Kaum verfasst, schon veraltet: So erging es dem Planungsreferat mit seiner Beschlussvorlage zur „Feldmochinger Kurve“. Denn die Deutsche Bahn rückte kurz nach Weihnachten von ihren früheren Aussagen ab und will nun doch kein Planfeststellungsverfahren mehr für diesen Lückenschluss von Feldmoching nach Milbertshofen durchführen. Sobald die elektronischen Stellwerke in Milbertshofen und Freimann fertiggestellt sind, will die Bahn entsprechend dem Planfeststellungsbeschluss vom April 1993 diese Lücke schließen. Was zur Folge hätte, dass die Anwohner der Trasse natürlich auch keine Lärmschutzmaßnahmen bekämen. Am Mittwoch, den 1. Februar beschäftigte sich der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung mit diesem Thema.
Referatsvertreter erläuterten den Stadträten zunächst die komplexe Gemengenlage, auch in juristischer Hinsicht. Danach haben die Behördenmitarbeiter in den vergangenen Wochen in den städtischen Archivkellern geforscht, um abzuklären, wann diese Kurve eigentlich wie genehmigt wurde. War es nun im Jahr 1924? Oder doch 1939? In den Vorkriegsunterlagen fanden sich jedenfalls weder Genehmigungs- noch Bauunterlagen. Fakt ist aber, dass es vor 1991 eine durchgehende Schienenverbindung von Feldmoching nach Milbertshofen gab. Man vermutet aber, dass die Strecke bereits 1924 gebaut wurde.
Komplexe Genehmigungslage …
Im Planfeststellungsbeschluss (PFB) vom 7. Mai 1982 zum Bau des Rangierbahnhofs Nord wird jedenfalls auf die Feldmochinger Kurve Bezug genommen. Dieser PFB sah eine Anbindung des frisch gebauten Rangierbahnhofs durch eine Kurve im Osten an das bestehende Schienennetz vor. Im Zuge des Baus dieser Strecke wurde im September 1991 die ab dieser Zeit „Strecke 5570“ genannte Feldmochinger Kurve abgekoppelt – was so aber im Planfeststellungsbeschluss nicht vorgesehen war. Geplant war dort nämlich vielmehr eine Verlegung der Feldmochinger Kurve ein wenig gen Süden zum Rangierbahnhof hin, um das entstandene Gleisdreieck zu verkleinern. Die Verlegung wurde allerdings nicht mehr vorgenommen, da 1992/93 ein neuer PFB alle beiden Gleise weiter nach Westen verlagern sollte.
Mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 19. April 1993 wurde dann das gesamte Gleisdreieck südlich der Schittgablerstr., also die Feldmochinger Kurve und die Anbindung des Rangierbahnhofs, entlang des Güternordrings nach Westen verschoben, damit die Knorr-Bremse ihr Betriebsgelände nördlich ausweiten konnte. Der PFB sah zudem Schallschutzmaßnahmen für das Wohngebiet westlich der Gleise vor, östlich der Gleise existierte keine Wohnbebauung. Aber auch bei der Verlegung der beiden Kurven nach Westen wurde die Feldmochinger Kurve nicht wieder an die Strecke 5566 angeschlossen. Der PFB benennt diese Tatsache aber ausdrücklich als vorübergehend. Soweit die Tatsachen, die das Aktenstudium zu Tage förderte.
… vertrakte juristische Lage
Die städtischen Juristen haben die Rechtslage schon mal „kursorisch“ eingeschätzt. Gem. § 18c Nr. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) ist mit der Durchführung eines Plans innerhalb von zehn Jahren zu beginnen, ansonsten tritt er außer Kraft. Umgesetzt hat die Bahn beide Planfeststellungsbeschlüsse – jedenfalls teilweise. Das Baurecht ist also nicht verfallen. Es erlischt auch nicht, es sei denn, man gibt das Vorhaben endgültig auf und hebt den PFB, wie in § 77 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorgegeben, mit einem Beschluss auf. Da dies nicht geschah, gehen die Juristen davon aus, dass das Vorhaben nicht endgültig aufgegeben wurde, wenngleich die im PFB von 1982 genehmigte Weiche seit nunmehr 35 Jahren fehlt. Andererseits lässt das AEG offen, wie lange ein begonnener, „aber nicht vollständig umgesetzter Plan umgesetzt werden kann, bevor neuerlich ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist“.
Und was ist mit Lärmschutzmaßnahmen?
