Im Nachklang zur ersten Informationsveranstaltung am vergangenen Montag erreichte uns folgender Leserbrief:
Um übermäßigen Verkehr nicht erst entstehen zu lassen ist es sinnvoll, Wohnungen dort zu bauen wo Arbeitsplätze sind. Das lernt jeder Geograf und Stadtplaner im ersten Semester. Da es in München viele Arbeitsplätze gibt, müssen – möglichst im Stadtbereich – auch viele Wohnungen gebaut werden. Wohnungen draußen im Grünen bringen zwar Lebensqualität für die Menschen, die dort wohnen, die Luft – und Lärmbelastung derer, die in der Stadt wohnen, wird jedoch durch die Pendler immer noch schlechter. Deshalb opfert München nun jede grüne Wiese dem Wohnungsbau.
Dabei wird eines vergessen: Das Leben eines Menschen besteht nicht nur aus Wohnen und Arbeiten. Das wäre ja traurig. Es gibt noch etwas anderes: Erholen, Entspannen, Frischluft tanken. Und für die Kinder: Spielen, Natur erforschen, Herumlaufen.
Es macht auch einen Unterschied, ob ich vor meinem Fenster ein wenig Grün vor meinen Augen habe, vielleicht sogar Vögel beobachten oder mich an einem schönen Baum erfreuen kann, oder ob ich nur die kahle Wand des Nachbarhauses sehe. Es macht einen Unterschied, ob ich nachts mit geöffnetem Fenster schlafen kann oder ob es zumindest möglich ist, die Wohnung am Morgen zu lüften, ohne dass es nach Benzin und Abgasen stinkt. Und dieser unglaubliche Luxus: einen tiefen Atemzug zu machen, ohne sich dabei zu vergiften… das wünschen sich die Menschen – auch die, die in der Stadt leben beziehungsweise leben müssen.
Um sich diese Genüsse zu verschaffen, sind künftig die Menschen gezwungen, hinauszufahren ins Grüne … Durch die Vernichtung der – ohnehin wenigen – Erholungsflächen und Frischluftschneisen in München, nimmt man der Stadtbevölkerung nicht nur ihre Lebensqualität, sondern erzeugt neuen Pendlerverkehr: die Flucht hinaus ins Grüne – jederzeit zu erfahren im Stau auf der Autobahn nach Süden an den Wochenenden.
All diese Probleme lassen sich nur überregional lösen. Es braucht gezielte und gelenkte Maßnahmen zur Entwicklung der ländlichen Räume. Die Politik ist gefordert, Arbeitsplätze auf dem Land und in kleinen Städten zu schaffen, damit nicht noch mehr Menschen gezwungen sind abzuwandern. Durch eine zukunftsfähige Infrastruktur und schnelles Internet, günstiger Gewerbesteuer usw. und kultureller Angebote auf dem Lande kann die Abwanderung dort abgebremst werden. Die wenigsten Menschen, die z. B. in der wunderschönen Landschaft Niederbayerns wohnen, ziehen freiwillig in die Großstadt. Sie sind – aus Mangel an Arbeitsplätzen in ihrer Region – dazu gezwungen. Sehr häufig mieten sie sich, um nicht täglich pendeln zu müssen, eine Zweitwohnung in München, was den Wohnraummangel hier noch zusätzlich verstärkt und wiederum neuen Pendlerverkehr erzeugt.
Bei der SEM Nordost in Daglfing will die Stadt Wohnungen für 30.000 Menschen bauen und 10.000 Arbeitsplätze schaffen. Damit kurbelt man den Teufelskreis „Landflucht einerseits und Bevölkerungsdruck in München andererseits“ erneut an. Diese 10.000 Arbeitsplätze sollten besser in den kleineren Städten entstehen, im Bayerischen Wald etwa oder in Schwaben und in den neuen Bundesländern – dort, wo Häuser leer stehen und in der Folge Postämter und Banken schließen und das kulturelle Angebot immer weiter ausgedünnt wird, sodass auch diese Städte und Dörfer an Lebensqualität verlieren.
Mit der „SEM Feldmoching“ will man diesen Wahnsinn fortsetzen: Auch hier sollen neben Wohnungen Gewerbebetriebe entstehen. Gemüsebauern, die die Stadt München mit regionalen Produkten versorgen, werden dagegen verdrängt, landwirtschaftlicher Grund dagegen wird versiegelt, Grünland zubetoniert.
Und es entsteht noch mehr Verkehr! Wohin mit all diesen Menschen? Die öffentlichen Verkehrsmittel platzen bereits jetzt aus allen Nähten, die Straßen sind voll, die Lärm- und Luftbelastung immens. Die Hitze in den Sommernächten wird – durch Klimawandel und Dezimierung vieler Bäume und Frischluftschneisen – dann unerträglich!
Eine verantwortliche Stadtpolitik sollte die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Bewohner ernster nehmen! Wohnbebauung ja – aber mit Augenmaß, mit viel Grünflächen und Frischluftschneisen und einer vernünftigen Verkehrspolitik, die den umweltfreundlichen Verkehrsmitteln den Vorrang gibt. Und eine verantwortliche Regionalpolitik sollte sich um die Arbeitsplätze seiner Bevölkerung bemühen!
Wie lange will München diese Wachstumspolitik fortsetzen? Bis alles Grün verschwunden ist? Die Münchner haben schon jetzt buchstäblich die Nase voll (Feinstaub, Stickoxide und Benzol)!
Sonja Sachsinger
Goaßzipfe meint
Vielen Dank für diese differenzierte Betrachtung. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.