Den Anwohnern der Schittgablerstr. geht es derzeit dick ein: Erst erhalten sie als Vorabinformation, dass sie, je nach Grundstücksgröße, zwischen 5.000 und 130.000 Euro für die erstmalige Herstellung der Schittgablerstr. zahlen müssen. Dann erfahren sie, dass das rund 10.000 qm große, städtische Areal an der Schittgablerstr. von der Gewofag bebaut werden soll. Nach dem neu aufgelegten Modell „Wohnen für alle“. Nicht ganz beruhigt und zufrieden, aber deutlich informierter verließen die Anwohner am Freitag, den 29. April die von der Gewofag organisierte Infoveranstaltung im Pfarrsaal von St. Agnes.
Gewöhnlich dauert es ziemlich lange, bis eine Wohnanlage steht. Nicht so beim Sonderprogramm „Wohnen für alle“, das in Windeseile aufgelegt und Mitte März vom Stadtrat abgesegnet wurde. (So schnell, dass offensichtlich noch nicht einmal ein Germanist oder sonst der deutschen Sprache einigermaßen Mächtige mal schnell drauf gucken konnte, um zu warnen, dass „alle“ stets kleingeschrieben wird!!) 3.000 zusätzlich geförderte Wohnungen sollen so bis 2019 entstehen – die ersten bereits heuer – für einkommensschwache Gruppen, die sich München eigentlich nicht mehr leisten können (49 %) und vor allem für anerkannte Flüchtlingen (51 %), die ja nach ihrer Anerkennung – eigentlich – die Flüchtlingsunterkünfte räumen müssen. Weil es ein Sonderprogramm ist, gilt bei diesem Modell auch nicht die Verteilung nach der sonst üblichen Dringlichkeit und Punktezahl, wie Monika Betzenbichler, Leiterin Soziale Wohnraumversorgung im Amt für Wohnen und Migration, erläuterte. (Dazu müssen die beiden städtischen Wohnbauunternehmen GWG und die Gewofag natürlich noch 8.500 neue geförderte Wohnungen pro Jahr errichten.)
„Wir beginnen ein Experiment miteinander“
Ehrlich meinte Betzenbichler auch, dass es ein Experiment ist, das mit diesem Projekt angestoßen wird. Ein Weg, der ausprobiert wird. Aber man versuche, die Themen vorauszudenken, auf dass die Hausgemeinschaft gelinge und „Sie nicht allein mit einem Problem“ dastehen.
Das „Problem“: Auf dem Areal sollen in einem ersten Bauabschnitt (dort wo jetzt Wiese und damit schnell zu bauen ist) vier Häuserzeilen in Holzbauweise mit 46 Wohnungen entstehen: 30 Ein-Zimmer-Appartements (23 qm), sieben 2- (46 qm für zwei Personen) und neun 2½-Zimmer-Wohnungen (50 qm, für drei Personen) und ein 126 qm großen Gemeinschaftsraum. So die derzeitige Planung. Weil nun zumindest 1/3 Familien und zu 2/3 Alleinstehende dort einziehen sollen und man laut Betzenbichler auch versuchen will, einen Frauenanteil von etwa 40 % hinzubekommen, wurde den Anwohnern doch etwas die Angst genommen, die – Köln lässt grüßen – sich schon einer Schar junger syrischer Männer gegenüber sahen.
Zudem, so war zu hören, wird es am Standort eine Sozialpädagogin (1:100 Personen), eine Erzieherin für die Kinder (1:30 Kinder) und eine sozialpädagogisch geschulte Hausverwaltung geben. Und, wenn nötig, Dolmetscher sowie Kulturvermittler.
Auch werde die Belegungskommission vor Ort bei der Wohnungsvergabe darauf achten, dass die Nationalitäten zueinander passen. Das Wohnungsamt schlägt dazu pro Wohnung fünf Bewerber aus dem Bereich der einkommensschwachen, beim Amt registrierten Haushalte vor (Azubis oder Menschen, die wie Altenpfleger, Kindergärtnerinnen oder Krankenschwestern im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig sind), die Interesse für eine solche Wohnung bekundet haben, sowie drei Bewerber pro Wohnung bei den anerkannten Flüchtlingen. Derzeit sind in München 8.500 Haushalte mit der Dringlichkeitsstufe 1 beim Amt gemeldet, Betzenbichler rechnet aber damit, dass es bereits Ende des Jahre 10.000 sein werden und deren Zahl demnächst auf 16.000 steigen könnte. Die künftigen Bewohner werden einen ganz normalen Mietvertrag erhalten.
„Gibt es zwei Arten von Baurecht?“
Die neuen zwei- bis dreigeschossigen Häuser – „ganz normale Häuser, die allen Normen entsprechen und gut belichtet sind“ wie Gewofag-Ressortleiter Michael Hardi (vorher bei der LBK tätig) betonte – sollen dank modularer Fertigbauweise bis Ende 2016 weitestgehend stehen. Dazwischen gibt es Grün- und befestigte Flächen für neun PKW-Stellplätze und für die Räder. Eine Bebauung, die sich trotz der zum Teil dreistöckigen Bauweise samt Flachdach nach Ansicht von LBK-Chef Cornelius Mager voll in die Nachbarschaft einfüge und eine noch passende „Maßstäblichkeit“ aufweise. Denn die ursprünglich von der Gewofag gewünschte Dichte habe man ihr „ausgetrieben“ (in der Diskussion: 100 Wohnungen!) und eine fünfte Zeile abgelehnt. Auch bei der Bautiefe habe man sich an der Nachbarschaft orientiert. Andererseits machte Mager kein Geheimnis aus der „gewissen Sympathie für die städtischen Wohnbaugesellschaften“, die wahrlich keine Renditeobjekte erstellten. Ein Nachbar, der 2013 gebaut und die Auflage erhalten hatte, niedriger zu bauen als das Vordergebäude, hatte hier etwas erbost gefragt, ob es zweierlei Baurecht und keine Gleichheit vor dem Gesetz gebe.
Starke Zweifel beim Stellplatzschlüssel von 0,2
Pro fünf Wohnungen ein Stellplatz – nach Ansicht der Anwohner ist das völlig unrealistisch. Sie fürchten, dass die neuen Bewohner dann ihre Autos notgedrungen auf der von ihnen teuer bezahlten Schittgablerstr. abstellen werden. Laut Gewofag-Chef Klaus Dengler werde im sozialen Wohnungsbau der Stellplatzschlüssel immer abgesenkt und 0,2 sei der Erfahrungswert der LBK bei diesem Belegungskonzept. Sollte jedoch der öffentliche Straßengrund wirklich zugeparkt werden, dann könne die Gewofag nachsteuern und werde einfach im 2. Bauabschnitt (linkerhand daneben, dort wo jetzt noch viele Bäume stehen) mehr Stellplätze errichten. Denn Dengler machte an diesem Abend auch klar, dass die Gewofag das derzeit noch städtische Grundstück links „auch sehr locker“ bebauen wird“, wenngleich es dafür noch keine Pläne gebe.
P.S.: Gewofag-Chef Dengler – früher einmal im Planungsreferat und Vertreter der Stadt im Kampf gegen den Transrapid – informierte die Schittgabler-Anwohner auch, dass der OB nun persönlich sich ihrer Ersterschließungskosten annimmt und derzeit prüfen lässt, ob überhaupt und wenn ja, wie hoch diese ausfallen. Und ein Gutes hat die Sache zudem, so Dengler. Von den Straßenbaubeiträgen werde die Gewofog natürlich, wenn die Baugenehmigung vorliegt, einen großen Anteil übernehmen.