Wie wir es in unserem Artikel „12 Monate SEM-Wahnsinn“ sowohl auf Online wie in Print angekündigt haben, plante die Initiative Heimatboden in Sachen Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) München-Nord einen offenen Brief an OB Reiter („damit München München bleibt“) zu schreiben. Am 8. März ist dieser nun abgeschickt worden. Hier sein Wortlaut!
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter,
Ihre Ankündigung zur Einleitung einer SEM Maßnahme im Münchner Norden vom Februar 2017 hat zum Jahreswechsel ein erstes „Bauernopfer“ gefordert. Familie Grünwald in Ludwigsfeld musste die Milchproduktion einstellen, weil notwendige Investitionen und Zukunftsplanungen (und damit Sicherung der Produktions- und Existenzgrundlage) durch die angekündigte SEM nicht mehr vernünftig abgesichert und getätigt werden konnten. HEIMATBODEN hat Sie bereits im Sommer 2017 auf diese betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Problematiken hingewiesen. Auch das letzte Dialoggespräch mit Vertretern des Planungsreferates und den Stadtratsfraktionen am 22. Februar 2018 verlief leider nicht zufriedenstellend. Das „Damoklesschwert SEM“ hängt – wie eh und je – über der Landeshauptstadt.
Wir nehmen dies zum Anlass, einige zentrale Problembereiche zusammenzufassen und in diesem offenen Brief an Sie zu richten.
1. Das Planungsreferat informiert die Politik weiterhin falsch über die rechtlichen Grundlagen
Wir haben ein Gutachten von Herrn Prof. Wolff vorgelegt, wonach eine SEM rechtlich auf tönernen Füßen steht. Die Inhalte des Gutachtens hat Herr Prof. Wolff in Ausgabe 25/2017 der „Deutschen Verwaltungsblätter“ – der führenden Deutschen Verwaltungszeitschrift – veröffentlicht. Beides verschweigt die Verwaltung konsequent und behauptet weiterhin gegenüber der Politik, dass das von ihr dargestellte „Einfrieren der Bodenwerte“ funktioniert, und man so anschließend „billig“ an die Grundstücke käme. Massive rechtliche Bedenken werden weiterhin verschwiegen. Wir haben daher ein öffentliches Experten-Hearing gefordert, bei welchem Herr Prof. Wolff die notwendige Transparenz herstellen kann.
2. Mittels einer SEM und dem „Einfrieren der Bodenwerte“ wird Spekulation verhindert
Wir haben für den Nordosten bereits nachgewiesen, dass das Gegenteil der Fall ist – eine SEM ist gerade das Einfallstor für Spekulanten! Auch die Süddeutsche Zeitung hat dies in der Ausgabe vom 9. Dezember 2017 thematisiert und vollumfänglich bestätigt. Trotzdem bleiben die Stadtverwaltung und Teile der Politik bei ihren Behauptungen.
Diese Spekulation wird möglicherweise verschleiert, indem unzutreffende Bodenrichtwerte vom Gutachterausschuss festgelegt werden. Weder die Süddeutsche Zeitung noch HEIMATBODEN hat vom Gutachterausschuss schriftlich eine inhaltliche Stellungnahme zu diesen Vorwürfen erhalten. Man hat uns seitens der Verwaltung bereits im Juli 2017 zugesagt, den Verdacht von Bodenrichtwertmanipulationen aufzuklären, was leider nicht geschehen ist. Mittlerweile ist eine erste Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Oberbayern dazu anhängig.
Auch im SEM-Gebiet Nord sind bereits Spekulanten aktiv. Uns liegt eine Einladung eines „Spekulanten“ vor, der konkrete Landwirtschaftsflächen in Ludwigsfeld baurechtlich entwickeln möchte. Er hat daher für den 8. Februar 2018 weitere Grundstückseigentümer in das Büro seines Partners, einem Münchner Rechtsanwalt, eingeladen und damit geworben, dass ein Mitglied der SPD-Stadtratsfraktion bei diesem informellen Treffen anwesend sei. Diese Stadträtin hat ihre Teilnahme auch eingeräumt, nachdem sie damit konfrontiert wurde. Sie können sicherlich nachvollziehen, dass es für die von den SEM-Plänen bedrohten Eigentümer nicht vertrauensbildend wirkt, wenn informelle Treffen von Politikern mit Spekulanten stattfinden und offensichtlich konkrete Projekte im SEM-Gebiet besprochen werden. Denn öffentlich wird stets beschwichtigt „erst muss ergebnisoffen das ganze Gebiet untersucht werden“.
