Die einstige Sanitätsbaracke des ehemaligen KZ-Außenlagers Dachau-Allach an der Granatstr. ist denkmalgeschützt und wird derzeit noch vom TSV Ludwigsfeld genutzt, bis dieser – endlich – im Zuge der Sanierung der gesamten Sportanlage ein neues Vereinsheim samt Umkleiden, Duschen etc. bekommt. Und dann? Wie geht es danach weiter mit der Baracke? Und dem später daran angebauten Kopfbau? Ein Denkmal, das nicht genutzt wird, ist dem Verfall anheim gegeben. Diesem Grundsatz eingedenk, fand am Dienstag, den 28. November eine Sondersitzung des Unterausschusses „Schule, Sport, Soziales“ des BA 24 in der Siedlung Ludwigsfeld statt.
Beengt ging es an diesem Abend im Besprechungsraum der Freizeitstätte „Jump-in“ zu – aber eine andere Begegnungsmöglichkeit gibt es in der Siedlung am nördlichsten Rand Münchens nun mal nicht. Gekommen waren u. a. Nicole Heiß vom Planungsreferat, die mit ihrem Team den Bebauungsplan für die weitere Nachverdichtung mit rund 2.000 Wohneinheiten in der Siedlung Ludwigsfeld erarbeitet, Vertreter des Sozialreferats, des Kulturreferats sowie des Kommunalreferats. Mit Jochen Haberstroh war auch der stv. Abteilungsleiter für Bodendenkmalpflege und Archäologie aus dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege anwesend. Für die Interessen der Jetzt-schon-Ludwigsfelder setzten sich Vertreter von „Kugel“ (Kulturgemeinschaft Ludwigsfeld) und „Iglu“ (Interessengemeinschaft Ludwigsfeld) ein. Nur der Besitzer der Immobilie, die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfeld, glänzte durch Abwesenheit. Leider. Denn ohne den Besitzer kann nichts entschieden werden. Der aber möchte erst die Ergebnisse der beauftragten restauratorischen Bestandsaufnahme der Bausubstanz und das Instandsetzungskonzept abwarten, ehe er über geeignete Nachnutzungen nachdenkt.
Planungsreferat: Baracke entspricht nicht Raumkonzept
Nicole Heiß machte klar, dass man an dieser Schnittstelle zwischen Bestandssiedlung und Neubaugebiet, einem „Filetgrundstück“, schon eine „würdige Nutzung“, eine „besondere Nutzung platzieren“ möchte, zumal der Gesamtkomplex 810 qm Grundfläche hat und damit größenmäßig für ein Familien- & Beratungszentrum sowie einen Bewohnertreff durchaus in Frage käme – Bedarfe, die so auch angemeldet worden waren und deshalb in die Auslobung zum Architektenwettbewerb aufgenommen wurden. Doch Anfang 2023 habe es einen Vor-Ort-Termin gegeben, bei dem man feststellen musste, dass der Zustand des Ensembles desolat sei. Der Anbau des ehemaligen Kinos habe gar Löcher im Dach. Und selbst wenn das nicht wäre: Für ein Familien- und Beratungszentrum hat das Sozialreferat ein bestimmtes Raumkonzept mit vordefinierten Raumhöhen & -größen, Böden sowie Barrierefreiheit und das lasse sich bei dem Ensemble einfach nicht umsetzen, zumindest nicht ohne große bauliche Veränderungen – was dem Denkmalschutz widerspreche – und nicht ohne großen finanziellen Einsatz. Punkt. Außerdem wolle man erst die laufenden Untersuchungen abwarten, deren Ergebnisse sie frühestens für Mitte 2024 erwartet.
Kommunalreferat winkt wegen Unwirtschaftlichkeit ab
Das Kulturreferat seinerseits hat bereits 2018 eine Machbarkeitsstudie erstellt, aber damals keine nachhaltige und zukunftsfähige Lösung gefunden für eine würdige Erinnerung an diesem einstigen Ort des Schreckens.
Aber man könne sich vorstellen, so die Kultur-Vertreterin, projektbezogene Mittel freizugeben. Beispiel: 2025 will München ab dem Frühjahr bis in den Mai hinein der „Stunde 0“ nach der Kapitulation Deutschlands und dem Ende des 2. Weltkriegs gedenken. Da nehme man gerne ein Projekt aus Ludwigsfeld in das Gesamtprogramm auf und dafür wären dann auch Mittel vorhanden.
Die Vertreterin des Kommunalreferats, zuständig für die Verwaltung sozialgenutzter Immobilien der Stadt, erklärte, dass man bereits 2018 Baracke samt Kopfbau überprüft habe und einen Erwerb seitens der Stadt als unwirtschaftlich ablehne. Eine soziale Nutzung habe besondere Voraussetzungen, die seien hier nicht umsetzbar, da ja auch der Charakter der Immobilie aus Gründen des Denkmalschutzes zu erhalten sei.
