
Küppers musste, ehe er zum Thema des Tages kam, erst einmal zahlreiche Gäste des Stehempfangs begrüßen: Stadträte, Landtagsabgeordnete, Bezirksräte und Mitglieder der Bezirksausschüsse 24 und 11; kirchliche Würdenträger und nicht zuletzt Alfons Doblinger, dessen Firma Dibag das Kulturzentrum für die Stadt München erbaut und sodann an sie verkauft hatte. Und er entschuldigte sich, dass wohl einige die Einladung noch nicht erhalten hätten – die Stadt hatte sie aus Kostengründen als Infopost verschickt. Und die bearbeitet die Post eben, wenn sie Zeit hat.
Küppers: Erste Medienbibliothek für junge Erwachsene
Küppers skizzierte in seiner Rede die verschiedenen Bereiche, die das neue Kulturzentrum, die neue Mitte des Hasenbergls, abdecken soll. Das neue Haus solle ein Bildungs- und Begegnungsraum für alle werden und für manche auch ein Haus der zweiten Chance, um endlich im Rahmen eines Volkshochschulkurses die deutsche Sprache zu erlernen, um als Eltern Weiterbildung zu erfahren, um etwas für die Gesundheit zu tun oder um fit gemacht zu werden für einen Beruf.
Er lobte die neue Mittelpunktsbibliothek und hob vor allem das Konzept „Update“ hervor, das erstmals in München umgesetzt wurde und nun peu à peu in den anderen Stadtteilbibliotheken Einzug halten soll: Um die schwierige Gruppe der 16- bis 25-Jährigen als Bibliotheksnutzer bei der Stange zu halten, gibt es für sie eine spezielle Medienbibliothek – bei der späteren Hausführung probierte OB Ude die Spielkonsolenmöglichkeiten übrigens mit größtem Vergnügen aus!
Und natürlich vergaß der Kulturreferent nicht, auf die Räume im 3. Stock zu verweisen. Sie seien gedacht für Akteure, die sich ehrenamtlich für Kunst und Kultur engagierten. Kulturelle Leuchttürme seien zwar wichtig für München, da sie hinausstrahlten in die Welt und Touristen anzögen. Aber dezentrale Kulturzentren bildeten das breite Fundament, sie arbeiteten nachhaltig, nicht spektakulär. „Das neue Kulturzentrum wird großartig, es wird vorbildlich sein“, so Küppers.
OB Ude: Kulturzentrum weiterer Meilenstein des Aufstiegs
OB Ude ließ in seiner kurzweiligen Rede noch einmal die politische Vorgeschichte des Kulturzentrums 2411 passieren. Er erinnerte an eine Veranstaltung im alten Matthäser anno 2007. Als Wahlkämpfer sei er zwar gut vorbereitet gewesen auf die Beschwerde, dass die Stadtsparkasse am Blodigzentrum nur eine „unbemannte Einheit, eine Maschinenstation“ hinterlassen habe, als sie ins attraktivere Mira umzog. Udes Argument: Geld bekomme man auch da und es müsse doch mehr Gesprächspartner im Leben geben als die Schalterbeamtin. Doch als sich die schlechten Nachrichten häuften, die Postzentrale schloss, die Rede von der Auszehrung, ja dem Verschwinden der wohnortnahen Versorgung die Runde machte, andererseits aber leidenschaftliche Hasenbergler stur in diesem Teil des Stadtviertels ihren Treffpunkt, ihre Nahversorgung wollten, da sei einiges in Bewegung geraten. Der Bezirksausschuss 24 machte sich viele Gedanken und entwickelte Konzepte, durch Zusammenlegung bürgerschaftlicher und sozialer Funktionen eine neue Mitte im Hasenbergl zu schaffen – Ideen, über die das Schulreferat auch nicht spontan begeistert war, wie Ude berichtete. Nur das Kulturreferat habe sich sofort damit anfreunden können und im Laufe der Zeit immer mehr Nutzungsmöglichkeiten entdeckt. Und so habe Heide Rieke (seit 2008 SPD-Stadträtin) „mit schier unerträglicher Penetranz jahrelang das Schulreferat durch Übermüdung zermürbt und das Planungsreferat angehalten umzuplanen“, wie Ude schmunzelnd erzählte. Und außerdem sei Heide Rieke ja auch jeden Montag bei der Fraktionssitzung ihm direkt gegenüber gesessen… Auf ihre sinnvolle Idee, ihre Initiative und die Penetranz könne sie wirklich stolz sein, lobte Ude die Stadträtin.
