Gestern machte die neue Stadtratskoalition aus Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt eine Wende von der Wende und tat das, was viele im Münchner Norden schon vor der Kommunalwahl befürchtet hatten: Sie will nun doch, um die letzten freien Äcker in der Stadt mit angeblich preiswerten Wohnraum bebauen zu können, zur SEM, zur Städtebaulichen Stadtentwicklungsmaßnahme, als Drohkulisse zurückkehren. Nach dem Motto, Kosmo ist tot, es lebe die SEM. Noch im Juli soll das Planungsreferat eine Beschlussvorlage einbringen, der „umgehend vorbereitende Untersuchungen“ für eine SEM einleitet. Der Kampf der Bürgerinitiativen dürfte damit wieder losgehen, während die Immobilienzeitung, die Fachzeitung für die Immobilienwirtschaft, freudig gleich die Meldung absetzte.
„Wir sind einfach nur geschockt!“ mit diesen Worten reagiert ein Sprecher der Initiative Heimatboden München-Nord auf die Ankündigung der Stadt München nun doch auf eine sogenannten Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Rahmen der Erschließung des Münchner Nordens zurückzugreifen. Die Ankündigung kommt einem Wortbruch gleich, denn noch vor der Kommunalwahl im Frühjahr 2020 hatte sich die Initiative Heimatboden mit allen entscheidenden Verantwortlichen, insbesondere mit Oberbürgermeister Dieter Reiter, auf eine einvernehmliche, auf einem gemeinsamen Konsens beruhenden Entwicklung des Gebietes geeinigt.
Basis dieses Konsenses ist unter anderem das Agrargutachten, das die Stadt beim Planungsreferat in Auftrag gegeben hat, sowie die städtische Machbarkeitsstudie „Kosmo“. Beides ist noch in Arbeit. Kosmo steht dabei für Kooperatives Stadtentwicklungsmodell. „Doch von Kooperation kann angesichts der aktuellen Entwicklungen keine Rede sein“, findet ein Sprecher der Initiative. Besonders befremdlich findet er, dass Stadträtin Anna Hanusch wider besseres Wissen den neuerlichen SEM-Vorstoß damit begründet, dass eine SEM die einzige Möglichkeit für die Stadt sei, bezahlbaren Wohnraum im Münchner Norden zu schaffen. Auch die Unterstellung des SPD-Stadtrats Christian Müller, dass es den Gegnern der SEM nur darum gehe, „Geld zu drucken“, sorgt bei den Mitgliedern von Heimatboden für Empörung. „Herr Müller tut so, als würde es in Feldmoching überall nur von Spekulanten und Heuschrecken wimmeln, aber wir reden hier von einem gewachsenen Münchner Vorort, in dem sich zahlreiche Familien seit Jahrzehnten ihre Lebensgrundlage und ein Stück Heimat aufgebaut haben. Gleiches gilt für die vielen Betriebe, die hier verwurzelt sind. Eine SEM würde vielen von ihnen die Existenzgrundlage entziehen.“ Immer wieder haben die von Heimatboden vertretenen Eigentümer in den zurückliegenden Monaten und Jahren zugesichert, dass sie bezüglich der Entwicklung des Stadtgebietes gesprächsbereit seien – nur eben nicht im Rahmen einer SEM, in der sie keine Mitspracherechte haben.
„Es kann doch nicht sein, dass die Stadt München kurz nach der Wahl einfach alle Absprachen und Verträge über den Haufen wirft und mit der SEM wieder genau jene Drohkulisse aufbaut, die eben nicht kooperativ ausgerichtet ist, sondern auf eine Enteignung abzielt, sagt ein Sprecher der Initiative Heimatboden. Er hat den Eindruck, dass sich die neuformierte Stadtratsfraktion aktuell bei ihren Wählern profilieren will und im Münchner Norden ein Exempel statuieren will.
Die Initiative Heimatboden würde sich freuen, wenn der Stadtrat wieder zu einem politischen Denken und Handeln findet, das auf Fakten, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit beruht, nicht auf Klientelpolitik, Ideologie und Selbstdarstellung.
Reinhard Krohn meint
Die letzten Komunalwahlen bescherten uns ja nicht nur „Rot / Grün“! Nein, es kam noch besser mit „Grün / Rot / Rosa“! Nun ja, wir werden damit leben. Und, es wird uns arg staunenden bis erschreckten Bürgern in der kommenden Legislatur gewiss nicht langweilig werden. Ich wünsche mir in der aufgeregten Debatte zur weiteren – vemeintlich dringend notwendigen – Versiegelungen der bis heute noch einigermaßen grün geblieibenen Restflächen von München – insbesondere im Norden unserer Stadt – deutlich mehr Ehrlichkeit bei den Begründungen der so heiß umstrittenen Zukunftsplanungen. Wie kommt man eigentich zu der Behauptung, unsere Landeshauptstadt werde, solle oder gar müsse in den kommenden 15 Jahren um 200.000 Einwohner duch Zuzug wachsen? Deutet dies etwa auf Optimismus hin oder aber auf Pessimismus? Ich wurde in einer schon etwas zurückliegenden Bürgerversammlung auf meine Anfrage an die Stadtplaner und Politiker nach den „doch gewiss schon vorauszusehenden Zuwanderungen aus bestimmten Herkünften nach München“ einfach verlacht!! Ja, so war es. Die so eifrig planenden und um Überzeugung kämpfenden Damen und Herren können nämlich diese Frage gar nicht beantworten. Es sitzen nämlich keine großen Menschenscharen anderswo in unserem Land auf ihren Koffern und warten auf eine Neubauwohnung in München. Wie wird dennn überhaupt die Zukunft unserer so schönen und viel beneideten Landeshauptstadt München verplant? Etwa mit einem Brett- oder Würfelspiel??