Eigentlich wollte Carolin Scharl Kinderärztin werden. Das kündigte sie schon als kleines Mädchen ihrem Kinderarzt an. Doch als sie während des Medizinstudiums in Ulm bei einer Nachtwache auf einer Kinderstation von einer 15-Jährigen gefragt wurde, die schwer an Leukämie erkrankt war , wann sie endlich sterben dürfe, war Kinderärztin plötzlich nicht mehr ihr Traumberuf. Über den Sport und die Überlegung, dass in der Orthopädie meist jüngere und nicht gerade schwerstkranke Patienten vorstellig werden, denen man gut helfen könne, fand die junge Medizinstudentin dann ihre Fachrichtung. 2002 schloss sie das Studium ab und promovierte 2005.
Anfang 2005 zog sie der Liebe wegen nach München: Sie hatte ihren zukünftigen Mann auf der Hochzeit ihrer besten Schulfreundin Nicola Zech kennengelernt (auf dass die beiden heute praktischerweise nebeneinander wohnen). Nach zweijähriger Tätigkeit an der Sana-Klinik Sendling bekam Scharl die Chance, zu Prof. Reiner Gradinger, einer Koryphäe auf dem Gebiet der Orthopädie und renommierter Wissenschaftler, ans Klinikum rechts der Isar zu wechseln.
Glücksfall: Reibungslose Weiterführung der Praxis
2009 kam Tochter Luisa zur Welt und nach einjähriger Babypause stieg Scharl am OCM (Orthopädische Chirurgie München), einem medizinischen Versorgungszentrum, das sich auf Verletzungen und Erkrankungen des menschlichen Bewegungsapparates spezialisiert hat und zu den größten Einrichtungen seiner Art in Deutschland zählt, wieder ins Berufsleben ein. Auch meldete sie sich zur Facharztprüfung an, die sie im November 2011 bestand. Es folgten Stationen in verschiedenen orthopädischen und chirurgischen Kliniken und Praxen, unter anderem am Martha-Maria und in einer orthopädischen Praxis in Schwabing. Dort hatte sie auch immer wieder Kontakt zum Orthopäden Reinhard Hochleitner und erfuhr, dass dieser altersbedingt aufhören wollte und seine Praxis, und damit die KV-Zulassung, zum Verkauf stand. Die beiden Mediziner wurden sich handelseinig und ab dem 1. Oktober 2015 arbeitete Scharl bereits an einigen Tagen die Woche in der Praxis mit, um Abläufe, Team und vor allem die Patienten kennenzulernen.
Allerdings sehen die Übergabeverfahren der KVB vor, dass der Vertragsarztsitz, auch wenn sich beide Seiten einig sind, offiziell im Bayerischen Staatsanzeiger ausgeschrieben wird. Das geschieht stets ohne Nennung des Standorts. Neben Scharl bewarb sich ein weiterer Orthopäde, der allerdings seine Bewerbung im weiteren Verlauf nicht aufrechterhielt. Womöglich wegen des Standorts, mutmaßt Scharl. Denn natürlich sei der Anteil der Privatpatienten in diesem Wohngebiet deutlich niedriger als etwa im Münchner Schnitt. Aber die Menschen im Münchner Norden hätten doch auch ein Recht auf eine gute medizinische Versorgung, meint die engagierte Ärztin. So bekam sie im November 2015 den Zuschlag vom Zulassungsausschuss der KV.
Kassenzulassung erhalten und nun nichts wie ab in die Stadtmitte oder zumindest in ein lukrativeres Stadtviertel? „Von wegen“, lacht Scharl. Zum einen sei sie im Münchner Norden verwurzelt. Zum anderen laufe der Mietvertrag erst einmal über zehn Jahre. „Und wenn mich nicht alle furchtbar ärgern“, scherzt sie, bleibe sie auch die nächsten 30 Jahre da. An diesem Standort mache es die Masse, als Orthopäde sei sie schließlich auf weiter Flur fast allein. So kamen kurz vor Weihnachten schon mal bis zu 70 Patienten. Pro Tag! 22.027 Patienten sind, Stand heute, im Computer der Hasenbergler Praxis gelistet.
Die Orthopädie ist bis heute eine Männerdomäne
Dass der Orthopäde am Hasenbergl nun weiblich ist, kommt nicht nur bei den Patientinnen mit Migrationshintergrund sehr gut an. Ein Mann habe halt oft nicht das rechte Verständnis, dass manches Zipperlein oder Ziehen im Rücken nicht gleich eine organische Ursache habe, die im Kernspin festzumachen sei, scherzt die tatkräftige Ärztin.
Zwischen den Jahren wurde die Praxis komplett modernisiert, neue Computer(programme), digitales Röntgen- sowie Ultraschallgerät angeschafft und die Homepage der Praxis (Orthopaedie-muenchen.info) sollte zum Neustart am 18. Januar auch stehen.
Die Sprechzeiten sind wie folgt: Mo. 8 – 15 Uhr, Die. 8 – 14 Uhr, Mi. 7 – 12 Uhr und 14 – 19 Uhr, Do. 8 – 15 Uhr, Fr. 8 – 12 Uhr sowie nach Vereinbarung. Bislang kann jeder einfach zur Sprechstunde kommen, künftig soll für einen reibungslosen Ablauf aber verstärkt auf Terminplanung gesetzt werden. Wobei es für akute Fälle täglich einen „Notfallblock“ geben wird. Der Lokal-Anzeiger wünscht einen guten Start und viel Erfolg!