Das im Auftrag von BMW erstellte größte Konzentrationslager Münchens war zeitweise mit über 17.000 Häftlingen, davon über 2.400 Juden, belegt. Die 70 Tafeln umfassende Ausstellung zeichnet die Geschichte und Entwicklung der BMW Flugmotorenherstellung am Standort Allach, gut getarnt im Hochwald, den Einsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, ohne die auch BMW während des Krieges nichts mehr hätte produzieren können (die „Allacher Gefolgschaft“ bestand Ende 1944 nur noch aus 10 % Deutschen!), die Vernichtung durch Arbeit sowie den KZ-Außenlagerkomplex bis 1945 nach. In diesem KZ wurden nachweislich rund 2.300 Häftlinge – davon etwa 500 Juden – entweder durch Arbeit vernichtet oder direkt ermordet. Dennoch wurde seine Existenz in all den Jahrzehnten von der Bevölkerung verdrängt, von den Behörden durch irreführende Namensgebungen (Klaus Mai fand 15 verschiedene Bezeichnungen dafür!) verharmlost bis banalisiert und von der Forschung vernachlässigt bis komplett ignoriert. Daher auch der Titel der Ausstellung.
Werktags wurde für BMW, sonntags für Dr. Zentz gearbeitet
Insbesondere das OT-Lager Allach-Karlsfeld, das „Judenlager“, das „Vernichtungslager“, wie Ausstellungsmacher Klaus Mai es in der 2. Auflage nun aufgrund neuer Erkenntnisse nennt, wurde bisher überhaupt nicht behandelt. Es ist Mais Verdienst, in jahrelanger, akribischer Recherche dessen Geschichte erforscht zu haben.
Das OT-Lager entstand von Mitte Juni bis Ende Juli 1944 und bereits zum 1. September hatte es 1.189 Insassen, um am 24. Oktober kurzzeitig einen Höchststand mit 1.429 Juden zu erreichen. Rund 80 % der Gefangenen stammten aus Ungarn, der Rest kam aus Rumänien. Die ersten 500 jüdischen Häftlinge kamen am 11. Juli 1944 fast ausnahmslos vom KZ Auschwitz-Birkenau, wo sie in der Selektion für arbeitsfähig eingestuft worden waren. Ehe sie das neue OT-Lager aufbauten, wurden sie im „OT-Lager Allach-Rothschwaige“, einem „Durchgangslager“, geimpft und entlaust. Ab August mussten die Häftlinge sechs Tage die Woche (72 Wochenstunden!) für BMW schuften und ab Herbst zusätzlich sonntags bei den Bauern in Karlsfeld und Feldmoching beziehungsweise in der Futtermittelfabrik von Dr. Zentz aushelfen.
Die Lagertopografie in und um Karlsfeld
Zur Vernissage am Mittwoch, den 4. März konnte Ausstellungsmacher Klaus Mai an die 100 Personen begrüßen: viele Mitglieder vom Kulturhistorischen Verein auf dem Gfild, aber auch „Auswärtige“, etwa Vertreter vom NS-Dokumentationszentrum, vom Stadtarchiv, von BMW, von der Stiftung Bayerische Gedenkstätte, von der KZ-Gedenkstätte Dachau, von der Kulturgemeinschaft Ludwigsfeld, vom Oberschleißheimer Heimatverein … Darüber hinaus lauschten auch Politiker wie der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Unterländer dem Vortrag von Klaus Mai, der nach der Begrüßung durch den BA-Vorsitzenden Markus Auerbach in seinem informativen Vortrag zunächst die Lagersituation in der Umgebung von Ludwigsfeld und Karlsfeld erläuterte. Denn da gab es neben dem KZ-Außenlager Dachau-Allach und dem OT-Lager Allach-Karlsfeld noch das BMW Wohnlager Karlsfeld auf dem Gebiet der heutigen Gerberau. Es war ursprünglich angelegt für bis zu 4.000 BMW-Fremd- und Zwangsarbeiter – zu Spitzenzeiten waren dort aber auch bis zu 14.000 Menschen untergebracht. Darüber hinaus gab es noch das BMW Wohnlager Ludwigsfeld und am 17. Juli 1944 wurde das „Judenlager“ in Betrieb genommen. Das Frauenlager wiederum entstand aus dem Quarantänelager und umfasste drei Blöcke, in denen teilweise jeweils bis zu 330 Frauen untergebracht waren, was folglich rund 1,2 m2 Fläche pro Person bedeutete. Ob in den Baracken Betten standen, hat Mai bislang nicht herausfinden können. Es gibt Aussagen von Frauen, die meinten, sie hätten auf dem Fußboden geschlafen. Auch wann genau das Frauenlager errichtet wurde, lässt sich ebenso wenig mehr rekonstruieren wie die exakte Anzahl der Frauen, die in dem Lager eingesperrt waren. Denn ab dem 20. April 1945 funktionierte die „Buchhaltung“ im KZ-Außenlager nicht mehr, wiewohl noch Transporte abgingen.
Das Frauenlager unterstand gleichfalls dem KZ-Lagerkommandanten Josef Jarolin und Kapofrauen schikanierten und drangsalierten ihre Mitgefangenen genauso wie die Kapomänner in den anderen Lagerteilen die übrigen Lagerinsassen. Mai berichtete beispielsweise von Klara Pförtsch, einer besonders grausamen Kapofrau. Sie war so brutal, dass sie nach dem Krieg in Abwesenheit von einem französischen Gericht zum Tode verurteilt wurde, sich der Strafe aber durch in die Flucht in die DDR entzog.
Wie die Befreiung im Münchner Norden vonstatten ging
Als sich die Amerikaner am 29. April in der Nacht vor der Befreiung dem KZ-Außenlager in der heutigen Siedlung Ludwigsfeld näherten, gab der jugendliche Volkssturm, junge Kerle zwischen 15 und 18 Jahren, in der beim KZ-Außenlager positionierten Flakstellung nicht auf. So kam es, dass die heranrückenden Amerikaner versehentlich das OT-Lager mit Granatwerfern bombardierten. Dabei wurden 23 Frauen schwer verletzt und ein Mann starb. Die US-Truppen rückten auf der Dachauer-, der Feldmochinger- und auf der Ingolstädter Str. weiter gen München vor. Feldmoching beispielsweise lag einen Tag und eine Nacht im Geschützfeuer, auf der Panzerwiese kamen in einem Gefecht 70 US-Soldaten und rund 200 Hitlerjunge, die mit Panzerfäusten auf den anrückenden Feind losgingen, ums Leben. Aber diesem Thema wird sich Klaus Mai in einer eigenen Ausstellung widmen.
Eigentlich war anschließend eine Führung durch die Ausstellung in der VHS-Galerie der Volkshochschule geplant gewesen (Blodigstr. 4, 2. Stock), doch die interessierten Zuhörer verstrickten Klaus Mai in so viele Fragen und führten auch selbst beim Umtrunk untereinander so anregende Gespräche, dass die Zeit rasch verrann und erst um 21 Uhr Schluss war. Auch ohne Führung. Aber die lässt sich am Mittwoch, den 18. März oder am 15. und 29. April jeweils von 18 bis 20 Uhr nachholen.
Der umfangreiche Ausstellungskatalog (360 Seiten!) kostet übrigens 19.80 Euro und ist bei den nächsten kostenlosen Führungen von Klaus Mai zu erwerben. Der Erlös kommt einem gemeinnützigen Verein zugute.