Organisiert hatte diese wenig besuchte, aber spannende, gut zweistündige Veranstaltung der Ortsverband der Grünen, die es geschafft hatten, alle am Projekt beteiligten Institutionen an einen Tisch zu bekommen: Projektleiter Detlev Reichmuth vom Immobilieneigentümer Bima (die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verwaltet alle Liegenschaften des Bundes), den Biologen Heinz Sedlmeier vom LBV, Herbert Huber vom Staatlichen Bauamt, Karola Kennerknecht vom Bürgerverein Lerchenau und Roland Großberger vom Planungsbüro Luz Landschaftsarchitekten, das die Ausgleichsmaßnahmen umgesetzt hat, sowie Stefan Fiedl von der Unteren Naturschutzbehörde.
Es besteht ein Spannungsfeld zwischen Mensch und Natur
Die Fronten zeigten sich im Laufe des Abends schnell. In einer stark verdichteten Stadt wie München, wo Menschen eng auf eng wohnen, weil Investoren jeden Quadratzentimeter zubauen, den ihnen das weit gefasste Baurecht einräumt, hat der Mensch den starken Drang, Natur erleben zu wollen, in ihr herumzustreifen. Ruhe zu genießen. Abzuschalten. Wie schön, wenn ein solches Kleinod gleich in der Nähe ist, durch das man auf dem Weg zur Schule oder abends nach Büroschluss radeln oder joggen, den Hund oder die Kinder „ausführen“ kann.
Auf der anderen Seite stehen Naturschützer wie der LBV, dessen Mitglieder seit 2003, anfangs quasi als „Guerilla Gardener“ (O-Ton Sedlmeier), die grüne Naturoase betreuen. Schließlich war das ehemals militärische Sperrgebiet jahrzehntelang wenig betreten, auf dass es Heimat von 23 Schmetterlingsarten (davon neun Arten auf der Roten Liste Bayerns, sprich diese Schmetterlinge sind stark vom Aussterben bedroht), rund 350 Pflanzenarten (etwa 70 auf der Roten Liste), von 9 Heuschrecken- und 39 Laufkäferarten. Das Virginia-Depot beheimatet auch viele Vögel, die im Gebüsch und Gehölz leben. Und es ist Refugium für die Münchner Heide, eine sehr alte, eigentümliche Vegetation, die bis zu 100 Jahre braucht, um ihren herben Charme zu entwickeln.
Diese Maßnahmen wurden bisher gemacht …
Seit 2012 hat das Staatliche Bauamt – unter ökologischer Baubegleitung des LBV – erst mit schwerem Gerät die militärische Vergangenheit beseitigen lassen: Die großen Speicherhäuser wurden abgerissen und die Panzerverladerampe sowie die Gleise abmontiert. Dann wurden über 10.000 Tonnen nährstoffreiche Erde abtransportiert und dichte Gehölze beseitigt. Für die seltenen Heuschrecken im ehemaligen Gleisbereich legte man Geröllflächen an und die Zauneidechse bekam einen Steinhaufen, Reste der ehemaligen Panzerverladerampe. Auf den Kies legten die Experten Heu, geerntet etwa in der Allacher Lohe und der Garchinger Heide, auf dass allmählich wieder eine ansehnliche Blumenwiese entsteht, wie der Gelbe Sichelklee schon belegt. Spätestens Ende des Jahres sind die Maßnahmen abgeschlossen, dann endet auch die ökologische Baubegleitung.
… und so geht es in den nächsten 20 Jahren weiter
Der städtebauliche Vertrag zwischen der Stadt München und der Bima sieht vor, dass die Bima die nächsten 20 Jahre ein Pflege- und Entwicklungskonzept umsetzt, damit die Fläche sich in die gewünschte Richtung entwickelt. Überwacht wird das im Rahmen eines Monitoring-Programms von einem Fachmann. Die Pflege muss öffentlich ausgeschrieben werden und ist durch eine Fachfirma vorzunehmen. Der LBV als NGO, als Nichtregierungsorganisation, die mit Ehrenamtlichen arbeitet, habe da leider keine Möglichkeit mitzubieten, waren sich die Vertreter von Bima und Bauamt einig, das hätten ihre Vergabe-Juristen bereits abgeklärt. LBV-Vertreter Sedlmaier reagierte darauf enttäuscht, seine Organisation habe schließlich schon zig Tausende von Arbeitsstunden eingebracht.
