Zum Feldmochinger Hofgespräch vom 19. September erreichte uns folgender „Offener Brief“, den Sonja Sachsinger von der Aktionsgemeinschaft „Rettet den Münchner Norden“ an Stadtrat Pretzl schrieb.
„Mit großem Interesse hörte ich Ihnen vorgestern Abend beim Hofgespräch in Feldmoching zu. Sie zitierten die Prognosen über die Zuwanderung und schließen daraus, dass wir deshalb unbedingt viele Wohnungen bauen müssen. Möglicherweise erhoffen Sie sich dadurch auch, wie viele Ihrer Parteikollegen, dass durch ein größeres Angebot an Wohnungen eine Entspannung auf dem Mietmarkt herbeigeführt werden kann. (Nach dem Prinzip der freien Marktwirtschaft: Angebot und Nachfrage regelt den Preis).
Aber so schnell und so viel können Sie gar nicht bauen, wie neue Aspiranten vor den Stadttoren stehen – zumal München ja stetig neue Anreize bietet durch Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.
Erfreulich: Sie propagieren, die dazugehörige Infrastruktur, also das Straßennetz und ein ausgeklügelter Verkehrsplan, müssen vor der Bebauung vorhanden sein, der ÖV muss entsprechend ausgebaut werden, um die große Zahl an Neubürgern aufnehmen zu können. Ebenso, sagen Sie, brauchen wir genügend Radwege, Sportplätze und Freizeitflächen für die Kinder.
Ich möchte noch ergänzen: Wir brauchen breite Radwege und Fahrradstraßen, um der enormen Zunahme des Fahrradverkehrs, zum Teil mit Anhängern, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten durch E-Bikes, Berufsradlern und Freizeitradlern gerecht zu werden und generell die großer Beliebtheit des Radelns, des umweltfreundlichsten Verkehrsmittels, zu unterstützen und zu fördern.
Zudem brauchen wir viele große Fahrrad-Abstellplätze, natürlich auch Parkplätze und Parkhäuser für die Autos, P&R-Plätze an den Schnittstellen ÖV/IV – zumindest an den großen Einfallsstraßen.
Wir brauchen eigene Busspuren, damit der öffentliche Verkehr ordentlich schnell vorankommt. Wir brauchen Kitas, Schulen, Turnhallen, Fußballplätze, Schwimmbäder und Spielplätze. Wir müssen die Pflegeheime und Krankenhäuser erweitern und Büroflächen für die zunehmende Behördenarbeit. Wir brauchen mehr Supermärkte, Restaurants und Biergärten für die gewachsene Bevölkerung. Viele Schuhgeschäfte, Einkaufszentren und Nagelstudios werden sich ansiedeln. Und: Wir brauchen mehr Grünflächen als bisher, da ja mehr Menschen hier wohnen werden. Auch, um durch neue Frischluftschneisen die Zunahme an Luftschadstoffen, die sich durch die Erhöhung des Verkehrsaufkommens ergeben, auszugleichen sowie gegen die Hitze in den Sommernächten, die – bedingt durch den Klimawandel und die Abholzung vieler großer Bäume im Stadtgebiet – ins Unerträgliche ansteigen wird – gerade in den verdichteten Stadtbezirken.
Die Frage drängt sich mir auf: Wo soll das alles Platz haben? Die Stadtfläche ist kein Pizzateig, den man ausdehnen kann. Die Stadtfläche ist begrenzt. Deshalb geht die Rechnung „ein größeres Angebot an Wohnungen macht Wohnen billiger“ nicht auf.
Das Gegenteil wird eintreten. Das Gut, nämlich der Boden, wird durch das viele Bauen immer weniger und dadurch – das ist ein ganz normales marktwirtschaftliches Prinzip – werden die Grundstücke immer teurer, jedenfalls auf dem freien Markt und durch Investoren. Und somit werden die Wohnungspreise immer weiter steigen, je mehr gebaut wird. Auch Bauen in die Höhe, wie Sie es propagieren, entschärft die Situation nur marginal, denn dadurch wird das Bauen an sich teurer (Aufzüge, Versorgungsschächte, kostspieligere Brandschutzeinrichtungen …). Weshalb sonst sind die Wohnungen in dicht bebauten Städten wie Paris, London und Tokio so teuer?
