Zwar liegt im 24. Stadtbezirk keine ehemalige Kasernenfläche, die, vom Bund freigegeben, nun Schritt für Schritt geplant und bebaut wird, aber der Vortrag von Michael Hardi war doch auch für den hiesigen Stadtbezirk gewinnbringend.
Erstens bekamen die Zuhörer – darunter auch die Bezirksausschussvorsitzenden der Stadtbezirke 24, 11 und 12, Markus Auerbach, Fredy Hummel-Haslauer und Werner Lederer-Piloty – einen Eindruck davon, wie die Münchner Stadtplaner „ticken“, wenn sie ein neues Stadtviertel entwickeln – aufschlussreich beispielsweise für die anstehende Bebauung entlang der Ratold-/Raheinstr.! Und zweitens spürt auch der 24. Stadtbezirk, wenn im Münchner Norden die Kasernenareale in Wohnquartiere umgewandelt werden: in Form weiter steigenden Verkehrs.
In München ist eine neue Gründerzeit ausgebrochen
Zeitschriften wie „Landlust“, „Mein schönes Land“ oder „Landhaus“ boomen, obwohl in Deutschland nur noch 15 % der Bevölkerung auf dem Land lebt, während der große Rest sich in den Städten und deren Speckgürtel drängt. Der „Homo sapiens“, der Jäger und Sammler von einst, mutiert zum „Homo urbanus“, zum Stadtmenschen. Mit gravierenden Folgen: In München fehlen schon heute für Otto-Normal-Verdiener bezahlbare Wohnungen und kommen in den nächsten 15 Jahre noch einmal 150.000 neue Einwohner hinzu – 10 % der jetzigen Bevölkerung beziehungsweise die Einwohnerzahl von Regensburg oder Augsburg –, dann braucht es vor allem eines: Wohnungen, Wohnungen und noch mal Wohnungen. Die 7.000 angepeilten neuen Wohneinheiten pro Jahr reichen da nicht aus. Die Zahl wird noch nach oben geschraubt, meinte auch Hardi. Denn wie einst die Zugbrücken hochzuklappen, das gehe in globalisierten Zeiten nicht mehr. In dieser zweiten „Gründerzeit“ sind daher die 500 ha an freigegebenen Kasernenflächen, die vor allem im Münchner Norden situiert sind, höchst willkommen, bieten sie doch eine „Jahrhundertchance für die Stadtentwicklung Münchens“.
München war einst die zweitgrößte Garnisonsstadt
So entstanden beziehungsweise entstehen im Münchner Norden: die Nordhaide auf der ehemaligen Panzerwiese (1990 von der Bundeswehr freigegeben, heute ein Quartier mit 2.500 Wohnungen für rund 6.000 Bewohner sowie weitere Nutzung), der Prinz-Eugen-Park im Osten auf dem 30 ha großen Areal der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne (1.800 Wohnungen), der Ackermannbogen (40 ha, rund 2.250
Wohnungen, ca. 500 Arbeitsplätze), die Funkkaserne (33 ha, 1.600 Wohnungen), die Luitpoldkaserne (20 ha, 900 Wohnungen sowie kreative & kulturelle Nutzung der denkmalgeschützten ehemaligen Jutier- und Tonnenhalle) und die Bayernkaserne (48,3 ha, rund 4.000 Wohnungen). Die Kronprinz-Rupprecht-Kaserne hat die Stadt München dagegen wie die Fürst-Wrede-Kaserne nicht von der Bundesrepublik Deutschland (genauer gesagt von der Bima, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) gekauft. Auf erster wollte die Bima selbst Wohnungen bauen – bis die Bankenkrise kam. Dann verkaufte man an BMW und nun entsteht dort das FIZ Future. Beim zweiten Standort schlug zum Teil der FC Bayern zu, um dort seine Amateur- und Jugendaktivitäten von Basketball bis Schach zu konzentrieren und dabei auf rund 30 ha verschiedene Sporthallen und -flächen zu errichten.