3. Um die Belange der betroffenen Landwirte und Gärtner angemessen zu berücksichtigen, haben wir ein „Agrarstrukturelles Gutachten“ eingefordert. Dies würde nämlich einen kooperativen Weg eröffnen, und wurde mittlerweile von Frau Prof. Dr. Merk auch befürwortet (so Münchner Merkur vom 02.03.2018).
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter, es bleibt festzustellen dass die notwendige Entwicklung im Münchner Norden mittels einer SEM krachend an die Wand gefahren wurde. Nicht nur die Eigentümer, sondern auch die gesamte Bevölkerung lehnt die Pläne ab, wie die Veranstaltung am 8. Januar mit 1.400 Besuchern in der Feldmochinger Faganahalle gezeigt hat. Wir wiederholen uns in der Feststellung, dass jegliches Vertrauen verspielt ist. Je früher diese Maßnahme fallen gelassen wird und auf eine Konsenslösung einschwenkt wird, desto besser für München.
Stattdessen wird bis heute beschwichtigt, vertuscht, ignoriert. Wir müssen befürchten, dass es sich um einen reinen „Schaufensterdialog“ mit uns handelt: Ausdrücklich weisen wir in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass ein Agrarstrukturelles Gutachten in Verbindung mit dem Stadtratsbeschluss über Einleitende Untersuchungen zur SEM von den Betroffenen abgelehnt wird – diese werden dann in keinster Weise mehr kooperationsbereit sein!
Bitte verstehen Sie unsere klare Haltung, dass wir auf unseren Standpunkten bestehen und alle angesprochenen Punkte vorab geklärt werden müssen. Solange keine Transparenz hergestellt ist und diese Punkte nicht konsensfähig sind, haben uns die Eigentümer kein Verhandlungsmandat gegeben. Wir bleiben offen für einen echten Dialog und Verhandlungen auf Augenhöhe, sobald das Thema SEM einvernehmlich vom Tisch ist.“
P.S.: Wie wir einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung entnehmen durften, handelt es sich bei besagter Stadträtin um die SPD-Planungssprecherin Heide Rieke, die selbst aus der Fasanerie stammt. In dem Artikel verweist sie darauf, dass der Investor über die Entwicklung im Norden und die SEM habe sprechen wollen. Sie wiederum wolle die Chance wahrnehmen, so ist in dem Artikel zu entnehmen, die eigene Haltung dazu zu klären.
Goaßzipfe meint
Ich möchte konkretisieren:
Frau Rieke wohnt in der Fasanerie, ursprünglich stammt sie aus Mecklenburg-Vorpommern. Vielleicht erklärt das ihre Haltung!
Reinhard Krohn meint
Wer heute, ganz besonders in ganz akuten Angelegenheiten, gegenüber den Politikern und der Verwaltung nur vornehme Zurückhaltung übt und sich besonders zu Problemen einer breiten Öffentlichkeit nicht ganz klar und unmissverständlich erklärt, hat schon verloren. Was die Ausdrucksweise angeht, so meine ich, dürfen sich die Bürger und deren Interessenvertreter zumindest ebenso „reißerisch“ (was meines Erachtens hier aber gar nicht der Fall ist) ausdrücken, wie es heute bei zahlreichen Politkern in öffentlichen Statements und auch im Parlament alltäglich ist. Die Auseinandersetzungen sind nun mal rauher geworden. Es schaut doch so aus, als wenn sich die Stadtspitze und die städtischen Verwaltungen in den wichtigen Planungs- und Zukunftsangelegenheiten unserer Stadt immer weiter von dem mehrheitlichen Bürger-, heißt Wählerwillen entfernen.
Dieser an den Herrn OB Dieter Reiter gerichtete offene Brief beweist doch nur, wie notwendig es ist, die mittlerweile sehr zahlreichen Irritationen unter den betroffenen (selbst unter den nicht direkt betroffenen) Bürgern infolge von missverständlichen Informationen und leider auch falschen Darstellungen seitens der Stadtspitze und der Verwaltung ganz offen anzusprechen und öffentlich zu machen.
Ich denke mal, dass unser Herr OB Dieter Reiter damit umgehen kann.
Reinhard Krohn
Monika S. meint
Da die SEM und die Bebauung ja erst in einigen Jahren, angeblich sogar erst in ca. 15-20 Jahren, umgesetzt sein soll, gibt es noch genügend Möglichkeiten, die Politiker und Parteien zu wählen, die tatsächlich dagegen sind, um das Projekt zu stoppen.
Jens Hutter meint
Und Heimatboden glaubt tatsächlich, dass sie mit solch reißerischen Formulierungen (z.B. „krachend an die Wand gefahren“) und Pauschalisierungen („gesamte Bevölkerung“) mehr als ein Kopfschütteln beim OB erreichen?