Es ist laut seinen Machern einzigartig in seiner Art in Deutschland: Am Samstag, den 2. Juli fand im Pfarrheim von St. Peter und Paul ein eintägiges Destillier-Seminar statt. Von 9.30 Uhr in der Früh an lernten die vier Teilnehmer Theorie, Geschichte und Gesetzeslage, um am Nachmittag das Schnapsbrennen mit unterschiedlichsten Zutaten selbständig auszuprobieren. Am Ende des Tages durften sie die eigenen Kreationen mit nach Hause nehmen. Kursleiter sind die Feldmochinger Marco und Peter Pagnin, beide schon länger Hobbybrenner.
Ende 2019 entschied sich das Vater-Sohn-Duo, einfach loszulegen und aus ihrem Hobby einen Kurs zu machen. Nach einer längeren Coronapause darf dieser jetzt wieder regelmäßig stattfinden. Die Nebenräume im Pfarrheim von St. Peter und Paul gleichen dann einer Hexenküche: Kupferkessel und Röhren glucksen, aromatische Zutaten und vorgegorene Maischen duften bis in den Garten hinaus.
Brände oder Geiste – jeder Tropfen schmeckt anders
Im Seminar entdeckt man, wie sich das Geschmacksbouquet während der Destillation entfaltet. Jeder Tropfen, der aus dem kleinen Hahn am Fuße des Kessels perlt, schmeckt anders. An diesem Samstag konnten die Teilnehmer aussuchen, ob sie Brände oder Geiste (oder beides) herstellen wollten. Jeder Teilnehmer bediente einen eigenen Apparat aus Kupferkessel und -röhre, Gasbrenner, Thermometer und Glasbecher. Dabei lernten sie, das hochwertige vom ungenießbaren Destillat richtig zu trennen.
Brände werden aus Maischen gewonnen, sprich Obst, das einige Wochen lang gegoren hat. Zur Auswahl gab es regionale Schlehe und Kriecherl (Kriecherl wird vor allem in Österreich für verschiedene Unterarten der Pflaume verwendet), sowie Trauben, woraus Grappa gewonnen wird. Geiste dagegen entstehen, wenn 96 % purer Alkohol durch ein Aromasieb mit Früchten oder Kräutern dampft. Wie die frisch gesammelten Maiwipferl, die nach Wald schmecken. Oder das spezielle Gin-Rezept aus Wacholder, Gurke, Zitronengras, Orangenschale, Limette, Ingwer, Nelken, Zimt und Dillspitzen. Die Teilnehmer durften auch Kräuter aus dem eigenen Garten mitbringen, um über die Rezepte hinaus zu experimentieren.
Gebrannt wurde schon im Alten Orient
Bevor es jedoch ans Brennen und Verkosten ging, gab es einen Vortrag über die historische Entwicklung und die Grundlagen der Schnapsherstellung. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass schon die Bewohner Mesopotamiens die Technik kannten und damit Duftöle konzentrierten. Als im Mittelalter die Pest wütete, hatten viele Haushalte ihre eigenen Destillierapparate; Alkohol galt als Heilmittel. Damals erschienen auch die ersten Trunksucht-Gesetze. Seitdem hat sich das Destillieren zu einer feinen Kunst weiterentwickelt. Wenn in Schottland alte Kesselteile ausgetauscht werden müssen, hämmern die Whiskybrenner genau die gleichen Beulen in das neue Kupfer. Die zartsinnigen Experten sind überzeugt, dass sie den Geschmack prägen.
Selbstverständlich standen auch die heutigen Gesetze rund ums Hochprozentige auf dem Lehrplan. Hobbybrennen ist seit 2018 verboten und kann, wenn es zur Anzeige kommt, als Form von Steuerhinterziehung geahndet werden. Ausnahmen gibt es für Besitzer von größeren Streuobstwiesen, die ihre Obstbrände aber dem Zollamt melden müssen. Das Brennen aus pädagogischen Zwecken, so wie in diesem Seminar, ist hingegen erlaubt. Auf jeden gewonnenen Liter zahlen die Pagnins 14 € Steuer.
Ein gutes Geschenk: Der Besuch eines Destillier-Seminars
Beim Mittagessen in einem nahegelegenen Lokal konnten die Kursteilnehmer – darunter ein Paar aus dem Landkreis Ebersberg sowie ein Herr aus Schwabing – sich näher kennenlernen und ihre Mägen für den praktischen Teil des Seminars grundieren. Das Destillat, das aus dem Kessel tropft, hat nämlich eine Trinkstärke von bis zu 65 %. Etwas Mathematik war dann allerdings gefragt, um den Alkoholgehalt mit einem speziellen Apparat zu messen und auszurechnen. Danach wurden die Schnäpse auf genau 43 % verdünnt und mit einem Handmixer mechanisch gealtert – das Mischen mit der Luft baut die Spitzen ab, damit der volle, ausgewogene Geschmack in der finalen Verkostung gut rauskommt. So konnten sich die frisch gebackenen Hobbybrenner aussuchen, welche der Versuche sie mit nach Hause nehmen wollten. Zum Abschluss erhielt jeder eine Urkunde, die bezeugt, dass er sich umfangreiches Wissen angeeignet hat und er verspricht, respektvoll mit Alkohol umzugehen. Der Schnaps, der übrig bleibt, wird im Feldmochinger Fruchtstadl verkauft – aber nur so lange der Vorrat reicht, denn er ist begehrt.
Gleich zwei der vier Lehrlinge, die am Samstag diese etwas andere Schulbank drückten, hatten den Kurs übrigens zum Geburtstag geschenkt bekommen. Wer also gerade ein besonderes Geschenk sucht, ist mit dieser etwas ausgefallenen Idee gewiss gut aufgehoben! Beim nächsten Seminar werden unterschiedliche Herstellungsverfahren von Gin mit den gleichen Zutaten verkostet. Weitere Informationen zu den kommenden Kursen finden Sie auf der Website www.schnapsundgeist.de
Nächste Termine:
10. September, 29. Oktober, 26. November, 10. Dezember
ReinerF meint
Na, das ist doch mal ein einzigartiges Angebot in unserer Pfarrgemeinde St. Peter und Paul. Ein Brennerseminar – und dies auch noch zum aktiven Mitmachen! Der Seminarort in einem Pfarrsaal erscheint mir – das wird vielleicht einige Leser aufhorchen lassen – gut gewählt. Warum dies? Nun, noch heute wird nach alter Tradition in zahlreichen Klöstern die hohe Kunst des Brennens zur Herstellung hochwertiger Schnäpse und Liköre gepflegt. Diese schmackhaften „Geister“ in Flaschen und Fläschchen mit traditionellen Formen sind häufig beliebte Visitenkarten eines klösterlichen Wirtschaftsbetriebs und ebenso begehrte Mitbringsel für Daheim und für liebe Freunde.
Diese wunderbaren Köstlichkeiten – in Maßen genossen – können zu einem Erlebnis werden, das nicht so schnell in Vergessenheit gerät.