Klaus Mai stellte seinem Vortrag den Spruch einer Gedenktafel in Freising voran: „Die sich des Vergangenen nicht erinnern, sind verurteilt, es zu wiederholen.“ Ein Satz, der gut zum Ausstellungsthema, aber auch zur derzeitigen Flüchtlingsthematik mit all ihren Facetten passt.
BV-Gemeinderäte verzichten zugunsten der NSDAP
Bei den Gemeinderatswahlen am 5. März 1933 gewann die NSDAP in Feldmoching sechs von insgesamt zehn Gemeinderatssitzen. Nach den Rücktritten von Bürgermeister Franz Kötterl und dessen Stellvertreter Josef Angermeir wurden Philipp Grüner und Friedrich Schrumpf kommissarische Bürgermeister. (1929 noch hatte der Anteil der NSDAP gerade einmal bei 9 % gelegen!) Grüner – er wohnte übrigens in dem heute abbruchreifen Haus an der Raheinstr. 3 – und seine NSDAP-Ortsgruppe setzten eine Verhaftungswelle in Gang, die vor allem KPD- und SPD-Mitglieder sowie Gewerkschafter hinwegspülte – über 30 Feldmochinger. Als KZ-Häftlinge waren, so erfährt man in der Ausstellung, in Dachau: Josef Auer, Josef Aumüller, Fritz Dressel, Franz Hintermeier, Anton Obersojer, Georg Ostermeier, Andreas Reiser, Josef Schmid, Johann & Franz Schreiber, Johann Seibert, Alois Stadler, Johann, Rudolf und Max Holy sowie Benno Linzmair. Verhaftet wurden: Lorenz Knäbl. Johann Kösslinger, Franz Augustin, Theodor Kraft, Ludwig Hindelang und Jakob Sammer. In Stadelheimer Schutzhaft waren ferner Dorothea Dressel und Therese Holy.
So war der gewählte SPD-Gemeinderat Konrad West zur konstituierenden Sitzung des Gemeinderats „abwesend“ und die drei Gemeinderäte von der Bayerischen Volkspartei – Martin Obersojer, Georg Angermeier und Anton Hölzl – traten am 30. Juni 1933 ihre Sitze „freiwillig“ zugunsten der NSDAP ab. Mit welch sanftem Druck dieses „freiwillig“ garniert war, kann man sich vorstellen, wenn man überlegt, dass die Nazis beispielsweise den Bruder von Martin Obersojer ins KZ warfen.
Verfolgung von Kommunisten & Juden
Die Gemeinde Feldmoching hatte 1930 prozentual gesehen die höchste
Arbeitslosenrate in ganz Deutschland – es waren über 600 Personen! Kein Wunder, dass die Kommunisten um Fritz Dressel und die Brüder Holy insbesondere in den Kolonien Lerchenau und Harthof großen Rückhalt bei der Bevölkerung fanden – so errang Fritz Dressel aus der Fasanerie das einzige direkte kommunistische Landtagsmandat und Hans Beimler, der kommunistische Bundestagsabgeordnete, lebte zeitweise beim Bahnhof Fasanerie. Die kommunistische Zelle in der Gemeinde Feldmoching umfasste etwa 15 Personen. Die Bauern im Altdorf seien dagegen gedanklich noch im Kaiserreich gewesen, so Mai. Daher herrschten hier die konservativen Kräfte.
Immer wieder kam es zu tumultartigen Szenen im Gemeinderat. Schlägereien und Saalschlachten, so ist in der Ausstellung zu erfahren, waren bei politischen Versammlungen an der Tagesordnung. Ausstellungsmacher Mai widmet deshalb dem kommunistischen Landtagsabgeordneten Fritz Dressel aus der Fasanerie, der am 3. Mai
1933 von der Polizei verhaftet und ins KZ Dachau gebracht wurde, wo er am 7. Mai starb – der erste Tote im KZ Dachau, „ermordet von den Nazis, denn es gibt keine Anzeigen, dass er Selbstmord gemacht“, erläuterte Mai – zwei Tafeln. Beimler, der am 11. April 1933 verhaftet, gefoltert und dann ins KZ Dachau verbracht wurde – ihm gelang als einzigem mit Hilfe von Freunden und Gesinnungsgenossen am 8. Mai 1933 die Flucht aus dem KZ Dachau. Er floh nach Feldmoching, von wo ihm der Sohn von Fritz Dressel dann per Fahrrad nach Schwabing fuhr, wie Brigitte Jenewein, die Enkelin von Fritz Dressel und an diesem Abend als Zeitzeugin anwesend, berichtete. An die Sippenhaft und Drangsal, der die Familie in der Folgezeit ausgesetzt war, kann sie sich noch heute gut erinnern.
Im Münchner Norden gab es viele Lager
Ein weiterer Themenschwerpunkt der Ausstellung sind die insgesamt 17 Lager, die es im Münchner Norden gab, 15 davon auf Feldmochinger Gemeindegrund. Kriegsgefangene Franzosen waren beispielsweise im Gasthof Schlegel, Wirtschaft der Schloßbrauerei Haimhausen, dem heutigen Croatia Grill, (35 Franzosen) sowie gegenüber beim „Rotschuster“ (heute Feldmochinger Hof, 44 Franzosen) untergebracht. Sie wurden vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt. In der Gaststätte Schießstätte – wo schon Anfang der 1920er-Jahre Mitglieder des „Bunds Oberland“ das Schießen übten, eine Organisation, die bald unter nationalsozialistischen Einfluss geriet und später den Kern der Sturmabteilung der SA in Bayern bildete – waren zehn Ukrainerinnen sowie Weißrussinnen. In der Gärtnerei Nützl waren es Häftlinge aus dem KZ-Außenlager Dachau-Allach und aus dem KZ Dachau. Im Lager Eggarten, dem „Russenlager“ an der heutigen Lassallestr. gegenüber der Einmündung der Wilhelmine-Reichard-Str., betrieben von der Reichsbahn, waren anfangs fast ausschließlich westliche Kriegsgefangene wie Franzosen und Luxemburger. Erst mit Beginn des Russlandfeldzugs 1941 kamen zunehmend Ostarbeiter wie Russen und Ukrainer. Sie waren vor allem beim Kiesabbau in den Kiesentnahmestellen zum Bau des Rangierbahnhofs eingesetzt.
Kontakte zwischen den fremden Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen sowie deutschen Frauen waren aufs strengste verboten und mit drakonischen Strafen versehen, kamen aber, wie die Ausstellung belegt, auch in Feldmoching immer wieder vor. Zwei Frauen schrieben Männern Briefe und versorgten sie mit Zigaretten und Tabak. Monika Gürtner, als Küchenmädchen beim Gastwirt Schlegel eingesetzt, wurde sogar wegen fortgesetzten verbotenen Umgangs mit einem französischen Kriegsgefangenen zu drei Monaten Gefängnis verurteilt!
Führungen durch die Ausstellung
Am Donnerstag, den 14. und am 28. Januar führt Klaus Mai wieder durch die Ausstellung. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 18 Uhr. Am Aschermittwoch, den 10. Februar wird Mai gleichfalls eine Führung durch die Ausstellung geben. Die Ausstellung geht bis zum 14. Februar. Unabhängig von den Führungen kann die Ausstellung in den Räumen der VHS (Kulturzentrum 2411, Blodigstr. 4, 2. Stock) natürlich auch alleine zu den VHS-Veranstaltungszeiten besichtigt werden.