Sie erwähnten Bürgermeister Kronawitters Baustopp und kommentierten es mit „dadurch ging es uns schlecht“ . Also, mal ganz ehrlich: Mir ging es damals nicht schlecht: Die Luft war besser, die Staus auf den Straßen kürzer, es gab weniger Lärm, mehr Grün und in den öffentlichen Verkehrsmitteln bekam man jederzeit einen Sitzplatz. Sogar viele Vögel gab es damals in den Parks und Bienen. Auch eine hohe Arbeitslosigkeit, die sich daraus ergeben hätte, ist mir nicht in Erinnerung. Vielleicht sollten wir doch einmal darüber nachdenken, wo eigentlich die Grenze des Bauens ist?
Einer Ihrer Parteikollegen sagte bei einer Podiumsdiskussion bezüglich der Münchner Wirtschaftspolitik: „Stillstand ist gleich Rückschritt.“ Soll mir das einmal ein Mathematiker erklären!
Es gibt genügend Gemeinden, die dieses ewige Wachstumsdogma und den damit verbundenen Flächenverbrauch nicht mehr mitmachen. Deren Haushalt ist dennoch ausgeglichen.“
Monaco Franze meint
Sehr guter Artikel! Das wichtigste ist mir der Satz, dass „München ja stetig neue Anreize bietet durch Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.“
Diese Problem muss endlich auf nationaler Ebene gelöst werden, das kann keine Stadt und auch kein Bundesland angehen. Warum kann eine Bundesregierung nicht z.B. auf BMW insofern Einfluss nehmen, dass BMW die Erweiterung eines FIZ mit 15000 hochwertigen Arbeitsplätzen statt im Münchner Stadtgebiet in einer strukturschwachen Region ansiedelt. Im Osten gibt es genug Städte, die Potential dafür haben, als Beispiel nur Dessau. Wunderschön im Elbtal gelegen, mit tollem Altbaubestand, den sich die BMW-Ingenieure toll sanieren könnten, aber auch genügend Flächen für ein Häuschen im Grünen. Dort stehen ungenutzte alte Industriegebäude, die danach schreien, in tolle Lofts ausgebaut zu werden, nur macht es keiner. Natürlich wird die Ingenieursfamilie zunächst die Nase rümpfen, aber man könnte steuerliche Anreize bieten, die eine objektive Entscheidung leichter fallen ließen. Es gäbe viele Ansätze, wenn man nur wollte.
Um ein Problem zu lösen muss man die Ursache bekämpfen und nicht die Symptome. Ich bin gespannt, wann das unsere Politiker, aber auch die Menschen endlich begreifen.
Goaßzipfe meint
BRAVO!!!!!
Da ist nichts mehr hinzuzufügen!
Reinhard Krohn meint
Liebe Frau Sachsinger, Sie schreiben in Ihrem Brief das, was vermutlich den größten Teil der „schweigenden“ Mehrheit in unserer Bevölkerung bedrückt, und appellieren gleichzeitig an unsere Damen und Herren Politiker, nun doch endlich einmal Vernunft anzunehmen. Es darf doch nicht sein, dass einer dem anderen immer dasselbe nachredet. Ich habe mittlerweile die Hoffnung, dass wenigstens OB Dieter Reiter langsam eingesehen hat, dass es so wie heute nicht weitergehen darf oder kann und dass die Kommunen die Folgen der Forderungen unserer vermeintlich so „schlauen“, zukunftsweisenden Politiker nicht verkraften werden. Woher soll denn das viele Geld kommen, das heute und künftig planlos und unbekümmert verbraten werden soll?
Meinen wir denn im Ernst, dass die hohe Konjunktur in unserem Lande endlos weiter gehen wird und dass die „schwarze Null“ im Staatssäckel ein Dauerzustand ist? Was die Menschen und zugleich Wähler über diese zukunftsweisenden Politiker ohne „Maß und Verstand“ denken, erfahren wir ja längst aus den Ergebnissen bei den Umfragen zu den sogenannten Volksparteien. Leider kommen unsere Volksvertreter nicht mal auf die Idee, ihren potenziellen Wählern mal „aufs Maul“ zu schauen oder sich ihnen zu nähern. Vom Rednerpult aus ist halt nichts zu erfahren ! Und für Diskussionen reicht nach den Erfahrungen meistens die Zeit nicht mehr. Der seinerzeit von Präsident Herzog zitierte „Ruck“ muss nicht durch das Volk gehen, sondern zuallererst mal durch unsere bzw. viele unserer Volksvertreter.
In unserem Land ist leider vieles in Unordnung geraten. Eine Kehrtwende wäre überfällig. Nur ausgemachte Optimisten mögen daran glauben.