Wie sich die Szenen ähneln: Im November vergangenen Jahres strömten verzweifelte Eltern aus der Lerchenau in Scharen zur öffentlichen Sitzung des Bezirksausschusses im Pfarrsaal von St. Peter und Paul, weil sich bereits zum damaligen Zeitpunkt andeutete, dass viele künftige ABC-Schützen der Lerchenau im Schuljahr 2016/17 keinen Betreuungsplatz am Nachmittag bekommen, wenn nicht rasch gegensteuert wird. Ende Mai nun kamen zahlreiche Feldmochinger Eltern zur BA-Sitzung im Pfarrsaal von Mariä Sieben Schmerzen, weil sie vor dem gleichen Problem stehen: Wohin mit dem Nachwuchs ab Mittag, wenn die Schule aus ist.
Schulanfänger fallen gewöhnlich nicht vom Himmel. Erst gehen sie in den Kindergarten, dann kommen sie in ihre Sprengelgrundschule – es sei denn Eltern können triftige Gründe vorbringen, warum der Nachwuchs eine andere staatliche Grundschule besuchen soll. Und der ein oder andere gibt seinen behüteten Sprössling natürlich auch lieber auf eine private Schule à la Waldorf oder Montessori. In etwa aber lässt sich die Zahl der künftigen Schulkinder vorausberechnen. Und damit der Bedarf an Nachmittagsbetreuung. Denn selbst in Vierteln wie Lerchenau, Fasanerie und Feldmoching sind Frauen ob der hohen Mieten, der gigantischen Immobilienpreise und nicht zuletzt wegen des geänderten Scheidungsrechts gezwungen beziehungsweise möchten nach einem langen Studium weiterarbeiten, trotz der Kinder.
Horte wie Mittagsbetreuung haben kaum freie Plätze
Der Mangel an Mittagsbetreuungs-/Hortplätzen kündigte sich auch in Feldmoching an. Nur waren die Eltern hier – noch – nicht so gut vernetzt wie in der Lerchenau, so dass der Umfang des Defizits erst mit den reihenweisen Absagen kurz vor den Pfingstferien zutage trat.
Momentan gibt es in Feldmoching drei Möglichkeiten, seine Kinder nach Schulschluss betreuen zu lassen: Die städtische Kooperationseinrichtung an der Josef-Frankl-Str. 17b hat 25 Plätze, wovon laut Recherchen der Eltern heuer sechs neu zu vergeben waren. Rund 30 hatten sich dort via Kitafinder angemeldet – seit 2014 kann man in München seinen Nachwuchs via Internet für mehrere Kindertageseinrichtungen anmelden, ohne bei jeder Einrichtung persönlich vorstellig zu werden.
Der städtische Hort an der Feldmochinger Grundschule hat zwei Gruppen à 25 Kinder, wovon laut Elternrecherche zum neuen Schuljahr aber nur drei Plätze frei werden. Angeblich lagen für die Einrichtung 40 Anmeldungen vor. Und bei der Mittagsbetreuung an der Grundschule, einer 1997 von Eltern gegründeten und geleiteten Elterninitiative auf ehrenamtlicher Basis, mit fünf Gruppen von insgesamt 90 Kindern in drei Räumen (60 Kinder werden bis 15.30 Uhr, 30 bis 14 Uhr betreut) sowie neun Betreuerinnen, gab es heuer 16 Plätze neu zu vergeben. 18 Eltern erhielten am 25. Mai eine endgültige Absage. Insgesamt dürften also rund 20 Eltern ohne Betreuungsplatz dastehen.
Am liebsten wäre den Eltern eine Ganztagesschule
Wie auf die Schnelle dem „Infrastrukturproblem“ begegnen? Die Zeit drängt, der Schulbeginn rückt näher und vor allem müssen Förderanträge etwa für den Aufbau einer weiteren Mittagsbetreuung bis 1. Juli abgegeben werden.
An der Grundschule Waldmeisterstr. wurde, um rasch den verzweifelten Eltern zu helfen, zum einen eine Ganztagesklasse eingerichtet und zum anderen eine weitere Mittagsbetreuungsgruppe geschaffen. In Feldmoching entwickelten gut 20 „hort- und mittagsbetreuungslose“ Eltern am Freitag, den 3. Juni bei einem Treffen verschiedene Lösungsansätze und besprachen das weitere Vorgehen.
Eine rasche Umfrage unter den Anwesenden zeigte: Am liebsten hätten die Eltern eine Ganztagesschule, und die am allerliebsten wie an der Grundschule Eduard-Spranger-Str. gekoppelt mit einem Tagesheim, wo die Kinder in den vielen Ferien betreut werden. (Zwei Feldmochinger Eltern haben ihre Kinder deshalb auch schon umgemeldet ans Hasenbergl Süd.) An die 90 % der Anwesenden fänden dieses pädagogische Konzept am sinnvollsten.
Ansonsten wünschen sie sich mit oberster Priorität einen Hortplatz, gefolgt von einem Mittagsbetreuungsplatz bis 15.30 Uhr (mit warmem Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung). Und eine Mittagsbetreuung bis 14 Uhr wäre für den ein oder anderen immerhin noch ein kleiner Strohhalm.
