Der Autobahnanschluss von der Schleißheimerstraße zur A99 ist entgegen dem Koalitionsvertrag der Stadtratsregierung wieder auf dem Tisch. Mitten durch die Grünflächen im nördlichen Hasenbergl soll die Straße verlaufen, doch nun regt sich Widerstand.
Der Autobahnanschluss an der Schleißheimerstr. wurde eigentlich nach den letzten Kommunalwahlen 2020 sowohl im Koalitionsvertrag als auch im Stadtrat abgelehnt. Nun bringen SPD und CSU ihn wieder auf die Münchner Agenda. Offiziell wird von Verkehrsentlastungen auf anderen Strecken wie etwa der Ingolstädter Str. und damit einhergehendem Umweltschutz gesprochen: Mehr Straßen würden demnach weniger Stau und damit weniger Abgase bedeuten. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, zeigt spätestens der Verkehrsplan Oberschleißheim, der von einer Verdopplung des Verkehrs im Viertel ausgeht.
Gegner der Trasse vermuten, dass wohl BMW sich eine schnellere Anbindung an ihr „Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ)“ wünscht. Daran koppele das Unternehmen das Schaffen von 6.000 neuen Arbeitsplätzen, die ohne Autobahnanbindung an die A99 nicht umgesetzt würden. Dieser Druck steht hingegen nicht im Raum, so monieren die Gegner der Autobahnanbindung, wenn es um den Ausbau des ÖPNV geht. Zudem stelle sich auch die Frage, ob die neue Straße für BMW nicht möglicherweise vor allem dem Güterverkehr in weitere Liegenschaften dienen soll anstatt den Mitarbeitern.
Die neue Strecke würde voraussichtlich zwischen Aschenbrenner- und Wintersteinstr. parallel bis zur Autobahnschleife in Feldmoching verlaufen. Damit würde sie direkt durch zahlreiche Grünflächen im Hasenbergl führen, welche teilweise sogar als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen sind. Der Fall der „BWM-Autobahn“, so die Gegner, zeige gut, wie sowohl Umwelt als auch Menschen gleichzeitig geschädigt werden können: Viele Spielplätze, eine Kleingartenanlage, Parks oder sogar ganze soziale Einrichtungen wie Altersheime und Kindergärten müssten der Tunnelbaustelle womöglich weichen. Gerade in einem Viertel, in dem die meisten Menschen keinen eigenen Garten besitzen und nachbarschaftliche Treffpunkte ohne Konsumzwang wichtig sind, würde man davon ausgehen, dass die Stadt sich für den Erhalt von Erholungsflächen einsetzen würde.
Bereits jetzt ist die A99 für die Anwohner des nördlichen Hasenbergls ein beständiges, lautes Hintergrundrauschen, in Zukunft könnten sich Lärm, Abgase, Stress und Stau vermehren, während das Viertel gleichzeitig auch noch enger wird. Die Lärm- und Schadstoffbelastung betrifft dabei auch die in Europa einzigartige Nordhaide und das Hartlholz. Diese Naturschutzgebiete sind Heimat zahlreicher vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten, die eigentlich bisher unter besonderem Schutz der Stadt standen. Wie ein empörter Anwohner kommentiert: „Ich radle seit Jahren in den Wald hinein. Seit dem Straßenbau gibt es dort weniger Tiere als hier im Viertel mit den Hasen.“ Die Anwohner sind schockiert. Sechs Jahre Baustelle, wie etwa der Luise-Kiesselbach-Tunnel gebraucht hat, mitten in ihrem Viertel, mitten auf Spiel- und Sportplätzen ist für viele kaum begreiflich. Auf einer Bank im Park bei Vogelgezwitscher mit den Nachbarn zu sitzen, würde damit erst einmal der Vergangenheit angehören.
BMW argumentiert seit Jahren mit dem wirtschaftlichen Nutzen für die Stadt München und hatte damit bisher auch Erfolg bei den Politikern. Nun liege es am Stadtrat zu entscheiden, so die Gegner der Autobahnanbindung, ob Anschluss gebaut werde. Es werde sich zeigen, ob die Lebensqualität der Anwohner oder die finanziellen Interessen des Großkonzerns an oberster Stelle stehen.
