Hier nun tritt Eugen Zentz kurz auf die weltpolitische Bühne. Er war Sponsor und Organisator der Veranstaltung, er sprach als Gastgeber die einleitenden Worte.
John Dornberg lässt ihn in seinem Buch zum Hitlerputsch wie folgt auftreten: „Als die Menschenmenge allmählich verstummte, bestieg Eugen Zentz das Podium, um Kahr vorzustellen. ‚Exzellenz’, sagte er behäbig, in starkem bayerischen Dialekt, ‚in schwerster Stunde unseres Vaterlandes, am Jahrestag des größten Verbrechens am deutschen Volk, begrüßen wir Eure Exzellenz in der Mitte eines Kreises treuer deutscher, bayerischer Männer aller Stände. In diesen drei Worten: treu, deutsch und bayerisch, liegt das, was uns hier, so verschieden sonst unsere Anschauungen sein mögen, zusammenführt. Was wir alle in Ihnen, Eurer Exzellenz, verehren. Wir wollen Ihnen sagen, daß wir alle treu zu Ihnen stehen…’“ Da hatte sich Zentz verrechnet, ein paar Minuten später nahm Hitler v. Kahr in „Schutzhaft“ und erklärte die Bayerische Regierung für abgesetzt.
Hitlerputsch: War Eugen Zentz darin involviert?
Wer also war dieser Kommerzienrat Zentz, der noch an diesem Abend, wild gestikulierend, beteuerte, vom Putsch nichts gewusst zu haben? Der ein paar Tage später in einer Erklärung unter anderen in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ (No. 312 v. 17.11.1923) sich heftig gegen die Behauptung wehrte, er habe v. Kahr, „unter dem Vorgeben, eine Vertrauenskundgebung für ihn zu veranstalten, in eine Falle gelockt und damit ihn und seine Mitarbeiter in die Gewalt Hitlers gespielt.“ Vielmehr habe er nur die Vorstände der Spitzenverbände, der Erwerbsstände Bayerns und der vaterländischen Vereinigungen zu einer Besprechung am 5. November geladen. Und: „Der Kampfbund war bei dieser Besprechung durch Herrn Oberstleutnant Kriebel vertreten.“ Das klingt harmlos. Doch: Hermann Karl Theodor Kriebel war seit 1922 ein Gefolgsmann Hitlers, er war militärischer Führer des Deutschen Kampfbundes, dessen politischer Führer Adolf Hitler war. Kriebel war mit Ludendorff und Hitler die treibende Kraft beim „Hitlerputsch“. Und: Zentz, der seine Finger in vielen Aktivitäten „vaterländischer“ Kreise hatte, kannte Hitler persönlich, lud in sogar einmal mit Ludendorff in die Freimaurerloge „Empor“ ein, damit sich beide ein Bild von der Freimaurerei machen könnten. Hitler lehnte ab, Ludendorff kam.
Die Familie Zentz machte gute Geschäfte unter den Nazis
Eugen Zentz war ein Großkaufmann, „eine hervorragende Persönlichkeit im Münchner Wirtschaftsleben“. Er hatte sein Vermögen mit Tabak verdient. In jungen Jahren war er als Angestellter bei der Firma Carl Phillips Witwe eingetreten, die den Vertrieb der Österreichischen Tabakregie für Deutschland innehatte. 1907 machte ihn Großkaufmann Ritter v. Dall’Armi zum Teilhaber der Firma, unter Zentz Führung wurden 1916 die Fabrikationsstätten der Österreichischen Tabakregie in Milbertshofen, Bogenhausen, Giesing und Gauting unter der Firma Austria errichtet. Seit 1922 war er Alleininhaber der Firma, einem der angesehensten Handelshäuser Münchens, sowie der Perusa-Zigarattenfabrik, Georg Metzger. Seine Verstrickungen in den Hitlerputsch sorgten damals dafür, dass ihm der Titel eines „Geheimen Kommerzienrat“ zu Weihnachten 1924 erst einmal nicht verliehen wurde, sondern die Regierung von Oberbayern vertrauliche Erkundigungen einholte. „Die „eingehenden Erhebungen“ der Polizeidirektion ergaben jedoch „nicht die geringsten Anhaltspunkte zur Aufrechterhaltung des bestehenden Verdachts“, wie es in einem Bericht heißt. Auch habe sich kein Beweismaterial gefunden für den Verdacht, dass Zentz die völkische Bewegung oder den bayerischen Kampfbund finanziert habe. (Historiker sehen das heute anders.) So bekam Eugen Zentz am 27. Mai 1925 den ersehnten Titel verliehen. Geschadet hat ihm seine publizistische Distanzierung von Hitler nicht: Im Gegensatz zu v. Kahr, den die SS 1934 ermordete, machte die Familie Zentz unter den Nazis glänzende Geschäfte.
Das Artikelbild zeigt Eugen Zentz zusammen mit seiner Frau Lina auf einer Gedächtnismedaille anlässlich ihrer Silberhochzeit im Jahre 1924.