Wer nach einer, Corona sei Dank, sehr ruhigen Silvesterfeier und einem beschaulichen Neujahrstag die Tage darauf mal wieder seinen PC anstellte, um die Mails der vergangenen Tage zu checken, der fand, wenn er sie denn abonniert hat, auch die Rathaus-Umschau in seinem Postfach vor. Und wer interessehalber die vergleichsweise wenigen Meldungen in Ausgabe 2 überflog, blieb unweigerlich anbeider Antwort auf eine Stadtratsanfrage hängen mit dem Titel: „Zehentbauer-Haus, ältestes Haus der Lerchenau, erhalten!“ Ja, war der alkoholische Absturz an Silvester doch schlimmer gewesen, als er sich tags darauf angefühlt hatte? Ja war man unversehens in eine Vor-Corona-Vergangenheit zurückkatapultiert worden?
Vermutlich gibt es keine andere Berufsgruppe, über deren Arbeitselan mehr gewitzelt und mehr Vorurteile im Umlauf sind als über die der Beamten. Schon Asterix und Obelix im alten Rom lernen das Beamtentum sattsam kennen, als sie den „Passierschein A38“ möchten. Sie werden für das unschuldige Antragsformular kreuz und quer durchs Gebäude geschickt, von einem Beamten zum nächsten, von denen keiner sich zuständig fühlt.
Auch die Münchner Verwaltungsmühlen mahlen offensichtlich langsam. Aber sie arbeiten. Zuverlässig. Wenn auch langsam. Ohne Ansehen eigener Fehler. Jedenfalls beantwortete in der ersten Ausgabe des neuen Jahres das Kulturreferat ungeniert einen CSU-Antrag vom 26.8.2014 (!). Immerhin wird nichts unter den Tisch gekehrt, staunt der verwirrte Leser. Auch nicht die eigene Langsamkeit. Im Folgenden zu Ihrer Erbauung das Antwortschreiben.
„Im Rahmen der Durchsicht unerledigter Stadtratsanträge sind wir auch auf den oben genannten gestoßen. Während die Bearbeitung des Antrags bereits 2016 abgeschlossen wurde, blieb aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen die offizielle Antwort an Sie aus. Ich bitte dieses Versäumnis zu entschuldigen und möchte Ihren Antrag hiermit gerne, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, mit diesem Schreiben beantworten.
Der Stadtratsantrag „Zehentbauer-Haus, ältestes Haus der Lerchenau, erhalten!“ der CSU-Fraktion vom 26.8.2014 sah eine Erhaltung des Zehentbauer-Hauses in der Lerchenauer Straße 206 vor. Das Kulturreferat hatte in der Folge Kontakt mit der Eigentümerin, einer gemeinnützigen Stiftung, aufgenommen, um eine Bewahrung der Wohn- und Werkstätte des bekannten Krippenbauers Otto Zehentbauer herbeizuführen. Die Stiftung hatte jedoch bereits sehr konkrete Pläne für die Verwendung des Grundstückes: den Bau von Mietwohnungen und eines Geschäftsgebäudes. Da kein Investor der Eigentümerin ein adäquates Ersatz-Grundstück, das ebenfalls direkt an der Lerchenauer Straße liegt, angeboten hat, führte die Stiftung ihr Vorhaben wie geplant durch. Laut Auskunft des Kommunalreferates wurde am 21.11.2016 ein Abbruchbescheid erstellt und das Bestandsgebäude 2017 abgebrochen bzw. entfernt.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und geschäftsordnungsgemäß als erledigt gelten darf.“
Klar. Das Gebäude ist längst abgerissen und durch eine Bankfiliale ersetzt worden!
ReinerF meint
So sehr verwundert mich dieser bürokratische Abschluss zum ehemaligen Zehentbauer-Haus gar nicht. Dieses historische Denkmal ehemaliger Volkskunst und Volkskultur in der Lerchenau hatte nach meiner Überzeugung von Anfang an überhaupt keine reelle Chance, der Nachwelt erhalten zu bleiben. Dass unsere zumindest teilweise abgehoben Stadtverwaltung diesen Vorgang einfach vergessen hatte und es sich getraute, dazu nun nach sechs langen Jahren noch eine Stellungnahme zum Abriss dieses Hauses an die Presse zu geben, zeigt uns doch nur wieder einmal recht deutlich, welchen Stellenwert die dortigen Damen und Herren der allgemeinen Volkskultur hier im Münchner Norden zumessen. Auch unsere alten kulturellen Werte, Bräuche und Traditionen laufen mehr und mehr Gefahr, aus dem täglichen Leben der Bevölkerung verdrängt zu werden. Heute sollten wir zudem die große Gefahr erkennen, dass auch unsere Orsvereine der Volkskultur und Brauchtumspflege immer mehr um ihren Bestand in der weiteren Zukunft zu kämpfen haben. Das materielle Umfeld ihrer Bestandsgrundlage wird immer dünner, es fehlt ihnen einfach die dringend notwendige tatkräftige Unterstützung seitens der Kommune. Nur das ehrenamtliche Engagement allein kann heute eben nicht mehr die Vielfalt der kulturellen Werte pflegen und erhalten. An Appellen aus der „Basis“ fehlt es gewiss nicht. Leider verhallen diese nur all zu häufig.