Am Zaun um das Biotop scheiden sich die Geister
Nicht nur enttäuscht, sondern recht erbost reagierten etliche Bürger über die Ankündigung, dass das Areal in den nächsten Tagen eingezäunt und verschlossen wird, bis es einen gewissen Biotopstandard erreicht hat. Das sei eine zwingende Auflage, um von der Regierung von Oberbayern den Status als geschützter Landschaftsbestand zu erhalten. Erst wenn die Fläche so stabil sei, dass sie eine gewisse Nutzung vertrage, soll es fünf bis sechs „Fußgängertürchen“ geben, erklärten die Projektverantwortlichen. Im Moment werde die Natur von zu vielen Menschen zu stark genutzt. Diese würden kreuz und quer durchtrampeln und Hunde frei laufen lassen, auf dass diese Vögel aufjagten. Man lagere Müll ab und mache sogar Feuer. Auch scherten sich viele Hundebesitzer wenig um die Hinterlassenschaft ihrer Vierbeiner – ungewünschte Nährstoffeinträge, so die Experten. Ohne Zaun werde der Druck auf die Fläche immer stärker. Und einen rechtsfreien Raum wie am Flaucher wolle man hier nicht haben. Außerdem müsste man das Gelände, würde man es freigeben, erst auf potenzielle Kampfmittelbelastung untersuchen. Sonst würde die Bima grob fahrlässig handeln, argumentierten die Zaunbefürworter
Ein anwesender Bürger flehte dagegen ein um das andere mal: „Bitte sperrt uns nicht aus, lasst den Zaun weg. Wir wollen den Raum erleben und einfach nur spazieren gehen; die Kinder sollen eine Chance haben, eine Pflanze zu sehen, die nicht im OEZ steht. Die Lerchenauer sind keine Randalierer.“ Ansonsten, so wurde gedroht, organisiere man bis zu 1.000 Leute. Denn der Zaun sei unverschämt, sei impertinent und überhaupt habe der Eigentümer schon jetzt eine Sorgfaltspflicht gegenüber den Mitarbeitern, die auf dem Gelände arbeiteten.
LBV-Mitarbeiter Sedlmeier gab zu Bedenken, dass eine Öffnung des Areals einen sauberen Managementplan und ein Wege-Informationskonzept voraussetze. Auch meinte er, dass die Unterschutzstellung nicht funktionieren werde, wenn man die Bürger aussperre. Ja er zweifelte sogar an, ob in einer dicht bebauten Umgebung überhaupt ein Naturraum aufrechtzuerhalten sei. Die zuständigen Herren versprachen, dass der LBV weiter die Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt übernehmen dürfe.
Und wann erfolgt endlich die Unterschutzstellung?
Seit Jahren wird den Naturschützern die Unterschutzstellung des Virginia-Depots in Aussicht gestellt. Laut Stefan Friedl werden sie weiter warten müssen. Erst fehlte der Unteren Naturschutzbehörde das Personal, dann musste das Schutzgebiet durch die Ausgleichsflächen immer wieder neu zugeschnitten werden. Nun hat man zwar die Unterlagen zusammen, aber ein neues Gesetz sieht vor, dass Areale über 10 ha nicht mehr wie bisher die Kommune, sondern die jeweilige Bezirksregierung. Und da es bislang keine Übergangsvorschriften und keine ministeriellen Umsetzungsvorschriften gebe, liege alles auf Eis, so Friedl. rer
P.S.: Im Laufe der Veranstaltung wurde durchaus heftig gegen den hiesigen BA geredet. Dort sei der Naturschutz nicht hoch angesiedelt, wenn der durch den wertvollsten Bereich des Virginia-Depots einen Radweg wünsche. Auch sein kürzlich geäußerter Wunsch, dass die Stadt die Zuwegung zum MSC-Hockeyleistungszentrum über die Schleißheimer Str. prüfen möge (siehe Lokal-Anzeiger 12/2014, Seite 2), wurde heftig kritisiert.
In den nächsten Tagen werden wir die Standpunkte der Bürger zusammenstellen, die zwar durchaus für das Biotop sind, aber nicht wie im Tierpark selbiges von Ferne besichtigen, sondern hautnah erleben wollen.