Social Media wie Instagram, Youtube und TikTok inclusive Messenger wie WhatsApp sind aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Warum auch? Spontane Verabredungen, ein kurzer Gedankenaustausch, Freunden eine interessante Entdeckung oder Idee mitteilen, per Text, Sprachnachricht, Foto oder Video, das geht jederzeit, einfach und schnell. Das Beispiel, das Pfarrer Alexander Brandl am 29. Oktober beim „Spirited“ in die Diskussion in der Bethanienkirche einbrachte, zeigt wie essenziell auch die Präsenz der Kirche auf Social-Media-Plattformen ist. Er berichtete von einem Fall, in dem er online seelsorgerisch Hilfe leisten und vielleicht ein Leben retten konnte.
Es gibt aber auch Bedenken zum Einsatz von Social Media, auf die Johannes Staeves in seiner Andacht einging. Datenschutz und das Grundrecht auf Privatheit sind nur die erste Stufe des Problems. Inzwischen gibt es Beispiele wie das Wissen darüber, was Menschen emotional bewegt, genutzt wird, um deren Interessen und Verhalten zu manipulieren. Wahlbeeinflussung, die Rolle von Facebook in der Rohingya-Krise oder die von der Whistl-Blowerin Francis Haugen beschriebene psychische Beeinflussung mit Depressionen und Selbstmordgedanken junger Menschen sind Beispiele dafür. Hier geht es darum, was den Menschen ausmacht. Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmung und freier Wille. Kernthemen der Kirche.
Soziale Medien sind nicht per se gut oder schlecht
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass Social Media nicht per se gut oder schlecht ist. Es kommt darauf an, wer die sozialen Meiden wie und für welche Zwecke nutzt. Den Internetkonzernen kann man nur bedingt die Verantwortung dafür geben, können sie doch auch nur begrenzt beeinflussen, wer ihre Dienste für Seelsorge oder Kriegshetze nutzt. Nicht umsonst haben sie mehrfach betont, dass auch sie klare gesetzliche Vorschriften für den Umgang mit sozialen Medien für notwendig halten. Das Europäische Parlament hat dazu bereits relativ strenge Gesetze erstellt. Gesetze allein reichen aber nicht und bis diese greifen, kann es ähnlich lange dauern wie bei den Gesetzen zu Alkoholkonsum oder Rauchen. Für deren Durchsetzung mussten auch kontroverse Interessenkonflikte gelöst, viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet und viel Leid ertragen werden.
Privatheit und Selbstbestimmung nur ohne Accounts?
Wie können wir als Kirche und als Einzelpersonen nun möglichst geschickt zu einer guten Nutzung von sozialen Medien beitragen? Es müssen nicht gleich alle, wie es zum Beispiel der ehemalige Internetpionier und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Jaron Lanier fordert, sofort alle ihre Social-Media-Accounts löschen. Aber jeder einzelne kann schon heute in Skandale verwickelte Firmen meiden und auf Social-Media-Programme wechseln, deren Geschäftsmodelle nicht auf Manipulation beruhen. Datenschutzeinstellungen konsequent kontrollieren und Spracherkennung meiden. Es ist eine individuelle Abwägung zwischen vielen Faktoren wie Reichweite und Privatheit, Bequemlichkeit und Selbstbestimmung, eigenen Interessen und der Unterstützung fragwürdiger Geschäftsmodelle.
Einig war sich die Runde in der Wertschätzung der Arbeit von Pfarrer Alexander Brandl, der sich trotz seiner eigenen Bedenken in Sachen Social Media in diese Welt hineinbegibt, um Menschen zu helfen. Vielleicht wird die Diskussion an diesem Tag ja auch etwas dazu beigetragen, die digitale Welt im christlichen Sinn mitzugestalten und unserer Verantwortung als Kirche gerecht zu werden.
Behinderte, Senioren … gehören in unsere Mitte
Das nächste Spirited findet am Sonntag, den 19. November ab 15 Uhr zum Thema „Behinderte, Senioren, chronisch Kranke gehören in unsere Mitte“ mit dem Pflegeexperten Claus Fussek wieder in der Bethanienkirche statt. Sie sind herzlich eingeladen. Johannes Steves