Auf der Suche nach einem immer neuen Kick war Feldmoching am vergangenen Wochenende quasi überschwemmt von Autos und jungen Frauen, die vorzugsweise in Scharen auftretend, sich per Shuttlebus nach Oberschleißheim zur Ruderregatta fahren ließen, um dort, in Schlamm und Dreck sich wälzend, mal „raus aus dem Alltag, rein ins Vergnügen“ zu kommen. (So der Werbeslogan von „Muddy Angel Run“ – einem voll durchorganisierten, durchgestylten Herden-Auftrieb nur für Frauen. Und das für 40 Euro aufwärts.) Raus aus den Alltag – das galt auch für die kleine Schar von rund 35 Wallfahrern, die sich am Sonntag, den 26. Mai morgens um 6 Uhr auf den Weg von Feldmoching nach Maria Eich machten.
Allerdings war das kein sinnentleertes Spaß-Event. Wer mitging, stellte sich in eine Tradition, einem uralten Gelübde der Altvorderen aus dem Jahre 1822. Außerdem konnte er auf den 18 km nach Maria Eich, Rosenkranz-betend und gleichmäßig im angenehmen Schritttempo marschierend, die sonst doch so gern abschweifenden Gedanken zur Ruhe bringen, indem man sich auf das im Augenblick einzig Wesentliche konzentrierte, um nach gut dreieinhalb Stunden zwar etwas „ausgepowert“, aber stolz auf das gemeinsam Erreichte in Maria Eich anzukommen.
Viel waren es also nicht mehr, die den ganzen Weg gingen – ab Pasing, auf dem letzten Drittel, waren aber zumindest die Reihen der Frauen etwas aufgefüllt worden.
In Maria Eich jedoch wurden die tapferen Wallfahrer schon von vielen Gottesdienstbesuchern aus Feldmoching erwartet. Und wie groß war deren Freude, dass Pfarrer Huber gekommen war, um wieder einmal gemeinsam mit ihnen diese besondere Messe im Freien zu feiern. Pfarrer Huber hielt eine sehr schöne Predigt über „Mama“ und „Papa“ und die kleine Muttergottesstatue im Hohlraum einer alten Eiche. Denn mögen wir aufgeklärten, wissenschaftsgläubigen Menschen heute auch das Verhalten der Feldmochinger vor fast 200 Jahren für naiv und einfältig halten – die Bauern hatten die Viehseuche am Hals und in ihrer Not fiel ihnen nichts Dümmeres ein, als eine Minifigur um Hilfe anzuflehen!?! Es ist aber kein anderes Verhalten als das, das (oft auch erwachsene) Kinder voll Urvertrauen ihren Eltern gegenüber an den Tag legen, nach dem Motto: Mama und Papa werden es schon richten. Und viele Besucher freute es auch, dass Pfarrer Huber am Ende der Messe, auch wenn Hochbetrieb herrschte und die nächsten Wallfahrer aus Sendling schon warteten, den Wettersegen spendete, um bei allem menschlichen Bemühen um das Klima zu zeigen, dass hier noch höhere Mächte wallten als all die Gretas dieser Welt.
Jürgen Bauer meint
Um eine Verbindung, einen Vergleich oder gar Wertung zwischen Muddy Angel Run und der katholischen Kirche zu ziehen – dazu gehört schon viel Fantasie. Alle Teilnehmerinnen des Muddy Angel Run verdienen größten Respekt. Dieser Lauf ist nämlich nicht „sinnentleert“ oder nur für die „klingende Münze“. Der Lauf ist zu Gunsten der deutschen Brustkrebshilfe und soll eben möglichst auffällig, u.a. mit Verkleidungen auf das Thema Brustkrebs aufmerksam machen. Auch bei einem ernsten Thema darf man trotzdem Spaß haben – oder etwa nicht? Die Autorin dieses Artikels sollte lieber den Teilnehmerinnen für dieses Engagement Respekt und Anerkennung zollen als unterschwellig die Teilnehmerinnen abzuwerten.
Maja meint
Jedem das seine
Ich habe nicht an dem „sinnentleerten“ Event teilgenommen, habe aber die gutgelaunten und fröhlichen Frauen am Feldmochinger Bahnhof beobachtet. Sie hatten wohl eine Menge Spaß und darum ging es hier wohl. Warum kann man die Aktivitäten unserer Mitmenschen nicht einfach akzeptieren und sich über einen „Herden-Auftrieb“ mokieren ? Aber so ist das oft bei Anhängern der katholischen Kirche. Von ihrem eigenen „sinnentleerten“ Handeln mit FIngern auf andere zeigen. Ich würde lieber 40 Euro für ein lustiges Event ausgeben als die Machenschaften der katholischen Kirche zu unterstützen.
Sabine D. meint
Ja, so kann man das auch sehen, Es ist letztendlich alles eine Frage der Perspektive, wie Helmut Schleich sagen würde.
Selbst dieses aktuelle Beispiel aus dem Feldmochinger Micro-Kosmos (oder gibt es den wohlmöglich gar nicht mehr?) zeigt, dass unsere Gesellschaft – auch in der Öffentlichkeit wahrnehmbar – ziemlich vielfältig geworden ist. Jeder sucht seinen Sinn woanders. Die einen in der Religion, die anderen im Hedonismus. Mir gefällt es, dass wir uns über unterschiedliche Auffassungen austauschen können, und ich hoffe, dass das auch so bleiben wird.
Unterm Strich scheinen mir die Organisationen ‚Katholische Kirche‘ und ‚Muddy Angel Run‘ in ihren Zielsetzungen gar nicht einmal so weit auseinander zu liegen, wie es auf den ersten Blick scheint: Beide versprechen ‚Glückseligkeit‘ gegen klingende Münze – die einen .auf Dauer, die anderen für ein paar Stunden. Schön, dass man wählen kann.
Möge jeder nach seiner Façon glücklich werden.