Bis aus Sperrgebieten lebendige Viertel werden, dauert es
In seinem Vortrag stellte Hardi kurz die Planungsschritte sowie das Instrument der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) vor, die verhindert, dass es im weiteren Verlauf der Planungen zu Bodenwertsteigerungen kommt. Dann präsentierte er die städtebaulichen und landschaftsplanerischen Konzepte, die den neuen Quartieren zugrunde liegen und die bei jedem Viertel eine etwas andere Ausprägung haben: beim Ackermannbogen war das etwa die „solare Nahwärme“, ein ökologisches Projekt, das heute 319 Wohnungen mit Energie versorgt; beim Prinz-Eugen-Park in Bogenhausen rückte der Aspekt „Erbe“ in den Vordergrund, da die Anwohner ein seit längerem bestehendes Schwimmbad und einen Tauchtopf erhalten wissen wollten. „Dichte“ jedoch ist bei allen neuen Quartieren die Triebfeder. So würde man den Ackermannbogen heute wohl dichter planen und nicht mehr bei vier Geschossen aufhören, so Hardi. (Die Nordwalde, so war zu erfahren, ist dichter, wiewohl sie nicht so wirkt.) Beim Prinz-Eugen-Park sei im Bebauungsverfahren die Dichte noch einmal angehoben wurden und die Funkkaserne weise eine hohe bauliche Dichte auf, habe aber wunderschöne Proportionen, mit Innenhöfen wie in Schwabing. „Man muss sich vor baulicher Dichte nicht fürchten, wenn sie gut gemacht ist“, so Hardi weiter. Die Stadtplaner haben dafür einen Gestaltungsleitfaden, eine Art Nachschlagewerk für Bauherrn, entwickelt, das gewährleiste, dass ein schönes Projekt entstehe.
Allerdings müsse bei einer höheren Dichte auch auf die Grünversorgung pro zukünftigem Einwohner geachtet werden. (Die Hausnummer liegt bei 17 qm pro Nase!) Daher sei es das Ziel der Stadtplaner, neben urbanem neuen Wohnraum auch große Parks und weite Grünflächen mit Freiraum für Kinder wie Senioren, mit guter Aufenthaltsqualität ohne Angsträume, aber mit Barrierefreiheit zu entwickeln.
Der Verkehr wird das zentrale Thema
Der Aspekt „Verkehr“ wurde an diesem Abend nur gestreift, da es am 25. Februar 2015 dazu eine eigene VHS-Veranstaltung geben wird. Etlichen Zuhörern, vor allem im Umkreis der Bayernkaserne, war das zu wenig: Nahmobilitätskonzepte mit Carsharing, Mietautos & -fahrräder sowie ÖPNV-Angebot seien gut und schön, aber dass Menschen komplett aufs Auto verzichteten, sei blauäugig und wenn die Heidemannstr. schon heute überlastet sei, dann werde es noch schlimmer, wenn das Areal der Bayernkaserne bebaut sei. Für den Münchner Norden sei ein Mehr an Verkehr aber nicht mehr verkraftbar, so der Einwand. Denn die Ost-West-Verbindung sei schon heute zu eng, zu schwierig. Hardi räumte zwar ein, dass der Verkehr das zentrale Thema im Norden sei, gab aber zu Bedenken, dass Gutachten davon ausgingen, dass der Verkehr durch die Bebauung der Bayernkaserne nur um 3 % zunehmen werde. Auch werde die Bayernkaserne nach Süden angebunden ans Straßennetz.
Der Vortrag war die Einführung zur Ausstellung
Hardis Vortrag, den im Anschluss alle Zuhörer sehr lobten, war die Einführung zur Ausstellung „München. Quartier beziehen“. Diese ist noch bis zum 28. November in den Räumen der Volkshochschule an der Troppauer Str. 10 (Foyer im 1. Stock) montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.
Die Ausstellung war bereits Anfang 2013 in der Münchner Rathausgalerie zu sehen und ging dann auf Reisen, etwa nach Bamberg, um die Münchner Erfahrungen weiterzugeben. Nun wird sie erstmals in einem Stadtbezirk gezeigt, der von der Kasernenkonversion betroffen ist.
P. S.: Für die „Nordhaide“ und den „Ackermannbogen“ hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung ein Bücherl herausgegeben mit zwei Rundgängen. Geben Sie in Google „Neue Quartiere für München Stadtspaziergänge über ehemalige Militärflächen“ ein und Sie erhalten es elektronisch.