Doch wenn man eine fertige Planung über den Haufen werfe und Einrichtungen tief in einen anderen Stadtbezirk, in Feindesland, verlege, so Ude launig weiter, erwarte man eigentlich wütenden Protest des anderen Stadtbezirks. Nicht so aus dem 11er Stadtbezirk, dessen Vorsitzende Antonie Thomson stets inhaltlich orientiert gearbeitet habe und keinem kleinkarierten Stadtteilegoismus verfallen sei. Nur so habe ein eigenständig wahrnehmbares Kulturzentrum entstehen können, das nach den Anstrengungen der „Sozialen Stadt“ ein weiterer Meilenstein beim Aufstieg des Hasenbergl sei.
Doblinger: 1 Million Spende für BMW-Zentrum am Hasenbergl
Mit Alfons Doblingers Rede endete der hochoffizielle Eröffnungsteil. Doblinger erzählte, er habe den von OB Ude leicht dahingesagten Satz „ich habe am Hasenbergl eine Kultureinrichtung versprochen“ durchaus als Befehl aufgefasst. Immer wenn er ans Hasenbergl dachte, so Doblinger, sei ihm das New Yorker Viertel Harlem in den Sinn gekommen, das früher ein sehr negatives Image hatte und inzwischen attraktiv aufgewertet wurde. Obwohl das Hasenbergl kein Glasscherbenviertel sei, habe er es immer etwas „drehen“, „umdrehen“ wollen. Das Kulturzentrum gebe dem Hasenbergl nun „eine neue Zündung“, die Kultur sei schließlich bewusst nach vorne gebaut worden. Doch für Doblinger ist das Erreichte nicht genug. „Wir bräuchten hier am Hasenbergl eine Forschungs- und Entwicklungsstätte von BMW“, meinte der Unternehmer. Denn wer für die Zukunft forsche, lebe länger. Für diesen Plan wolle er auch gerne 1 Million Euro spenden, versprach Doblinger unter dem Geraune der Zuhörer.
Interreligiöse Einweihungsfeier für ein friedliches Miteinander
Mit einer Einweihung der besonderen Art begann der öffentliche Teil. Um allen Bevölkerungsgruppen des Münchner Nordens gerecht zu werden, hatten die Organisatoren die Segnung des neuen Gebäudes interreligiös ausgelegt und Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften eingeladen: Neben den örtlichen katholischen und evangelischen Kirchenvertretern – Pfarrer Johannes Kurzydem vom Pfarrverband Fasanerie-Feldmoching, Pfarrer Manfred Brandlmeier vom Pfarrverband St. Matthäus und St. Agnes sowie Dekan Uli Seegenschmiedt von der Evangeliumskirche (er hatte auch die Vorbereitung und die Abstimmung der Texte zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen übernommen) und Joachim Erbrich von der Versöhnungskirche Harthof – kamen Alexei Lemmer von der russisch-orthodoxen Kathedralkirche an der Lincolnstr., Apostolos Malamoussis, Erzpriester des Ökumenischen Patriarchats und Bischöflicher Vikar in Bayern, als Vertreter der griechisch-orthodoxen Glaubensrichtung sowie Acar Hüseyin, Imam der Mehmed Akif Moschee an der Moosacher Str. in Milbertshofen, samt Übersetzer. Der übertrug sowohl die vorgetragenen Bibelstellen auf arabisch als auch die beiden Suren-Stellen aus dem Koran, die der Imam rezitierte, ins Deutsche. Alle Glaubensvertreter beschworen den Segen für ein besseres Zusammenleben in Frieden, wünschten allen, die in dem Gebäude arbeiten sowie ein- und ausgehen, viel Kommunikation, damit Kultur entstehen könne, die zur Bildung des Herzens beitrage. Oder wie es im Eingangslied so treffend einfach formuliert ist: „Wir wollen aufstehn, aufeinander zugehn, voneinander lernen, miteinander umzugehn.“
Die Geistlichen hatten übrigens nicht nur segensreiche Wünsche dabei, sondern überreichten Richard Fritsch, dem Vorsitzenden des Trägervereins Stadteilkultur 2411, auch ein Bild des mit 48 Jahren Anfang 2012 früh verstorbenen Hasenbergler Malers Kurt Iwanschütz. Es trägt den vielsagenden Titel „Dialog“.