Schnelle Lösungen sind gefragt
Am einfachsten ließe sich wohl eine weitere Mittagsbetreuungsgruppe installieren. Hier sind die behördlichen Auflagen und Vorgaben am geringsten. Aber: Bereits im vergangenen Jahr hatte die Mittagsbetreuung ob des eklatanten Betreuungsmangels im Hauruckverfahren mehr als 30 zusätzliche Plätze geschaffen. Nun sind die ehrenamtlich arbeitenden Organisatorinnen mit 90 Kindern und der Lohnabrechnung für neun angestellte Mitarbeiterinnen am Anschlag. Ein weiteres Wachstum sei derzeit nicht verkraftbar, so Nadja Neudorfer von der Mittagsbetreuung. Man müsse sich erst selbst mal finden. Auch sieht sie allmählich ein „großes Missverhältnis“ zwischen städtischer Leistung (Horte: 50 Plätze) und ehrenamtlichem Engagement (Mittagsbetreuung: 90 Plätze) und wünscht sich eine besondere Anstrengung der Stadt München, schließlich sei ein Hort personell besser ausgestattet, denn hier betreuten drei ausgebildete Pädagogen und Erzieher 25 Kinder, während in der Mittagsbetreuung auf engem Raum drei Betreuerinnen mit langjähriger Kindererfahrung (Mamas!) für 30 Kinder zuständig seien.
Sollte es also eine Mittagsbetreuung werden, dann müssten die Eltern der „Neuen“ selbst eine Mittagsbetreuung gründen. Hilfe gibt es dabei von städtischer Seite ausreichend, wie BA-Vorsitzender Markus Auerbach erklärte. Räumlich könnte die Gruppe vielleicht im Dachgeschoss des umgebauten „Neubaus“ untergebracht werden, in einem rund 100 qm großen Raum, der derzeit für Lehrmittel verwendet wird. Laut Rektorin Gabrielle Bayer-Maier müsste dort wohl noch ein Heizkörper aufgestellt werden, aber prinzipiell wäre eine Nutzung möglich. Klassenräume hat sie dagegen nicht mehr frei, „wir sind bis zum Rand voll“.
Mittagsbetreuung oder offene Ganztagesklasse
Die Leitung des städtischen Horts an der Grundschule, so haben die Eltern eruiert, wäre durchaus nicht abgeneigt, eine weitere Hortgruppe zu eröffnen. Personal sei vorhanden, aber es fehle an Räumlichkeiten und an der Unterstützung von oben. Eventuell könnte hier, so die Idee der Eltern, eine Kooperation mit der Einrichtung der Inneren Mission nebenan (Stichwort: ehemaliger Tengelmann) eine Überbrückungshilfe sein.
Und ein Ganztageszug? Rektorin Bayer-Meier war nach eigenen Angaben sehr interessiert, eine offene Ganztagesklasse einzurichten, sprich Beschulung vormittags, Betreuung nachmittags. Das Problem: Bei einer offenen Ganztagesklasse muss im Gegenzug die Mittagsbetreuung abgeschafft werden, denn hier gibt es nach derzeitiger gesetzlicher Lage nur ein „entweder – oder“. Lediglich bei einer gebundenen Ganztagesschule – hier ist der Unterrichtstag rhythmisiert, sprich Schul- und Übungszeiten wechseln sich mit sportlichen, musischen oder sonstigen künstlerischen Angeboten ab – ist ein Nebeneinander von Mittagsbetreuung und Ganztageszug möglich. Das sehr gut funktionierende System der Mittagsbetreuung aufzugeben für eine offene Ganztagesklasse, die dann erst mal nur den Erstklässlern zugute käme, das will die Rektorin nicht. „Was wäre dann mit den älteren Kindern? Was mit den Arbeitsplätzen?“ Und eine gebundene Ganztagesklasse lässt sich nach Einschätzung der Rektorin logistisch an der Grundschule nicht umsetzen. Es fehlt an Räumlichkeiten und einer Mensa.
Wer vor zehn Jahren, vor dem Umbau und der Sanierung der beiden Schulhäuser, ein Kind in der Feldmochinger Grundschule hatte, wird sich vielleicht noch an die damaligen Diskussionen um das Konzept „Haus des Kindes“ erinnern, das genau das vorsah und das deshalb die Aufstockung der Turnhalle vorschlug. Damals wurden die Ideen als zu teuer und damit mit nicht zuschussfähig abgelehnt. Wahlweise brachte man auch den Ensembleschutz ins Spiel, obwohl gar keine denkmalschutzrechtliche Prüfung vorgenommen wurde. Nun fehlen, nach Jahren des teuren Umbaus, schon wieder Räume.
Betreuungsnotstand erst dann, wenn ein Formular ausgefüllt ist
Ausgelotet werden muss in den nächsten Wochen in Gesprächen zwischen Eltern, Schulleitung, Baureferat und Referat für Bildung und Sport (RBS) also, ob in der Feldmochinger Grundschule noch auf die Schnelle ein Ganztageszug etabliert werden könnte. Das wäre nach Ansicht von BA-Vorsitzendem Auerbach sportlich, aber womöglich noch machbar (Stichwort: Container) und nach Ansicht vieler Eltern die nachhaltigste Lösung. Oder wird’s ein weiterer Hortzweig oder eine neue Mittagsbetreuung?
In jedem Fall müssen die Eltern so schnell wie möglich ein spezielles Formular ausfüllen, auf dass sie im RBS überhaupt als „Betreuungsproblem“ erkannt werden und sich die entsprechenden Stellen in Bewegung setzen. Denn eine Rückmeldung vom Kitafinder erhalten weder die RBS-Fachstellen noch die abgelehnten Eltern. Die werden vom Rechnersystem einfach still und leise in die Warteschleife eingeordnet, ohne über die Ablehnung informiert zu werden.