Die Lernwerkstatt ist ein niederschwelliges Angebot vor allem für Frauen, um das untergründige Analphabetentum im Land zu bekämpfen. Ziel der Lernwerkstatt ist es, zur primären Alphabetisierung beizutragen und die Frauen fit fürs Lernen zu machen. Damit sie überhaupt den Schritt hin ins Bildungslokal wagen, muss das Angebot kostenfrei und wohnortnah sein. Selbst ein Kriterium wie die Ebenerdigkeit der „Räumlichkeiten“ ist wichtig, dass die Frauen den Weg ins Bildungslokal wagen.
In der Lernwerkstatt erhalten selbst 63-Jährige, die trotz jahrzehntelangen Aufenthalts in Deutschlands so gut wie kein Wort Deutsch sprechen, ja Deutsch noch nicht einmal recht verstehen, die als Kinder in ihrem Herkunftsland keine Schule besuchen durften, den allerersten Elementarunterricht, der individuell auf ihr Lerntempo und ihr Lernvermögen zugeschnitten ist. Sie lernen das Alphabet, sie lernen, einzelne Buchstaben zu schreiben, sie lernen langsam zu lesen.
Dabei ist die Lernwerkstatt im Bildungslokal kein Kurs, der irgendwann beginnt, diese und jene Lerninhalte vermitteln will und dessen Teilnahme verpflichtend ist.
Jede Teilnehmerin der Lernwerkstatt kann kommen oder es eben bleibenlassen. Jede bestimmt ihren Lernrhythmus selbst. Und so malt die eine an diesem Vormittag „p p p p“, eine andere setzt schreibend kleine Sätze wie „Tina räumt die Küche auf.“ „Tina sieht fern.“ zusammen, während wieder eine andere Frau, die schon länger dabei ist, Grammatikübungen zu Modalverben macht. Und „Lernbegleiterin“ Patrizia Fritsche steht ständig am Kopierer, um den lernbegeisterten und lernwilligen Frauen neues „Übungsfutter“ aus Büchern heranzuschaffen.
Die erwachsenen „Schülerinnen“, die „Alpha-Damen“, wie Patrizia Fritsche sie gerne nennt, sind allesamt Hausfrauen. Sie haben zumeist mehrere Kinder, um die sie sich ebenso kümmern müssen wie um den Haushalt. Sie kommen vor allem aus Afghanistan, dem Irak und der Türkei. Und sie lernen allesamt sehr langsam, viel langsamer als etwa Frauen, die in ihren Heimatländern bereits eine fortführende Schule besucht haben. Die schauen nur einmal im Bildungslokal vorbei und werden gleich zu einem richtigen Sprachkurs etwa in der VHS weitergeschickt, wie Derya Bozaba vom Bildungslokal berichtet.
Doch auch diese Frauen werden ab März in der VHS regelmäßige Sprachkurse mit einem etwas einheitlicheren Format als jetzt die Lernwerkstatt besuchen. Denn mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds hat die VHS für diese Frauen drei Alphabetisierungskurse in drei verschiedenen Stufen einrichten können – zwei davon wird Patrizia Fritsche leiten, die übrigens auch im Lichtblick Hasenbergl Sprachunterricht an Erwachsene erteilt. Pro VHS-Kurs werden dann acht bis zehn Frauen 15 Wochen lang zweimal pro Woche 1,5 Stunden lang Unterricht im Lesen, Schreiben und Sprechen von Deutsch erhalten.
Die Lernwerkstatt in der Linkstr. wird es aber natürlich weiter geben, quasi als Auffangbecken für Interessierte. Auch das Sprachcafé, bei dem eine Sozialpädagogin vom Sozialreferat Konversation übt mit den Teilnehmerinnen, gibt es weiter wie die Schreibwerkstatt am Montag und Dienstag, wo nicht etwa Autorinnen neue Krimis oder Kurzgeschichten verfassen, sondern „Alpha-Frauen“ Schreiben lernen. Und auch eine Jugendwerkstatt bietet das Bildungslokal an, bei der Jugendliche und Kinder, die trotz eines Schulbesuchs der Grundfähigkeiten „Schreiben“ und „Lesen“ nicht erlernt haben, diese erwerben können, um eine Chance auf einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Die Arbeit wird dem Bildungslokal auch in Zukunft nicht ausgehen.