Anwohner stürmten das Kulturhaus
Ab 13.30 Uhr begannen dann die Bürger das neue Haus im wahrsten Sinn des Wortes zu stürmen. Menschentrauben schoben sich neugierig durch die Flure und schlossen sich den zahlreichen Führungen an – die Volkshochschule beispielsweise machte neun Führungen durch ihre Räume und kam bei internen Zählungen auf rund 800 Besucher. Der Wahnsinn sei, so Bülent Bulut, organisatorisch-pädagogischer Mitarbeiter, vor allem beim Fotoshooting abgegangen, wo man sich in lustigen Posen von Profifotografen ablichten lassen konnte. Viele informierten sich auch über das Kursangebot und am späten Nachmittag waren nicht nur alle VHS-Programme vergriffen, sondern auch so gut wie alle Kurse belegt. Zum Teil sogar massiv wie der „Renner“, der Zumba-Kurs, bei dem 19 Interessierte auf der Warteliste stehen. Fazit von Bulut: Besser konnte es gar nicht laufen.
Gleiches war auch aus der Stadtbibliothek zu hören, wo die Mitarbeiter den Nachmittag über kaum zum Schnaufen kamen. Junge und alte Leseratten durchforsteten die Regalreihen mit Büchern, standen geduldig Schlange beim Infoschalter oder gaben ihre Bücher zurück. Mehr als 50 Lesefreudige meldeten sich an diesem Nachmittag neu an – so viele, wie sonst in einer Woche. Fazit von Bibliotheksleiter Nikolaus Schwarzenberg: „Krasser konnte es gar nicht sein, wir waren teilweise randvoll, der Zuspruch ist gar nicht mehr zu toppen!“
Auch Hugo und der Emil waren bei der Eröffnung
Und auch im 3. Stock, den gemeinschaftlich genutzten Räumen, die der Trägerverein Stadtteilkultur 2411 betreibt, fanden sich zahllose Interessierte ein. Viele ließen sich auch hier die Räumlichkeiten zeigen und verweilten bei den Kunstdarbietungen wie dem exotischen Spiel auf dem Didgeridoo (wer es nicht weiß: Es ist das Instrument der australischen Ureinwohner und wird ab Anfang November für Einsteiger im Kulturzentrum bei der VHS unterrichtet) oder den Sketchen, aufgeführt vom Feldmochinger Volkstheater. Und sie taten es „Hugo“ gleich – die Künstler des Ateliers Basche hatten einige Emile und sonstige Kunstobjekte im Foyer und auf der Dachterasse aufgestellt, um gleich mal zu zeigen, wofür diese Räume gedacht sind – und genossen bei schönstem Sonnenschein von der Terrasse im 3. Stock aus den freien Blick gen Westen übers Hasenbergl.
Und als es dunkel wurde und alle Gäste gegangen waren, die nachmittags am Vorplatz auf Stühlen und den festinstallierten Bänken die Herbstsonne genossen und der Dachauer Knabenkapelle und den Salsaklängen von Chino Augusto Aguillar gelauscht (und vielleicht sogar mitgetanzt hatten), als alle verschwunden waren, da sammelten ein paar der Wohnungslosen, die „ihrem“ Stammplatz selbst während der Bauzeit des Einkaufs- und Kulturzentrums die Treue gehalten hatten, den herrenlos am Boden herumliegenden Müll ein.