Grabungsfunde in Ludwigsfeld sind außerordentlich und einzigartig
Diese Tatsache bestätigte Haberstroh unumwunden. Jede größere Veränderung bedürfe der Genehmigung durch die Untere Denkmalschutzbehörde. Andererseits sieht auch er, dass ein nicht genutztes Denkmal unweigerlich seinem Ende entgegensiecht.
Er erläuterte den Anwesenden, dass die Funde bei den Grabungen der letzten Jahre wirklich außerordentlich, ja einzigartig, für Süddeutschland, wenn nicht für ganz Deutschland seien. Zumindest Teile der gefundenen Artefakte sollten daher schon am authentischen Ort dauerhaft und würdig präsentiert werden – und nicht nur, wie in Corona-Zeiten geschehen, im Rahmen der Ausstellung „Zeitspuren“ kurz im KZ-Dachau. Die Funde hätten wissenschaftliches Alleinstellungsmerkmal und ergäben eine Fülle neuer Erkenntnisse, so Haberstroh. Seit ein paar Monaten würden die Funde in Form einer Dissertation sogar wissenschaftlich ausgewertet … Letztlich einigten sich die BA-Mitglieder des Unterausschusses darauf, dass die Stadt die denkmalgeschützte Baracke in der Granatstr. 8/10 und das dazugehörige Grundstück zur Nutzung für soziale und kulturelle Zwecke erwerben möge.
Andererseits kippte im Nachklang der Diskussion auch wieder das Meinungsbild: Die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfeld habe beim Kauf der Siedlung Ludwigsfeld eben nicht nur Baupotenzial erworben, sondern auch sehenden Auges eine sanierungsbedürftige, denkmalgeschützte Baracke. Sie trage die Verantwortung für die Sanierung. Warum sollte man ihr die Kosten dafür erlassen?
Im Nachklang der Sitzung teilte die UA-Vorsitzende Christine Lissner noch mit, dass Jascha März von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten derzeit weder die Übernahme der historischen Liegenschaften des ehemaligen KZ-Außenlagerkomplexes Allach noch die Errichtung und den Betrieb eines Erinnerungsortes zum Themenkomplex plant.
BA stellt Antrag auf Kauf der Baracke durch die Stadt zurück
In der Dezember-Sitzung des hiesigen Bezirksausschusses stand der Antrag, dass die Stadt die denkmalgeschützte Baracke erwerben solle, auf der Tagesordnung. Hier argumentierten BA-Mitglieder dafür, den Investor jetzt nicht aus der Verpflichtung zu entlassen, die denkmalgeschützte Baracke zu sanieren. Die Forderung, dass die LHM die Baracke erwerben möge, komme zu früh, so Stadtrat Dirk Höpner (München-Liste). Auch Klaus Mai (SPD) meinte, die soziale und/oder kulturelle Nutzung der Baracke sei doch bereits im Stadtratbeschluss festgelegt, da komme der Investor nicht aus. Die richtigen Schritten seien eingeleitet, mehr sei jetzt nicht nötig zu tun.
BA-24-Chef Rainer Großmann gab auch zu bedenken, dass man, wenn man zu viele Wünsche in der Baracke unterbringen wolle, die Sanierung sehr teuer würde. In der Folge würde dann der Investor noch mehr zusätzliches Baurecht verlangen, was der BA 24 grundsätzlich ablehnt.
Letztlich einigte man sich darauf, erst die nächste Sitzung in großer Runde nach Abschluss des Gutachtens abzuwarten und momentan den Antrag zurückzustellen.
Ewgenij Repnikov M.A. meint
Das Ensemble, bestehend aus ehemaliger KZ-Sanitärbaracke und Speisesaal des Bundesauswandererlagers München-Karlsfeld ist absolut erhaltenswert. Es steht nicht umsonst unter Denkmalschutz und ist einmalig in ganz Deutschland. Die Sanitärbaracke aus dem Jahr 1944 ist die einzige noch vorhandene Baracke des ehemaligen KZ-Außenlagerkomplexes Allach, das aus dem KZ-Außenlager Allach und dem OT-Lager Karlsfeld bestand. Und der Speisesaal des Bundesauswandererlagers München-Karlsfeld aus dem Jahr 1951 ist überhaupt das einzige übriggebliebene Gebäude von ehemals drei Bundesauswandererlagern.
Man muss also dieses für die deutsche Geschichte einzigartige Ensemble erhalten und instand setzen. Für diesen Zweck kann man auch z. B. auf Mittel aus dem Entschädigungsfonds für Denkmalpflege, der vom Freistaat Bayern und den Kommunen getragen wird, zurückgreifen oder die Deutsche Stiftung Denkmalschutz um Hilfe bitten.
Auch das Argument der baulichen Veränderungen, die dem Denkmalschutz widersprechen würden, greift nicht /s. Alte Akademie München/.