
Schon die Lebensstationen, die den Porträts beigefügt sind, belegen die Vielfalt in den beiden Stadtbezirken: Brigitte Weiss etwa kam schon weit in der Welt herum. Die gebürtige Neustädterin zog erst innerhalb Deutschlands dreimal um, ehe sie nach Pretoria/Südafrika ging. Ihre weiteren Stationen: Detroit/USA, Narita/Japan, Ulan Bator in der Mongolei. Nun hat es sie in den Münchner Norden verschlagen. Ernö Szigeti kam aus Ungarn, Friedrich Stehlik ursprünglich aus der CSSR; Helmut Schusters Heimatland ist Siebenbürgen, heute Rumänien. Und Milagros Ramirez de Heumke tauschte die Dominikanische Republik gegen den Münchner Norden ein.
Ganz anders Moritz Gatt, Juliana Blaschke, Karoline Haller, Matthias Schroll und Karl Wimmer. Sie blieben, stets tief verwurzelt, ihrer Heimat treu und leben hier schon von Kindesbeinen an.
Porträtfotograf Werner Resch, der selbst kürzlich aus der Lerchenau wegzog, hat sie alle mit einem Lieblingsgegenstand fotografiert, der ebenfalls einiges über die Abgebildeten verrät. So hält Karl-Heinz Scharl, der Vorstand der Feldmochinger Blaskapelle, seine Tuba; Dirigent Max Kappelmeier schwingt den Taktstock. Martin Schreck aus der Lerchenau hat sich eine alte, mechanische AEG-Schreibmaschine untergeklemmt, gerettet aus einem abrissbedrohten Haus. Ludwig Brandl von „Gmundart“, Schöpfer witziger bis bissiger bayrischer Gedichte, hat sich mit einer Karikatur seiner selbst ablichten lassen. Und für Moritz Gatt, dem 2. Vorplattler der Riadastoana, ist die Tracht das, womit er sich am meisten identifiziert.
Gut gegen Selfies: Professionelle Schwarzweißporträts
Den Porträtierten hätten die Gegenstände beim Fotoshooting geholfen, berichtet Profi Resch, geben sie dabei doch ein ganzen Stück von sich preis: Sie müssen sich öffnen und gleichzeitig sehr auf sich selbst konzentriert sein; sie müssen sich „inszenieren“, ohne gekünstelt oder gar „gestellt“ zu wirken. Dabei konnten sie sich im wahrsten Sinne des Wortes an ihrem Lieblingsgegenstand „festhalten“. Die Schwarzweißfotografie verhindert andererseits, dass der Gegenstand zu viel Gewicht erhält. Wie überhaupt der Verzicht auf all zu viel Farbigkeit den Blick des Betrachters sofort hinlenkt auf das Gesicht des Fotografierten.
Einheitlich ausgeleuchtet vor neutralem Hintergrund strahlen die Bilder eine starke Ruhe aus, auf dass die jeweilige Persönlichkeit hervortritt. Fotograf Resch wollte mit diesen Porträts bewusst einen Kontrast setzen zu den Selfies, den Selbstporträts auf Armeslänge, die inzwischen mit dem typischen Smilie-Grinsen das Internet fluten. Auf den 60 x 80 cm großen Bildern wird nicht gelacht!
Vernissage & Ausstellung
Die Ausstellung, konzipiert von Kathrin Göttlich, der Geschäftsführerin des Vereins Stadtteilkultur 2411 im 3. Stock des Kulturzentrums 2411 in Anlehnung an ein früheres Projekt, ist Auftakt einer Projektreihe, die sich kreativ mit der Stadtteilkultur auseinandersetzen möchte. Sie ist bis Jahresende zu besichtigen, und zwar montags und dienstags von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 16 bis 18 Uhr sowie während des Veranstaltungsbetriebs. Tatiana Hänert von kultur_vergnuegen hat übrigens die „Protagonisten“ akquiriert.
Die Vernissage beginnt am Sonntag, den 9. November ab 15 Uhr mit einer Rede von Stadträtin Heide Rieke. Der Saxophonist Thomas Fait, der seit Jahren in der europäischen Jazzszene präsent ist, schon auf vielen internationalen Festivals spielte und als Sideman mit zahlreichen Jazzgrößen arbeitete, wird den musikalischen Rahmen des Nachmittags gestalten.