Das Hasenbergl wird häufig benachteiligt und als „sozialer Brennpunkt“ abgestempelt, weshalb BMW womöglich mit dem geringsten Widerstand rechnet. Diese Rechnung scheint allerdings nicht aufzugehen. Die Klimaaktivisten des „Antikapitalistischen Klapprad-Kollektivs“ und „Antikapitalistischen Klimatreffen“ München laden alle am Samstag, den 23. April zu einer Demonstration ein. Gemeinsam mit Anwohnern möchten sie auf der potenziellen Trasse für den Autobahnzubringer ein Zeichen gegen das Bauvorhaben setzen. Startpunkt ist um 13 Uhr am Mira Einkaufszentrum. Weitere Informationen finden Sie auf dieser Website.
Bernd meint
Warum werden die Symptome beklagt und keiner fragt nach den Ursachen? Das Problem liegt nach meiner Einschätzung darin, dass das FIZ II mit Wohlwollen und Förderung durch die Stadt und zigtausenden neuen Arbeitsplätzen realisiert werden soll. Muss das zwingend in einer Stadt sein, der das Wasser schon bis zur Nase reicht? Wäre es nicht wesentlich sinnvoller, nach Wegen zu suchen, Arbeitsplätze in benachteiligten Regionen zu schaffen? Massiv Menschen anzulocken und dann zu jammern, dass für diese kein Wohnraum da ist, der öffentliche Nahverkehr zusammenbricht und die Lebensqualität ständig sinkt, ist unredlich. München ist voll und das wollen die meisten nicht erkennen.
ReinerF meint
Danke für diesen ausführlichen Bericht über das Ansinnen von BMW und über die negativen Auswirkungen dieser gewünschten Verkehrsführung für die Bevölkerung und für die Natur am Hasenbergl.
Damit ist ja im Grunde genommen alles gesagt. Es ist allerdings zu fürchten, dass auch in diesem Falle weder die betroffene Bevölkerung gefragt noch auf die Schäden in der Natur Rücksicht genommen werden wird. Am Ende spielen der größere Einfluss auf den Stadtrat und das schnöde Geld die ausschlaggebende Rolle.
Darum bräuchten wir noch klarere Gesetze zum Schutz der heute schon so verkehrsgeplagten Menschen. Neue Hauptverkehrs- und Zubringerstraßen sollten künftig generell nicht mehr durch oder nahe dicht bebauter Wohnsiedlungen wie hier das Hasenbergl erlaubt und möglich sein. Dann müssen eben andere Lösungen gefunden werden! Schon der Gedanke, auf eine sogenannte „Brennpunktsiedlung“ (übrigens ein ganz blöder Begriff!!) brauche man wohl nicht so große Rücksichten zu nehmen, ist m. E. schändlich. Die Menschen leben in keinem Brennpunkt. Sie genießen den selben Rechtsanspruch wie diejenigen in unseren Münchner „Wohlstandsvierteln“.
Ich meine, der Vorstand von BMW sollte zu dieser Frage noch einmal in sich gehen!
Wolfi meint
Dieser Tunnel würde aber eine deutliche Entlastung zb für die im gleichen Bezirksausschuss wohnenden Menschen in Feldmoching bedeuten.
Und ein Tunnel bedeutet (und das sagt ja schon das Wort), dass der Verkehr unter der Erde stattfindet, womit an der Oberfläche eben dann wieder Platz für einen Park wäre (siehe Petuelpark)
ReinerF meint
Ich sehe das schon anders.
Denn, die Firma BMW AG fordert von der Stadt München den Anschluss der Schleißheimer Straße im Norden der Stadt an die A 99 wegen der erwarteten zusätzlichen Verkehrsprobleme infolge des neuen BMW-Forschungszentrums (FIZ). Es geht hier also um ein für die nächsten Jahren erwartetes zusätzliches Verkehrsaufkommen erheblichen Umfangs.
Und mit diesem neuen Autobahnzubringer am Hasenbergl zugleich verbunden dürfte die Erwartung bzw. die Hoffnung sein, dass künftig auch der LKW-Werksverkehr die BMW-Werksteile im Münchner Norden besser und schneller anfahren könnte..
Eine Überlegung oder Erwartung, mit dem geforderten neuen Autobahnanschluss auch den weiter westlich gelegenen Stadtteil Feldmoching spürbar zu entlasten, dürfte wohl kaum relevant sein.