Hier positioniert sich die städtische Verwaltung eindeutig: „Gem. § 41 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz ist lediglich beim Bau oder der wesentlichen Änderung von Eisenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Da die Feldmochinger Kurve (Strecke 5570) die letzten 26 Jahre unterbrochen war und lediglich als Abstellgleis diente, ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Auffassung, dass der Einbau einer Weiche eine wesentliche Änderung dieser Strecke bedeutet und die in den letzten Jahrzehnten entstandene Bebauung durch Lärmschutzmaßnahmen seitens des Verursachers DB zu schützen sind.“ Außerdem habe man „Signale von der Bahn empfangen“, dass man mit dem Neubau der Kreuzung Schittgablerstr. – hier soll eine Über- oder Unterführung der Bahntrasse gebaut werden – in eine Diskussion eintreten könne über Lärmschutzmaßnahmen im dortigen Bereich.
(Anm. der Red.: Es ist doch sehr verwunderlich, dass die Bahn hier sogar von sich aus daran denkt, die Schrankenanlage an der Schittgablerstr. zu beseitigen. An der viel mehr befahrenen Lerchenauer Str. dagegen sollen die Schranken über das Industriegleis erhalten bleiben!? Das verstehe einer, der mag.)
Eine Ergänzung zur Beschlussvorlage
Der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung beauftragte nun in einer Beschlusserweiterung das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, die Deutsche Bahn aufzufordern, ein eigenes Planfeststellungsverfahren für die Feldmochinger Kurve durchzuführen. Nur damit sei ein transparentes Verfahren möglich, in dem im Interesse der Anwohner auch die künftige Belastung dieses Gütergleises offengelegt und der Lärmschutz nach den gesetzlichen Vorschriften geregelt werden könne.
Das Referat wurde ferner beauftragt zu prüfen, ob und wenn ja welche Rechtsmittel ergriffen werden können, falls die Bahn eine Wiederinbetriebnahme der Feldmochinger Kurve ohne gesondertes Planfeststellungsverfahren und ohne ausreichenden Lärmschutz beabsichtigt.
Stadträtin Rieke sieht Zusammenhang mit Brennerbasistunnel
Stadträtin Heide Rieke (SPD) zeigte sich sehr zufrieden mit diesen Ergänzungen und verwies darauf, dass bei der steigenden Wohnbebauung entlang der Trasse Schallschutz dringend erforderlich sei. Denn es bleibe womöglich nicht bei den von der Bahn angegebenen maximal 48 Zügen pro Tag. Dass über die Strecke rein technisch gesehen mehr Züge fahren könnten, habe sich im vergangenen Sommer gezeigt, als Bahnverkehr wochenlang darüber umgeleitet wurde. Zum anderen gab Rieke zu Bedenken, dass der vierspurige Ausbau der Strecke der S8 – darüber sollen dereinst die Züge zum Brennerbasistunnel geführt werden – erst Mitte der 2030er-Jahre erledigt sein wird. Doch der Brennerbasistunnel werde bereits Mitte der 2020er-Jahre fertig sein und die Feldmochinger Kurve dürfte um 2021 realisiert werden. Da erscheine ein größeres Verkehrsaufkommen auf der Feldmochinger Kurve doch für wahrscheinlich, zumal die Bahn sich nicht dazu äußere, wie es nach 2025 auf der Trasse aussehe. Rieke möchte daher Prognosezahlen gerade im Zusammenhang mit dem künftigen Brennerbasistunnel erhalten. Außerdem möchte sie wissen, welche konkrete Bahntrasse denn wirklich rechtlich festgestellt wurde, da in Bebauungsplänen wieder andere Trassen dargestellt seien. Das Planungsreferat musste die Fragen offen lassen und darauf hoffen, in Archiven, etwa beim Eisenbahnbundesamt, an entsprechende Unterlagen zu kommen.
Von Moosburg zum FIZ über die Feldmochinger Kurve
Paul Bickelbacher von den Grünen sieht in der Feldmochinger Kurve gerade für den verkehrsgeplagten Münchner Norden eine gute Lösung – vorausgesetzt die Anwohner erhalten einen Lärmschutz. Er wies in seinem Redebeitrag aber auf das noch viele größere Potenzial der Spange hin – die Anwohner gerade entlang der Berberitzenstr. werden das nicht gerne hören. Denn Bickelbacher kann es sich gut vorstellen, dass Züge auch von Moosburg etwa über die Kurve zum FIZ fahren und dann weiter zum Ostbahnhof. Das sei tatsächlich eine Chance auf ein besseres Schienennetz und er verstehe nicht, dass von Seiten der Bahn und anderen Planern da kein Wort falle, so Bickelbacher in der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung.