Die Grünen im Stadtrat waren ja erstaunlicherweise diejenigen, die sich am lautesten beschwerten, dass die SEM im Münchner Norden abgesagt wurde. Eigentlich, so möchte man meinen, sollte es ihnen doch um Naturschutz gehen, um den Erhalt eines Restes an regionales Versorgung an Gemüse und darum, dass auch Städter eine zumindest ansatzweise gute Luft einschnaufen können – gerade in Zeiten des Klimawandels. Aber nein. Die Grünen sind vorne dran beim Bauwahnsinn. Am Mittwoch, den 13. Juni brachten sie eine Anfrage in den Stadtrat ein, in der es um den Vergleich zwischen Bauen gemäß Sozialgerechte Bodennutzung (Sobon) und Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) geht und wer die Rechnung für die erforderliche Infrastruktur zahlt.
Im Folgenden lesen Sie den Wortlaut der Anfrage: „Im Rahmen der Diskussion über die jetzt abgesagte Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Norden Münchens war festzustellen, dass sowohl Presse, interessierte Öffentlichkeit und selbst Stadträte die Meinung vertraten, die Infrastruktur wird in München durch die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) eh bezahlt und eine SEM wäre daher gar nicht nötig. Auch wird angenommen, dass 2/3 der Planungsgewinne durch die SoBoN abgeschöpft würden. Um die Diskussion zu versachlichen sollen die Größenordnungen der SoBoN-Lasten bei Entwicklung von landwirtschaftlicher Fläche sowie mögliche höhere Belastungen für den städtischen Haushalt durch Anwendung der SoBoN-Regularien anstatt einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dargestellt werden.
Beide Verfahren gibt es nicht ohne Grund. Die SoBoN ist geeignet für kleinere Maßnahmen in gut erschlossenen Bereichen. Die SEM ist bei größeren, schlechter erschlossenen Flächen mit mehreren Einzeleigentümern das geeignete Verfahren.
Da bei der Sobon nur Teile der Infrastruktur (mit-)finanziert werden, kommen bei Anwendung mit großen Umgriffen enorme Belastungen auf den städtischen Haushalt zu. Allein ein erforderlicher Schulcampus mit weiterführenden Schulen kostet mehrere hundert Millionen Euro, die nicht durch die SoBoN erfasst werden. Diese erfasst lediglich die Kita- und Grundschulversorgung und wird durch eine Pauschale abgegolten, die – anders als die steigenden Baukosten – nicht dynamisiert ist. Weitere Leistungen, beispielsweise Erschließungsbeitrag und Kanalbaukostenzuschüsse, werden dann nicht verlangt.
Nach Beispielrechnungen der Stadt bei Umstrukturierungen von Gewerbeflächen fallen bei der SoBoN nur 50 % der Planungsgewinne als SoBoN-Last ab. Der Bodenwert von landwirtschaftlichen Flächen bei einer Umwidmung zu Bauland verhundertfacht sich. 10 Hektar Bauland sind deutlich mehr als 100 Mio. Euro wert. Da die SoBoN-Last in beiden Fällen die Selbe ist, ist der Planungsgewinn bei einer Umwidmung von landwirtschaftlichen Flächen erheblich höher als bei umstrukturierten Gewerbegebieten. Deutlich mehr als 50 % verbleiben als leistungsloser Gewinn beim Grundeigentümer.
Wir fragen daher:
1. Welche ursächliche technische Infrastruktur (Straßen, Verkehrswege, Kanäle, leistungsfähige ÖPNV-Anschlüsse etc.) fallen als ursächliche Last im Rahmen der SoBoN an und werden ganz bzw. teilweise aus den planungsbedingten Grundstückswertsteigerungen (mit)finanziert?
2. Welche ursächliche technische Infrastruktur (Straßen, Verkehrswege, Kanäle, leistungsfähige ÖPNV-Anschlüsse etc.) fallen als ursächliche Last im Rahmen einer SEM an und werden ganz bzw. teilweise aus den planungsbedingten Grundstückswertsteigerungen (mit)finanziert?
3. Welche ursächliche „grüne“ Infrastruktur (Grün- und Erholungsflächen, Ausgleichsflächen, Friedhöfe etc.) fallen als ursächliche Last im Rahmen der SoBoN an und werden ganz bzw. teilweise aus den planungsbedingten Grundstückswertsteigerungen (mit)finanziert?
4. Welche ursächliche „grüne“ Infrastruktur (Grün- und Erholungsflächen, Ausgleichsflächen etc.) fallen als ursächliche Last im Rahmen einer SEM an und werden ganz bzw. teilweise aus den planungsbedingten Grundstückswertsteigerungen (mit)finanziert?
5. Welche ursächliche soziale Infrastruktur (Kitas, Grundschulen, weiterführende Schulen, Jugendeinrichtungen, ASZ, Nachbarschaftstreffs etc.) fallen als ursächliche Last im Rahmen der Sobon an und werden ganz bzw. teilweise aus den planungsbedingten Grundstückswertsteigerungen (mit)finanziert?
6. Welche ursächliche soziale Infrastruktur (Kitas, Grundschulen, weiterführende Schulen, Jugendeinrichtungen, ASZ, Nachbarschaftstreffs etc.) fallen als ursächliche Last im Rahmen einer SEM an und werden ganz bzw. teilweise aus den planungsbedingten Grundstückswertsteigerungen (mit)finanziert?
7. Unter Zugrundelegung von Werten aus größeren neuen Wohnquartieren (z.B. Riem, Freiham, ehem. Kasernenflächen) und den aktuellen Baukosten für Kitas und Schulen: welche (Bau-)Kosten für Kinderbetreuung und Schulversorgung fallen in einem Baugebiet mit ca. 30.000 Einwohnern in einer grob überschlägigen Berechnung an?
8. Welche Kosten davon könnten über eine SEM abgerechnet werden?
9. Wie hoch wäre der zu erwartenden SoboN-Finanzierungsbeitrag (100,– Euro/m2 Wohnfläche), wenn man den Erfahrungswert der Wohnfläche von 30.000 Einwohnern zugrunde legt?“
Ernst Stoiber meint
Die eigentliche Frage ist, warum alteingesessene, Feldmochinger und Steuerzahler für eine Infrastruktur aufkommen sollen, die sie jahrzehntelang entbehren mussten. Seit über 40 Jahren wurde der Münchner Norden vernachlässigt, was Infrastruktur betrifft, dafür aber überdurchnittlich mit Negativeinrichtungen bedacht. Statt die Bevölkerung zu spalten, sollte die Stadtverwaltung ihre Versäumnisse aufarbeiten.
Nina Schwarz meint
Für Personen, die nicht Besitzer von landwirtschaftlichen Flächen in Feldmoching sind, hat sich wenig geändert. Es kommt trotzdem die großflächige Bebauung, nur die Landwirte können jetzt ihre Äcker vergolden. Wer kann da wohl widerstehen?
Der Naturschutz ist dann zweitrangig. Das regionale Gemüse wächst eben ein paar Kilometer weiter draußen, irgendwo nördlich der Regattaanlage. Warum auch nicht?
Sofern man weder Landwirt noch Grundstücksbesitzer in Feldmoching ist (sicher die Mehrheit der Münchner Bevölkerung) ist die Anfrage der Grünen durchaus berechtigt. Warum sollte man diese Fragen nicht stellen dürfen?
Cornelia meint
Waren Sie schon mal Landwirt? Die Landwirte brauchen ihre Felder u. Grundstücke, um ihre Existenz zu erhalten. Meinen Sie, die bewirtschaften soviel Fläche, weil es so einfach ist, mit z. B. Kartoffeln reich zu werden.
Nina Schwarz meint
Sie glauben also nicht daran, dass die Landwirte ihre Äcker jetzt (ohne SEM) zu marktüblichen Preisen verkaufen würden?
1 qm Bauland in Feldmoching kostet ca. 2.000 Euro. 1 ha Acker (das sind 0,7 Fußballfelder), der Bauland wird, ist also 20 Mio. Euro wert. Nehmen wir mal an, der Landwirt bekommt davon nur die Hälfte.
Wenn wir beim Ackerbau von einem Gewinn von 2.000 Euro pro ha und Jahr ausgehen, müsste der Acker also 5.000 Jahre bewirtschaftet werden, um 10 Mio. Euro Gewinn zu machen.
Also wenn ich Landwirt wäre, würde ich verkaufen, selbst wenn ich dafür nur den entgangenen Gewinn von 300 Jahren bekommen würde. Das ist auch vollkommen nachvollziehbar.
Mit Kartoffeln wird man eben nicht reich, mit Bauland schon.
Boris Weiß meint
Bei Frau Schwarz‘ Denkweise und Rechnerei können wir alle froh sein, dass sie allem Anschein nach keine Grundbesitzerin ist.
Karl meint
Frau Schwarz, wo haben Sie denn diese Zahlen her? Meines Erachtens ist dies alles falsch. Mit wievielen Grundstückseigentümern haben Sie denn gesprochen? Auch wenn Sie es nicht für möglich halten, kann es gut sein, dass es Menschen gibt, die das seit Generationen gepflegte Land weiterhin erhalten wollen. Lassen Sie sich nicht durch die teilweise falsche und einseitige Berichterstattung und die Aussagen aus Politik und Stadtverwaltung blenden. Eine Entwicklung, wenn sie denn wirklich kommt, wird erst in Jahrzehnten abgeschlossen sein. Da kann vorher keiner schnelles Geld machen. Es wird suggeriert, dass jetzt alle für Unsummen verkaufen werden. Wer verbreitet das? Das ist nachvollziehbar Unsinn. Einige Landwirte werden dann gar nicht mehr leben. Vielmehr scheint es, als ob die Gesellschaft gespalten werden soll. Die Gesamtbevölkerung, die zu Tausenden eine massive Versiegelung ablehnt, wird gar nicht mehr erwähnt. Schon wieder werden Aussagen getroffen, bevor man nur ein einziges Gespräch mit den betroffenen Bürgern geführt hat. Soll damit vielleicht schon wieder Druck aufgebaut werden? Wenn Sie persönlich auch ein „Bauen auf Teufel komm raus“ ablehnen, sollten Sie nicht auch noch die Grünen, die genau das auf ihre Fahnen schreiben, positiv bewerten. Wer sich intensiv mit der Sache auseinandersetzt, wird schnell erkennen, dass München an seinem Erfolg erstickt. Nur eine Begrenzung des Zuzuges kann die Probleme mindern. München muss endlich aufhören, bewusst Gewerbe und damit Menschen anzulocken. Leider passiert das nach wie vor und man wundert sich dann, dass Wohnraum knapp und die Mieten hoch sind. Das wird sich logischerweise auch nicht ändern, wenn immer mehr Gewerbe geplant ist. Ich möchte mit einem Zitat von Budda schließen: „Zufriedenheit ist der größte Reichtum“. Neid ist kein guter Begleiter.“
P.S.: Im Baugebiet Neu-Riem hatte die Stadt den Grund im Eigentum. Trotzdem musste der Steuerzahler hunderte Millionen für die Entwicklung tragen. Und sind die Mieten dort billig?
So wie das alles immer schön vorgetragen wird, ist die Welt nicht. Augen auf!
Stefan Hausler meint
Die Grünen und Ihre „Soziale Gerechtigkeit“ Selbst Robin Hood handelte bei seinen Raubzügen vermeintlich zum Wohle der Allgemeinheit. Im Recht war er trotzdem nicht!